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# taz.de -- „Funny Woman“ bei Sky: Glück und Unverfrorenheit
> Die Serie „Funny Woman“ erzählt die Geschichte einer Frau in den 1960ern,
> die Karriere in der Unterhaltungsindustrie machen will. Kann sie was?
Bild: Gemma Arterton als Barbara Parker: Szene aus „Funny Girl“
„Funny Girl“ [1][hieß Nick Hornbys Roman im Original], der 2014 auf Deutsch
unter dem Titel „Miss Blackpool“ erschien. Für die sechsteilige
Serien-Adaption, die ab dem 9. Februar bei Sky und WOW zu sehen ist, wurde
die Geschichte nun allerdings in „Funny Woman“ umbenannt. Was daran liegen
dürfte, dass es bereits einen legendären Musicalfilm namens „Funny Girl“
mit Barbara Streisand gibt und man einer Verwechslung vorbeugen wollte.
Doch vielleicht war den Macher*innen der Serie auch einfach sehr
bewusst, dass man erwachsene Frauen heutzutage wirklich nicht mehr als
Mädchen bezeichnen sollte, ganz gleich wie witzig sie sind. Eine
naheliegende Theorie, wenn man bedenkt, wie offensiv „Funny Woman“ trotz
eines historischen Settings hochaktuelle gesellschaftliche Diskurse
reflektiert.
Angesiedelt ist die Geschichte allerdings Mitte der 1960er Jahre in
Großbritannien. Barbara Parker (Gemma Arterton) führt in Blackpool ein
ebenso gewöhnliches wie unaufregendes Leben: Sie wohnt noch mit Vater und
Tante unter einem Dach, arbeitet in der örtlichen Bonbonfabrik und wird
wohl bald den Metzger aus der Nachbarschaft heiraten. Doch als sie
unverhofft die Wahl zur Miss Blackpool gewinnt ändert sich mit einer
impulsiven Entscheidung alles. Von einem Tag auf den nächsten lässt sie den
Alltag in der Provinz hinter sich, zieht nach London und hofft dort, sich
vielleicht doch noch den Traum von einer Karriere in der
Unterhaltungsbranche zu erfüllen.
Die Anfänge in der Hauptstadt sind erst einmal mühsam. Ein Job als
Hutverkäuferin im Kaufhaus, ein Schlafplatz im schmuddeligen Zimmer von
Marjorie (Alexa Davies) aus der Schuhabteilung und dazu immer wieder
übergriffig-zweideutige Angebote von Kunden – Showbiz-Glamour sieht anders
aus. Auch als Barbara zufällig an einen Agenten (Rupert Everett) gerät,
wendet sich nicht alles automatisch zum Besseren. Denn der sieht in ihr vor
allem ein blondes Landei mit Sex-Appeal, das sich gut als Revuetänzerin mit
dem Künstlernamen Sophie Straw machen dürfte.
## Zielloser Mischmasch
Doch dank einer Mischung aus Glück und Unverfrorenheit gelingt es ihr
schließlich doch noch, für eine neue Comedyserie vorzusprechen. Und weil
sie dort im Produzenten Dennis Mahindra (Arsher Ali) und dem Autoren-Duo
Tony (Leo Bill) und Bill (Matthew Beard) auf Gleichgesinnte trifft, die ihr
komödiantisches Talent erkennen, ergattert sie tatsächlich die Hauptrolle
in „Barbara and Jim“, an der Seite des erst arroganten und dann doch sehr
interessierten Starschauspielers Clive Richardson (Tom Bateman).
Daran, in welcher Ära wir uns befinden, erinnert „Funny Woman“ allzeit und
mit Vehemenz: von den Frisuren und den Kostümen über die Gesprächsthemen
(LSD! Carnaby Street! The Beatles!) bis hin zum Soundtrack wirkt alles wie
aus dem „Best of the Sixties“-Sammelband, und falls doch Zweifel geben
sollte, werden alle Londonbilder durch einen Super-8-Filter gejagt.
An einem authentischen Abbild jener Zeit ist der von Oliver Parker
inszenierten und von Morwenna Banks (die auch eine Nebenrolle als Everetts
Ehefrau spielt) geschriebenen Serie allerdings nicht gelegen. Die Figuren
reden und verhalten sich wie Millenials, und alles, was hier an Themen
nebenbei verhandelt wird, wird mit dem Blick von heute wahrgenommen.
Feministisches Erwachen und die Fallstricke des Patriarchats, Blackface
oder Klischees in der Darstellung von Homosexualität, Yoga-Boom und die
Bedrohung der Öffentlich-Rechtlichen durch kommerzielle Kabel-Konkurrenz –
hier wird nichts ausgelassen, aber nicht als zeitgenössische Erfahrung
gezeigt, sondern modern reflektiert.
Das Ergebnis ist ein irgendwie zielloser Mischmasch, der nichts Halbes und
nichts Ganzes ist, weder entlarvende Satire noch glaubwürdiges
Historiendrama und auch nicht wirklich revisionistische
Geschichtsumschreibung. Die stimmigsten Momente sind immer die, in denen
sich die Story ganz auf den Prozess und [2][die Mechanismen der
Sitcom-Produktion] konzentriert. Und immerhin hat die Serie mit der „Funny
Woman“ selbst ein echtes Ass im Ärmel: Gemma Arterton, als Schauspielerin
seit 15 Jahren chronisch unterschätzt, ist die perfekte Besetzung für die
Hauptrolle und verschmilzt aufs Hinreißendste das Pin-up-Image typischer
60er-Sternchen wie Britt Ekland mit der physischen Comedy von Lucille Ball.
10 Feb 2023
## LINKS
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[2] /Sexismus-und-Politik-in-Sitcoms/!5727674
## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
Großbritannien
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