# taz.de -- Besetztem Waldstück droht Räumung: Der Heibo soll bleiben | |
> Nach Lützerath droht dem Heidebogen in der Radeburg-Laußnitzer Heide die | |
> Räumung. Aktivist:innen wollen den Ausbau einer Kiesgrube verhindern. | |
Bild: Hier droht die Räumung: Baumhäuser in der Radeburg-Laußnitzer Heide | |
Radeburg-Laußnitzer Heide taz | Als in der vergangenen Woche ein | |
Großaufgebot der Polizei [1][Lützerath im rheinischen Revier für die | |
Kohlebagger des Energieunternehmens RWE räumte], bereiteten sich auf der | |
anderen Seite der Republik gerade Aktivist:innen im „Heibo“ auf ein | |
ähnliches Szenario vor. | |
Heibo ist die Abkürzung von Heidebogen, einem Waldstück in der sächsischen | |
Radeburg-Laußnitzer Heide. Im Heibo hängt ein großes Banner. „Wald statt | |
Kies“, steht darauf. Eineinhalb Jahre schon harren Aktivist:innen in | |
dem etwa 25 Kilometer von Dresden entfernten Waldstück aus. | |
Ihr Ziel: Sie wollen die Erweiterung einer Kiesgrube durch das Kieswerk | |
Ottendorf-Okrilla & Co. (KBO) verhindern. Für die Erweiterung der | |
bestehenden Kiesgrube „Würschnitz“ will das Unternehmen 134 Hektar Wald | |
roden – so viel wie etwa 190 Fußballfelder. In dem neuen Gebiet | |
„Würschnitz-West“ sollen Sand und Kies für Bauvorhaben abgebaut werden. | |
Nun steht das einzige besetzte Waldstück in Ostdeutschland vor der Räumung. | |
Das Ordnungsamt Bautzen setzte den Aktivist:innen bereits Mitte | |
Dezember ein Ultimatum: Entweder sie räumten ihre Baumhäuser bis zum 23. | |
Januar – oder das Camp würde von den Behörden geräumt. Wie das aussehen | |
könnte, zeigt Lützerath. | |
An der Erweiterung der Grube wird bereits seit über 20 Jahren geplant. Eine | |
örtliche Bürgerinitiative und Naturschützer:innen engagieren sich | |
dagegen. Der Wald, der für den Tagebau weichen soll, wird eigentlich gerade | |
zu einem Mischwald umgewandelt. „Das allein sollte in Zeiten des | |
Klimawandels Grund genug sein, den Abbau zu unterbinden“, schreibt der Nabu | |
Sachsen an die taz – und betont, wie wichtig der Wald für Mensch und Natur | |
sei. Zudem seien das nahe gelegene Naturschutzgebiet Moorwald | |
Großdittmannsdorf sowie zahlreiche gefährdete Tierarten bedroht. | |
In einem Gutachten des Naturschutzbundes vom Dezember heißt es, dass die | |
spätere Auffüllung der Kiesgruben durch Bauschutt das Grundwasser | |
verunreinige, aus dem die Moore ihre Wasserversorgung ziehen. Eine starke | |
Konzentration von Salzen im Wasser sowie eine hohe Karbonathärte könnten | |
das Ökosystem der Moore zerstören. „Kommt der Tagebau, droht das lokale | |
Aussterben“, so der Nabu. | |
## Abholzen, neu pflanzen | |
Das sieht KBO anders. In einem Informationsvideo auf der Webseite des | |
Unternehmens heißt es, alle Naturschutzrichtlinien würden eingehalten, der | |
Tagebau in mehreren Schritten renaturiert. Die Aktivist:innen im Heibo | |
überzeugt das nicht. „Die Aufforstungen in der bestehenden Grube sind ein | |
Witz“, finden sie. Und: „Worin liegt der Sinn, einen gesunden Wald | |
abzuholzen, um anschließend einen neuen zu pflanzen?“ | |
Trotz der drohenden Räumung wirken die Aktivist:innen – wie viele es | |
sind, wollen sie nicht sagen – gelassen. Entschlossen zu bleiben, sind sie | |
ohnehin. „Ich weiß, wofür ich das mache und welche Konsequenzen mir | |
drohen“, sagt ein:e Aktivist:in mit dem selbst gewähltem Namen Günther. | |
Mit einem Tuch hält sie Mund und Haaransatz bedeckt, nur die Augen sind zu | |
sehen. Auch untereinander bleiben die Besetzer:innen angeblich anonym. | |
Das Camp besteht aus elf Holzkonstruktionen – ist also viel kleiner als | |
Lützerath. Die Behausungen sind mit bunten Planen behangen, einige sind | |
innen mit Decken und Holzwolle gedämmt. Durch den mit Heidekraut | |
bewucherten Wald haben sich mittlerweile Pfade eingetrampelt. Neben dem | |
Rauschen des Windes hört man Motorsägen in der Ferne. Keine 100 Meter vom | |
Camp entfernt fällt die Abbruchkante der Kiesgrube zehn Meter in die Tiefe. | |
„Das System kann so nicht weitergehen. Wir brauchen eine Bauwende“, sagt | |
Günther. Vielen Aktivist:innen geht es um den Kampf gegen | |
Profitmaximierung, um eine anarchistische Utopie. Sie haben im Heibo einen | |
Freiraum ohne Hierarchie und Diskriminierung gefunden. | |
Um das zu verteidigen, haben sie Absperrungen errichtet und Gräben | |
ausgehoben, die den Weg ins Camp für Räumfahrzeuge und Polizei behindern | |
sollen. In den Baumkronen hängen in fünf bis zehn Meter Höhe Plattformen, | |
auf denen Menschen Platz nehmen können. Sie verbindet ein komplexes System | |
aus dicken Seilen, um die Räumung zu erschweren. Sogar ein Dixi-Klo thront | |
etwa acht Meter über dem Boden. Welche Rolle es spielen könnte, wollen die | |
Aktivist:innen nicht verraten. | |
Am kommenden Wochenende veranstalten sie ein „Skillsharing“. Busse aus | |
Chemnitz und Leipzig haben sich angekündigt. [2][Die Aktivist:innen | |
hoffen, dass einige der Angereisten bleiben], um mit ihnen den Heibo zu | |
verteidigen. | |
20 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Micha Steinwachs | |
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