| # taz.de -- Israel und palästinensische Gebiete: IGH soll Besatzung untersuchen | |
| > Die UN-Vollversammlung fordert das oberste UN-Gericht auf, die Besatzung | |
| > der Westbank zu untersuchen. Kritik kommt von Israels neuer Regierung. | |
| Bild: Menschen am Strand von Gaza Ende Dezember 2022 | |
| Berlin taz | Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag soll die | |
| israelische Besatzung des palästinensischen Westjordanlands untersuchen. | |
| Dies fordert die UN-Generalversammlung in einer Resolution, die von den | |
| Mitgliedstaaten in der Nacht auf Samstag verabschiedet wurde. Konkret | |
| sollen die rechtlichen Folgen der israelischen Präsenz in den | |
| Palästinensergebieten in einem vorzulegenden Bericht bewertet werden. Die | |
| Resolution sieht zudem vor, dass Israel den Siedlungsbau einstellt. | |
| Israel hatte das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem im | |
| sogenannten Sechstagekrieg 1967 erobert. 2005 zog es seine Truppen aus dem | |
| Gazastreifen ab. Das Westjordanland steht weiterhin größtenteils unter | |
| Kontrolle der israelischen Armee. In dem Gebiet leben mittlerweile auch | |
| mehrere Hunderttausend israelische Siedler*innen, teils in kleinen und | |
| mittelgroßen Städten, die sich kaum mehr vom Rest Israels unterscheiden. | |
| Der IGH ist das höchste UN-Gericht. Die nun eingeforderte Stellungnahme | |
| wird nicht bindend sein, würde aber laut Expert*innen Autorität genießen | |
| in Fragen der Auslegung des Völkerrechts. Der UN-Vollversammlung geht es in | |
| ihrer jüngsten Resolution nicht um eine Einschätzung der Siedlungen, die | |
| als völkerrechtswidrig gelten, sondern um die seit mehr als 55 Jahren | |
| anhaltende Militärbesatzung als solche. | |
| Eine Stellungnahme des IGH würde damit jenen eine Argumentationshilfe an | |
| die Hand geben, die die Position vertreten, dass es sich in Nahost nicht um | |
| eine temporäre Militärbesatzung handelt, sondern um einen dauerhaften und | |
| völkerrechtswidrigen Zustand. Allein die israelische Regierung, so die | |
| Argumentation, habe die Kontrolle über das gesamte Territorium zwischen dem | |
| Mittelmeer und dem Jordan. | |
| Die Palästinenser*innen im Westjordanland, die demzufolge ebenso | |
| unter israelischer Herrschaft stehen wie die Staatsbürger*innen in | |
| Kernisrael, genießen jedoch nicht dieselben Rechte. Dies ist die Grundlage | |
| für den von Palästinenser*innen, aber auch von israelischen und | |
| internationalen Menschenrechtsorganisationen erhobenen Vorwurf der | |
| Apartheid. Diesen weist Israel, das von Nachbarstaaten unverhohlen bedroht | |
| wird und für seine Sicherheit auf internationale Unterstützung angewiesen | |
| ist, vehement zurück. | |
| ## „Antiisraelische Entscheidung“ | |
| Entsprechend fielen am Wochenende die Reaktionen aus Israel auf die | |
| UN-Resolution aus. Der neue Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte: | |
| „Wie Hunderte von anderen verqueren Resolutionen der UN-Vollversammlung | |
| gegen Israel wird auch die heutige Resolution die israelische Regierung | |
| nicht verpflichten. Das jüdische Volk hält sein Land nicht besetzt.“ | |
| [1][Die neue Regierung, die erst am Donnerstag vereidigt wurde] und zu | |
| deren Koalitionsparteien religiöse Fundamentalisten und Ultranationalisten | |
| gehören, hatte in ihrem Koalitionsvertrag erstmals in voller Klarheit | |
| Anspruch auch auf das Westjordanland als israelisches Staatsgebiet | |
| angemeldet. Mit „sein Land“ dürfte also auch das Westjordanland gemeint | |
| sein. | |
| Israels neuer Außenminister Eli Cohen sprach von einer „antiisraelischen | |
| Entscheidung, die Terrororganisationen und der antisemitischen | |
| Boykottbewegung BDS Unterstützung gewährt“. | |
| Deutschland wie auch Großbritannien und die USA stimmten gegen die | |
| Resolution; 58 Länder enthielten sich; 87 stimmten dafür. Auch Länder wie | |
| die V[2][ereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Marokko, die sich in | |
| den vergangenen Jahren Israel angenähert und in einem historischen Schritt | |
| offiziell Beziehungen aufgenommen haben], stimmten für die Resolution. | |
| Der IGH ist nicht zu verwechseln mit dem [3][Internationalen | |
| Strafgerichtshof (IStGH), der im Nahostkonflikt ebenfalls eine Rolle | |
| spielt]. Dieser hat 2021 Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen in den | |
| Palästinensergebieten eingeleitet. Dabei geht es unter anderem um den | |
| israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen 2014, aber auch um mögliche | |
| Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit seitens | |
| palästinensischer Akteure. | |
| 1 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jannis Hagmann | |
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