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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Auf dem Brötchen-Planeten
> Die Reihe „Ungarische Neo-Avantgarde im Film“ bietet vergnügliche
> Blitzlichter auf die Geschichte des ungarischen Experimentalfilms.
Bild: Szene aus Ottó Fokys „Babfilm“ von 1975
Gemächlich zieht das Croissant am altbackenen Brötchen vorbei, das in Ottó
Fokys „Babfilm“ (Bohnenfilm) von 1975 beim Blick aus dem Weltall als Planet
auftritt. In Fokys Film beobachtet ein metallenes Huhn per Kamera aus dem
Weltall das Treiben auf dem Brötchen-Planeten, der ausschließlich von
Bohnen bewohnt wird.
Zwischen alten Merci-Schokoladen- und Cognac-Packungen zieht der
Straßenverkehr dahin als eine Bohne von einer Sardinendose angefahren wird.
Zwei Bohnen rauben Schmuck, werden jedoch von einer dritten gestellt. Auf
der Flucht scheitern sie an einem Kamm, der als Zaun fungiert. Tausende von
Bohnen feuern zwei Mannschaften fußballernder Bohnen in einem Stadion an.
Fokys Film ist ein Klassiker des ungarischen Animationsfilms. Am Sonntag
läuft er im [1][Kino Arsenal] im zweiten von zwei Programmen mit Filmen der
ungarischen Neoavantgarde der 1960er und 1970er Jahre. Das Filmprogramm
beschließt die Ausstellung „Magyar Neo-Avantgarde“ im [2][Collegium
Hungaricum Berlin], die noch bis Freitag zu sehen ist.
Die Ausstellung und die beiden Filmprogramme zeigen den Anschluss der
ungarischen Kunst- und Filmszene an avantgardistische Bewegungen der
klassischen Moderne und aktuelle internationale Tendenzen. Auf filmischer
Seite war hierfür das Balázs-Béla-Filmstudio als Freiraum von zentraler
Bedeutung.
Dort entstand 1963 auch István Bácskai Laurós kurzer Dokumentarfilm
„Igezét“ (Der Bann). Rote glühende Streifen schlängeln unter einem Gitter
hervor, aus dem Hintergrund dringen Rufe. Zwei Stahlarbeiter eilen herbei
und ziehen den glühenden Stahl an Zangen hinter sich her zu einer Spule.
Breitwandfilm, Farbe – Bácskai Lauró und Kameramann János Tóth schwelgen …
ihrem Film in imposanten Bildern der Stahlherstellung.
Sie kombinieren diese Bilder mit Aufnahmen von Proben zu klassischer Musik.
Durch den Wechsel aus bewegten Bildern und Standaufnahmen, aus normaler
Laufgeschwindigkeit und Zeitlupe entsteht eine komplexe Dramaturgie. Die
Tonspur besteht aus moderner, atonaler Musik und Geräuschen. „Igezét“ ist
eine visuelle Komposition, gewidmet der Kunst der Stahlherstellung.
Ähnlich, wenngleich deutlich verspielter, ist Zoltán Huszáriks „Capriccio�…
der Kinder, die im Schnee spielen, Schneefiguren und Landschaftsaufnahmen
zu einer Miniatur arrangiert über die Freuden des Winters und das Glück des
Tauwetters, das auf ihn folgt. Auch an „Capriccio“ war der Mitgründer des
Balázs-Béla-Filmstudio Tóth in mehreren Rollen beteiligt.
Tóth ist das erste der beiden Programme gewidmet, das am Samstag läuft. Das
zweite kreist unter dem Titel „Einzelgänge – Pop oder Kunst“ um die
Wechselwirkungen zwischen Popkultur der Zeit und filmische Experimente. Die
beiden Filmprogramme im Arsenal werden präsentiert von Virág Bottlik, der
Filmreferentin des Centrum Hungaricums.
Bottlik hatte vor zwei Jahren eine beeindruckende, umfangreiche
[3][Werkschau der Arbeiten des Balázs-Béla-Filmstudio in Berlin
präsentiert]. Die beiden Filmprogramme zur ungarischen Neoavantgarde im
Film sind als vergnügliche Blitzlichter auf die Geschichte des ungarischen
Experimentalfilms unbedingt empfehlenswert.
25 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.arsenal-berlin.de/
[2] https://culture.hu/de/berlin/veranstaltungen/magyar-neo-avantgarde-in-den-1…
[3] /Kinotipp-der-Woche/!5763245
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
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Arsenal Kino
Ungarn
Avantgarde
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Filmgeschichte
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Regisseur
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