| # taz.de -- Verteidigung der Räumung Lützeraths: Grüne Geschlossenheit bröc… | |
| > Die Grünen-Spitze verteidigt die Räumung Lützeraths. Doch die Bilder vom | |
| > Polizeieinsatz zeigen Wirkung – und hinter den Kulissen brodelt es. | |
| Bild: Seiltanz für die Grünen: Räumung in Lützerath | |
| Berlin taz | Um Lützerath kommt am Donnerstag auch die Fraktionsspitze der | |
| Grünen nicht herum. Am Mittag trifft sich der Fraktionsvorstand zur Klausur | |
| in Berlin-Dahlem. Es soll um einen Ausblick aufs Jahr gehen und um den | |
| Klimaschutz im Verkehrssektor – ein Bereich, in dem FDP-Verkehrsminister | |
| Volker Wissing aktuell versagt. Als die Fraktionsspitze vor Klausurbeginn | |
| vor die Presse tritt, dominiert aber natürlich wieder eine Frage: Geht | |
| wegen [1][der Räumung von Lützerath], die die Grünen verantworten, ein Riss | |
| durch die Partei? | |
| Fraktionschefin Katharina Dröge verteidigt die eigenen Entscheidungen | |
| erneut. „Es schmerzt, dass die Siedlung Lützerath verkleinert werden muss“, | |
| sagt sie. Aber dass [2][im Gegenzug RWE schon 2030 statt 2038 aus der Kohle | |
| aussteige], mache sie stolz. „Wir sind geschlossen in der Frage, dass es | |
| notwendig und richtig war, den Kohleausstieg vorzuziehen“, so Dröge. | |
| Wirtschaftsminister Robert Habeck, der der Räumung in einem Kompromiss mit | |
| RWE zugestimmt hat und in Dahlem als Gast dabei ist, klingt ähnlich: „Ich | |
| habe Sympathien für Menschen, die auf die Straße gehen“, sagt er. Aber der | |
| vorgezogene Kohleausstieg spare objektiv CO2-Emissionen ein. Dass an | |
| Ausstiegsdaten festgehalten werde und nicht an Marktmechanismen, sei für | |
| ihn „ein Sieg“ für den Klimaschutz. | |
| In der Fraktion schien das zuletzt schon Konsens zu sein. Nachdem der | |
| Grünen-Parteitag dem RWE-Deal im Oktober mit knapper Mehrheit zugestimmt | |
| hatte, ging das zugehörige Gesetz im Dezember ohne grüne Gegenstimmen durch | |
| den Bundestag. Eine Enthaltung kam lediglich von der langjährigen | |
| Anti-Kohle-Aktivistin Kathrin Henneberger, die aus ihrer Kritik an der | |
| Einigung nie ein Geheimnis machte. | |
| ## Die Bilder vom Polizeieinsatz zeigen Wirkung | |
| Unter dem Eindruck der Bilder des Polizeieinsatzes, vielleicht auch | |
| überrascht von der Breite des Protests, sind aus der Fraktion jetzt aber | |
| auch wieder andere Gegenstimmen vernehmbar. Die Geschlossenheit, von der | |
| Dröge spricht, hat Risse. | |
| So [3][twitterte die Leverkusener Bundestagsabgeordnete Nyke Slawik] am | |
| Donnerstag zwar, dass der vorgezogene Kohleausstieg natürlich ein Erfolg | |
| sei. „Wir müssen aber anerkennen, dass dieser Kompromiss, der die | |
| Abbaggerung besonders dicker Kohleschichten unter Lützerath vorsieht, weder | |
| gesellschaftlich noch wissenschaftlich zeitgemäß ist.“ Wörtlich schrieb | |
| Slawik zudem von „Hörigkeitserklärungen“ der Befürworter*innen | |
| gegenüber RWE. | |
| Die Kreuzberger Abgeordnete Canan Bayram, bei der Bundestagsabstimmung im | |
| Dezember nicht anwesend, unterschrieb schon am Mittwoch einen offenen Brief | |
| aus der Grünen-Basis gegen die Räumung. Bis Donnerstagnachmittag hatte der | |
| Brief 1.657 Unterzeichner*innen. | |
| „Da es gelungen ist, die Sicherheit der Energieversorgung zu gewährleisten, | |
| gibt es derzeit keinen Grund, die Kohle unter Lützerath aus der Erde zu | |
| holen“, sagt Bayram der taz. „Vielmehr schadet die Räumung des Dorfes: | |
