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# taz.de -- „Heimrevolte“ auf der Uni-Bühne: „Wir setzen auf Demokratisi…
> Studierende spielen „Heimrevolte“ und arbeiten Geschichte auf. Ziel ist
> der Stopp eines geschlossenen Heims, sagt Promotionsstudentin Sinah
> Mielich.
Bild: Einblick in die Proben: Hier der nachgespielte Aufstand gegen Ausbeutung …
taz: Sinah Mielich, was erwartet die Zuschauer des Stücks [1][„Heimrevolte“
an der Uni]?
Sinah Mielich: Ein Ritt durch 100 Jahre Heimgeschichte. Wir setzen uns mit
der geschlossenen Unterbringung auseinander. Anlass sind die Konflikte um
die [2][Haasenburg-Heime] und der Plan Hamburgs, [3][am Klotzenmoorstieg
wieder ein teilweise geschlossenes Heim] zu bauen. Deshalb gucken wir in
die Geschichte, wie war das damals?
Vor 100 Jahren?
Genau. Welche Funktion hatte Heimerziehung in der Zeit der Weimarer
Republik? Welche Konflikte gab es?
Spielen Sie den Alltag früherer Kinderheime nach?
Elemente daraus. Ausgangspunkt ist: Wir machen den ’Runden Tisch’ besser.
Es gab ja von 2009 bis 2011 den [4][‚Runden Tisch Heimerziehung‘] zur
Aufarbeitung der gewaltvollen autoritären Erziehungspraktiken in den
1950er, 1960er Jahren. Und der lief nicht gut.
Wieso nicht?
Es lief nicht wie versprochen. Letztlich saßen dort drei frühere Heimkinder
17 ehemals beteiligten öffentlichen und freien Trägern gegenüber, die auch
ihre Ehre retten wollten. Da drangen die Heimkinder mit ihrer
Hauptforderung, dass die schwere Arbeit und die Erziehungspraktiken, die
sie erleiden mussten, als Unrecht und Verletzung der Kinder- und
Menschenrechte anerkannt wird, nicht durch.
Sie spielen den Tisch nach?
Er war Inspiration für uns. Wir holen uns Leute aus den unterschiedlichen
Zeiten heran, die es besser machen wollten und wollen. Und wir wollen
daraus für heute lernen und gucken, wie wir den Klotzenmoorstieg
verhindern.
Holen Sie echte Akteure auf die Bühne?
Es spielen größtenteils Studierende sowie eine Kollegin vom
Straßenkinderprojekt „Momo“. Sie spielen Jugendliche und Pädagogen aus den
jeweiligen Zeiten und verhandeln darüber, wie „nachhaltige Revolten“
beschaffen sein müssen.
Woher kommen die Figuren?
Teils aus den beiden Theaterstücken, auf die wir uns beziehen. Das ist
einmal Peter Martin Lampels „Revolte im Erziehungshaus“ von 1928. Das war
quasi das erste Stück, das über die Heimrevolten aufklärte, die es in der
Weimarer Republik zu Hauf gab. Es zeigt, wie es in den Heimen von Anfang an
um Ausbeutung und Unterdrückung ging und gleichzeitig um Widerstand und
Revolten, und letztlich auch Demokratisierung. Das zweite Stück ist
„Bambule“ (1970) von Ulrike Meinhof, das verfilmt wurde.
Spielen Sie dann auch Jugendliche aus der Haasenburg?
Ja. Wir haben uns orientiert an dem, was wir von den damals Jugendlichen,
die in der Haasenburg waren, erfuhren. Das sind ja heute junge Erwachsene,
zu denen wir Kontakt über das „Aktionsbündnis gegen geschlossene
Unterbringung“ haben.
Betten Sie diese jüngeren Berichte in 100 Jahre ein, führt das nicht zu
einer Relativierung nach dem Motto: War eben schon immer schlimm?
Nein, das denke ich nicht. Was sich durchzieht, ist, dass in Heimen schon
immer arme Kinder und Jugendliche untergebracht werden, die ausgegrenzt
sind und aus bestimmten schwierigen Situationen heraus auffällig werden. Es
geht immer darum, sie in dieser bürgerlichen Gesellschaft an eine Rolle
anzupassen. Wir setzen dagegen, was mit 1968 ja schon begonnen wurde: eine
Demokratisierung. Es sollte in pädagogischen Verhältnissen darum gehen,
Handlungsfähigkeit zu entwickeln, um Gesellschaft nicht ertragen zu müssen,
sondern sie gemeinsam verändern zu können.
Gibt es ein Ziel, das Sie in Hamburg erreichen wollen?
Ja. Wir wollen, dass die geplante Einrichtung am Klotzenmoorstieg nicht
aufmacht. Und dass die Jugendhilfe-Einrichtungen demokratisiert werden.
Das Stück ist Teil eines „Projektstudiums“. Was ist das?
Das Projektstudium „Uni in gesellschaftlicher Verantwortung“ haben wir 2014
erstritten als dreisemestrige Veranstaltung, die mittlerweile zum fünften
Mal läuft. Es findet in einem Bereich statt, in dem es vorher darum ging,
„soft-skills“ zu erlernen, um sich gut verkaufen zu können. Wir haben es
geschafft, diesen Bereich uniweit inhaltlich neu zu füllen. Darum haben wir
in der Erziehungswissenschaft lange gerungen.
Und was lernen die Studierenden dort nun?
Bei uns geht es jetzt um 'Citoyen-Bildung’, also um kritische
Persönlichkeitsbildung, um erweiterte gesellschaftliche Handlungsfähigkeit
zu erlangen. In diesem Bereich ist vor allem Platz für Projektstudien, wie
zum Beispiel auch zur Friedensbildung und Demokratiebildung. Wir haben als
Studierende eine Konzeption geschrieben, die [5][Projektstudium „Uni in
gesellschaftlicher Verantwortung“] heißt. Da knöpfen wir uns ein
„epochaltypisches Schlüsselproblem“ vor und versuchen das aus
erziehungswissenschaftlicher Perspektive mit kritischem Theorie- und
Praxisbezug und forschendem Lernen zu bearbeiten. Dieses Mal beschäftigen
wir uns mit sozialer Ungleichheit, exemplarisch anhand der Heimerziehung.
Unser aktuelles Ergebnis ist das Theaterstück.
Gibt es dafür Credit Points?
Ja, 9. Es geht bei uns aber um mehr als um Punkte. Und es wäre gut, wenn
das an den Hochschulen insgesamt so wäre.
Haben Sie die Sozialsenatorin eingeladen?
Ja. Wir sind gespannt, ob Sie kommen wird.
18 Jan 2023
## LINKS
[1] https://aufbruch.blogs.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2023/01/Plakat2_He…
[2] /Fehlende-Aufarbeitung-des-Heim-Skandals/!5786713
[3] /Streit-um-Heimerziehung/!5834165
[4] /Zahlungen-an-Heimkinder/!5130522
[5] https://aufbruch.blogs.uni-hamburg.de/heimrevolte/
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Pädagogik
Universität Hamburg
Heimerziehung
Theater
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Jugendhilfe
Kinderheim
Sozialarbeit
Jugendhilfe
Geschlossene Kinderheime
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