# taz.de -- Lieblingsstück 2022: Immer noch geiler linker Rap | |
> Das Album „Rolex für alle“ des Hamburger Rappers Disarstar war | |
> experimenteller als die Vorgänger. Thematisch blieb er seiner Linie treu. | |
Bild: Der Rapper Disarstar setzt sich auf St. Pauli für Obdachlose ein | |
Er ist so etwas wie die [1][Galionsfigur des linken Raps in Deutschland | |
derzeit]: „Rolex für alle“ fordert Gerrit Falius alias Disarstar auf seinem | |
gleichnamigen, im Oktober erschienenen Album. Bekannt gemacht haben den | |
Hamburger seine gesellschaftskritischen Texte: Ihn beschäftigen Themen wie | |
Armut, Gentrifizierung und soziale Ungleichheit – kurz: Klassenkampf. | |
Interessant sind besonders die Widersprüche, die er dabei hervorhebt: „Ich | |
bin nicht gegen Ferrari, ich bin für Ferraris für alle.“ Denn eine bessere | |
Welt ist, wenn, für alle da, nicht nur für einige wenige. | |
Disarstar macht immer wieder klar, dass nicht der Einzelne falsch ist, | |
sondern das ganze System: Ungleichheit ist kein Naturphänomen, und allen, | |
die etwas anderes behaupten, kündigt er schon mal den Kampf an, mit Texten, | |
„die sich lesen wie ’n RAF-Bekennerschreiben“ („Pausenlos“). | |
„Die einen fliegen ins All und die anderen sammeln im Viertel Pfand“ – | |
welchen von beiden er sich näher fühlt, daraus macht Disarstar kein | |
Geheimnis: [2][In einem vorab veröffentlichten Video sah man den Rapper, | |
wie er obdachlosenfeindliche Architektur auf St. Pauli entfernt]: Ganz | |
handfest, mit der Flex, geht es liegefeindlichen Bänken an die Bügel. Das | |
sei noch „nicht mal das Mindeste“, heißt es dazu. In den Videos zu „Rolex | |
für alle“ finden sich aber auch ganz zivile Spendenaufrufe zugunsten | |
verschiedener politischer und sozialer Initiativen. | |
## Disarstar besetzt entscheidende Nische | |
Produziert haben das Album der Musiker Fayzen und das Produzenten-Duo The | |
Cratez. Die zumeist düsteren Trap-Beats passen zu Disarstars Themen, | |
stilistisch bedienen sich die Tracks breit an seinem eingeführten | |
Repertoire; von wütenden, politischen bis hin zu sehr ungewohnt emotionalen | |
und persönlichen Songs („Ode an die Traurigkeit“). Zwischendurch erinnert | |
er daran: Ich kann auch tanzbar („Hunger“), den Abschluss des Albums bildet | |
mit „Privilegiert“ sogar ein Technobeat. | |
Als Ganzes betrachtet wirkt „Rolex für alle“ wegen dieser | |
Unterschiedlichkeit etwas weniger zusammenhängend als seine Vorgänger – | |
eine Folge von Disarstars neuer Experimentierfreude, und die ist eigentlich | |
nur schwer zu kritisieren. | |
Gerade sein Mut, musikalisch neue Gebiete zu betreten, ist das | |
Interessante. Politische Haltung, transportiert durch eindrucksvolle | |
Bildsprache und dann wieder beinahe simple Lyrik: Disarstar besetzt | |
weiterhin eine [3][entscheidende Nische in der deutschen Rap-Landschaft]. | |
4 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburger-Rapper-ueber-St-Pauli-und-Marx/!5753937 | |
[2] /Gegen-obdachlosenfeindliche-Architektur/!5885884 | |
[3] /Geschichte-des-Deutschraps/!5806697 | |
## AUTOREN | |
Paul Weinheimer | |
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vorbestraft. Heute ist er als Musiker erfolgreich und studiert nebenbei. |