| Junge Menschen, denen wir die Zukunft schulden, verlieren das Vertrauen in | |
| die Seriosität von politischen Entscheidungen, und Polizeikräfte nehmen an | |
| einem überdimensionierten Polizeieinsatz teil, obwohl sie anderswo | |
| dringender gebraucht werden.“ | |
| ## Abgeordnete nimmt an Demo gegen Räumung teil | |
| In Hannover nahm am Mittwoch die Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen | |
| an einer Demonstration gegen die Räumung teil. Die Verkehrspolitikerin ist | |
| mit den Klimaschutz-Aktivist*innen in der Stadt gut vernetzt und sagt, sie | |
| fühle sich auch weiterhin als Teil der Bewegung. Trotz aller Kritik an den | |
| Grünen, trotz ihrer Ja-Stimme im Bundestag habe sie sich auf der Demo | |
| willkommen gefühlt. Ein Spagat ist ihre Teilnahme natürlich trotzdem. | |
| „Ich protestiere nicht gegen unsere eigenen Leute. Ich protestiere für noch | |
| mehr Klimaschutz. Es bringt nichts, wenn wir uns als Partei entzweien, und | |
| ich sehe, dass die Einigung mit RWE weniger schlecht ist als der vorherige | |
| Kompromiss zum Kohleausstieg 2038“, sagt Michaelsen einerseits. | |
| Andererseits: „Die Einigung ist trotzdem bei weitem nicht gut genug und | |
| deswegen muss der Kampf gegen die Kohle 2023 weitergehen. Dass Lützerath | |
| jetzt geräumt wird, ist bitter. Aber dass die Kohle unter Lützerath | |
| wirklich verstromt wird, ließe sich noch verhindern. Und dafür lohnt es | |
| sich zu kämpfen.“ | |
| Denkbar ist dafür beispielsweise ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren | |
| Energien oder ein schneller steigender CO2-Preis. Dadurch könnte es früher | |
| als gedacht unrentabel werden, aus der Kohle Strom zu erzeugen. | |
| ## Hofreiter steht zu seinem Ja zum Deal mit RWE | |
| Im Gegensatz zur Fraktionsspitze will auch der Haushaltspolitiker | |
| Sven-Christian Kindler die Einigung mit RWE nicht verteidigen. „Ich kann | |
| die Menschen, die in Lützerath demonstrieren, gut verstehen“, sagt er. „Der | |
| friedliche Protest gegen einen dreckigen Braunkohletagebau ist legitim und | |
| nachvollziehbar. Der letzte Hitze-Sommer und dieser warme Winter zeigen uns | |
| erneut, wie weit die Klimakrise auch bei uns schon vorangeschritten ist.“ | |
| Gerade in „kritischen Auseinandersetzungen wie jetzt“ sollten die Grünen | |
| mit der Klimabewegung den Austausch suchen. Angesichts der „Dramatik der | |
| Klimakatastrophe“ müsse die Partei 2023 noch grundsätzlicher und | |
| entschlossener agieren. | |
| Allerdings bekommt die Grünen-Spitze aus Teilen der Fraktion auch weiterhin | |
| Rückhalt für ihren Kurs. Der Ex-Fraktionschef und Parteilinke Anton | |
| Hofreiter zum Beispiel, in der Regel nicht um offene Worte verlegen, steht | |
| weiterhin zu seiner Ja-Stimme im Bundestag. Fünf Dörfer um Lützerath und | |
| früher bereits der Rest des Hambacher Walds seien gerettet worden „und das | |
| bei sehr schwierigen Ausgangsbedingungen nach dem Kohleausstieg durch die | |
| Große Koalition“. Es seien zugegebenermaßen nicht 100 Prozent erreicht | |
| worden, immerhin aber 80 Prozent. „Das ist nicht schlecht“, sagt Hofreiter. | |
| 12 Jan 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /-Ticker-Raeumung-Luetzerath-/!5908477 | |
| [2] /Energiepolitik-in-NRW/!5882363 | |
| [3] https://twitter.com/nyke_slawik/status/1613428601583722499 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
| Tanja Tricarico | |
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