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# taz.de -- Beyoncés Konzert in Dubai: Ein Ständchen für Autokraten
> Beyoncé sang bei einer Hoteleröffnung in Dubai. Dabei gab es olle
> Liebesnummern und viel neoliberalen Girlboss-Feminismus.
Bild: Beyoncé sang in Dubai bei einer Hoteleröffnung. Finanziell hat sich das…
Es ist immer so eine Sache mit Pop und Moral. Nichts ist langweiliger als
tugendhafter, sittlicher Pop. Niemand will aalglatten Charity-Sound,
Ambivalenz ist das Kapital eines jeden Popstars. Im Auftrag von autoritären
Regimes aufzutreten, hatte trotzdem schon immer ein Geschmäckle, wie nicht
nur Shakiras Absage der WM-Eröffnung kürzlich in Katar zeigte. JLo sang
einst „Happy Birthday“ für den turkmenischen Diktator Berdimuhamedow und
gab an, nichts von dessen Menschenrechtsverletzungen gewusst zu haben.
Nelly Furtado performte für den Gaddafi-Clan und spendete die 1 Million
US-Dollar Gage danach angeblich an eine Hilfsorganisation, ohne je
anzugeben, an welche. Alle mussten sich entschuldigen, sind letztlich aber
damit durchgekommen, weil es ebendiese kleinen und großen Skandale sind,
die einen Popstar im Gespräch halten, im Sinne von: Es gibt keine schlechte
Presse, wenn es nur noch um das Generieren von Aufmerksamkeit geht, ergo
Profit.
Als Beyoncé vergangene Woche bei einer Hoteleröffnung in Dubai sang,
staunte man dennoch nicht schlecht. Zum einen, weil Beyoncé einer der
größten Popstars unserer Zeit ist, seit vier Jahren kein Konzert mehr
gegeben hat und das Comeback als Hotelanimateurin ihrer einfach nicht
würdig schien. Zum anderen aber, weil der Skandal um die WM in Katar noch
nicht lange genug her ist, als dass man Dubai als Veranstaltungsort ganz
kommentarlos erwähnen könnte.
Auch wenn Tourist_innen aus aller Welt in Dubai gern gesehen sind, solange
sie möglichst viel Geld dalassen, unterliegen die Vereinigten Arabischen
Emirate dem Scharia-Gesetz, das gerade für Frauen und Queers Gewalt und
Unterdrückung bedeutet. Mit einem seltsam bedeckten Outfit und ohne
Tanzeinlagen trällerte Beyoncé dort 19 Songs runter und soll dafür 24
Millionen US-Dollar eingestrichen haben. Fans empörten sich ein paar Tage
lang, aber viele werden sich irgendwann fragen müssen: Are we surprised?
Explizit politisch äußern Beyoncés Bildsprache und Songs höchstens ein paar
Solidaritätsbekundungen mit Black Lives Matter, ansonsten eher viel
neoliberalen Girlboss-Feminismus. Zwar kokettiert die Sängerin immer
wieder mit radikalen Referenzen wie in Wasser ersaufenden Polizeiautos oder
einer Show-Hommage an die Black-Panther-Bewegung.
Doch ist auch hinlänglich bekannt, dass ihr Modelabel unter
menschenunwürdigen Bedingungen in srilankischen Sweatshops produziert und
dass sie trotz eines Streiks der Belegschaft in einem Hotelrestaurant ihre
dortige Oscar-Party nicht absagen wollte. Es gibt immer genug
Empörungspotenzial für einen kleinen Shitstorm und ein paar Schlagzeilen,
aber hat irgendwas davon Beyoncé jemals geschadet? Man könnte sagen:
Beyoncé ist einer der reichsten Menschen der Welt, und genauso verhält sie
sich. Manche hassen sie dafür, manche bewundern es, andere versuchen
darüber hinwegzusehen, weil Beyoncé eines kann, was viele andere
Milliardäre nicht können: krass gute Kunst machen.
Beyoncés aktuelle Platte etwa wird seit letztem Sommer so majestätisch
gefeiert, dass sogar ihre Hater [1][heimlich „Renaissance“ hören müssen.]
Als Hommage an die queere Community lebt das Album von vielen Ballroom- und
House-Referenzen sowie Produktionen und Inspirationen von queeren
Künstler_innen. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass Beyoncé keinen
dieser neuen Songs in Dubai gespielt hat, wo gar die öffentliche
Thematisierung von Homosexualität verboten ist.
Stattdessen gab es olle Liebesnummern, ihr Ehemann klatschte im Publikum
mit, das Töchterchen sang ein Duett mit Mama – die Ehrung der Kleinfamilie
statt des queeren Ballrooms, den Emiren wird es gefallen haben. Und
schließlich wird klar, dass Beyoncé wohl mehr mit ihren Auftraggebern
gemein hat als mit den Communitys, aus denen ihre Kunst schöpft.
27 Jan 2023
## LINKS
[1] /Neues-Album-Renaissance-von-Beyonce/!5868238
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
Kolumne Red Flag
Beyoncé
Dubai
Autokratie
GNS
Country
Kolumne Geraschel
Kolumne Red Flag
Rap
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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