# taz.de -- Neuer Nick-Hornby-Roman: Endlich erwachsen werden | |
> In "Slam" stellt sich ein Jugendlicher seiner Verantwortung. Schneller, | |
> als frühere Helden eine Top Five der Verantwortungs-Verweigerungssongs | |
> zusammen hätten. | |
Bild: Der Sam-Kosmos. | |
Als Nick Hornby die 30 überschritten hatte, machte er nicht sein Hobby zum | |
Beruf, sondern sein Leben. Also Fußball und Popmusik. Damals nannte er das: | |
"Die wirklich wichtigen Angelegenheiten im Leben". Die Bücher hießen "The | |
Fever Pitch" (1992) und "High Fidelity" (1995). Sie bleiben - nicht im | |
Kanon der Weltliteratur, aber im Kanon eines kleinen, männlichen Teils der | |
derzeit lebenden Menschen. | |
Manche dachten, es gehe dem Schriftsteller Hornby um das Kind im Manne und | |
die Schwierigkeit eines bestimmten Typ Mannes, erwachsen zu werden. Mag | |
sein. Ich denke, dass es sich um den Versuch eines Gegenentwurfs zu dem | |
handelte, was Hornby damals unter Erwachsensein verstand: Langeweile bis | |
zum Tod. Aber wie das so geht: Am Ende von "High Fidelity" erkämpft sich | |
der leidenschaftliche Popmusik- und Chartsfan um die 30 ein geordnetes | |
Leben mit einer patenten, gutaussehenden und gutsortierten Erwachsenen. Ein | |
Happy Ending der puren Vernunft. Was soll man danach noch erzählen? | |
Inzwischen ist Hornby 50 und hatte für seinen neuen Roman "Slam" eine | |
richtig gute Idee: einen Perspektivwechsel. Es ist keine Geschichte eines | |
Vaters, der mit seinem heranwachsenden Sohn kämpft. Es ist die Geschichte | |
eines jugendlichen Skateboard-Besessenen, der seine Freundin anbumst, ich | |
meine: dessen Freundin ein nicht gewolltes Kind bekommt. Und der nun sehen | |
muss, wie er mit allem zurechtkommt. Ein Slam ist, wenn es einen beim | |
Skaten richtig auf die Schnauze haut. Handelt es sich um eine | |
Salinger-Hommage ("If you really want to hear about it, the first thing | |
youll probably want to know ")? Könnte man denken, wenn der Icherzähler | |
anfängt: "Damit wollte ich eigentlich sagen, dass ihr das eine oder andere | |
über mich wissen solltet, ehe ich loslege mit Mum und Alicia und mit | |
allem." | |
Also: Sam wird gerade 16, seine Mum ist 32, alleinerziehend und | |
interessiert sich für David Beckham. Wenn er seinen Vater mal trifft, redet | |
der über Geld (das er nicht hat), Frauen (die er gern im Bett hätte) und | |
Kontinentaleuropäer (die er hasst). Aha, Unterschicht. Man braucht kaum | |
noch erwähnen, dass auch Sam eigentlich keiner wollte. | |
Die Eltern seiner Freundin Alicia (16) sind Mittelschicht, und es ist | |
selbstverständlich die aufgewühlte Snob-Mutter, die Sam spüren lässt, dass | |
so ein ungewolltes Kind unter seinesgleichen zwar üblich sein mag, aber für | |
sie und ihre Tochter eine Katastrophe ist (der Mittelschichtvater verhält | |
sich auch normal, also freundlich passiv). | |
Sam liebt Alicia erst mächtig. Klar: Sex ist sein Ding - außer | |
Skateboardfahren -, sie ist die erste, die ihm dazu verhilft. Und außerdem | |
liebt sie ihn, obwohl sie eigentlich eine Nummer zu groß für ihn ist. Als | |
sie dann schwanger wird, liebt er sie schon nicht mehr. Weil er das lange | |
erwachsene Paarleben vor dem Fernseher in ihrem Mädchenzimmer bereits | |
vorweggenommen und satt hat. Erst lebt er plötzlich richtig und nur, wenn | |
er bei Alicia ist. Dann ist das Leben dort, wo Alicia nicht ist. Oder | |
zumindest sind dort, wo Alicia ist, auch Probleme. Er flieht, dann stellt | |
er sich der sogenannten Verantwortung. Er wird also schneller vom Jungen | |
zum Mann, als Hornbys frühere Helden eine Top Five der | |
Verantwortungsverweigerungssongs zusammengestellt hätten. | |
Am Ende ist er 18, hat eine neue Freundin und eine okaye Patchworkfamilie | |
am Laufen, während die böse Mittelschichtschwiegermutter sich und ihr Leben | |
komplett desavouiert hat. | |
Und damit zum Aber. "Ich bin froh, dass es einiges gibt, was ihr nicht | |
wisst und worauf ihr nie kommen würdet, seltsame Sachen, die, soweit ich | |
weiß, in der gesamten Geschichte der Menschheit außer mir noch keinem | |
passiert sind." Jeder muss für sich selbst klären, ob die jugendlich | |
sprechende Erzählerstimme für ihn funktioniert . | |
Für mich klingt das einfach nicht gut. (Um das Wort authentisch zu | |
vermeiden.) Und die Kernidee, dass Sam von dem sprechenden Poster seines | |
Skate-Idols beraten wird, dem einzig aufrechten Alten in dieser gnadenlosen | |
Welt hilflos-patenter Mütter und klischierter Schischi-Schwiegermütter? Na | |
ja. Für den Kanon reicht es nicht. Es gibt aber literarische Tricks und | |
Humor und wunderbare Stellen in "Slam", kleine Pop-Perlen eigentlich. Zum | |
Beispiel die Beobachtung, dass ein Mann, wenn er zwei Frauen trifft oder | |
auch nur sieht, sich immer fragt, welche der beiden er nehmen würde. Wie | |
der sehr kritische Kollege von der Zeit habe auch ich mehrfach laut gelacht | |
beim Lesen. Ich finde: Das ist doch schon eine ganze Menge heutzutage. Und | |
zu allen Zeiten. | |
18 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
Peter Unfried | |
## TAGS | |
Großbritannien | |
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