# taz.de -- Landwirtschaft in Dänemark: Die Kuh besteuern | |
> Dänemark will seine Landwirtschaft zukunftsfähig machen und sie | |
> entsprechend an den Klimakosten beteiligen. Wie das aussehen könnte, ist | |
> Neuland. | |
Bild: Hat hier gerade eine Kuh gerülpst? | |
Stockholm taz | Wie besteuert man den [1][Methanausstoß] eines Kuhrülpsers? | |
Das verspricht eine der ersten und schwierigsten Aufgaben zu werden, die | |
die im Dezember angetretene neue dänische Regierung lösen muss. Eine | |
Parlamentsmehrheit hat sie verpflichtet, endlich eine Lösung zu | |
präsentieren, wie die klimaschädlichen Emissionen im Landwirtschaftssektor | |
vermindert werden können. | |
In Dänemark mit seiner intensiven Tierhaltung ist die Branche für 35 | |
Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Will man bis 2045 | |
„klimaneutral“ werden, wie Ministerpräsidentin Mette Frederiksen | |
versprochen hat, wird das definitiv nicht funktionieren, wenn der | |
Agrarsektor nicht seinen Teil dazu beiträgt. | |
Eine CO2-Abgabe soll es nun bringen. Wenn Dänemark es schafft, ein solches | |
Preisschild für die Klimakosten der Landwirtschaft zu entwickeln, würde das | |
Land weltweit eine Pionierrolle spielen. Es gibt bislang nur ein weiteres | |
mit ähnlichen Plänen: Neuseeland. Dort liegt der Anteil des Agrarsektors an | |
den Treibhausgasemissionen des Landes sogar bei rund 50 Prozent. Und dort | |
sollen die landwirtschaftlichen Betriebe ab 2025 eine Abgabe zahlen, die | |
sich an der Größe ihrer Viehherden und am Düngemitteleinsatz orientiert. | |
Grüne Klimasteuer in Dänemark | |
Für Dänemarks Industriebetriebe wurde bereits im vergangenen Jahr eine | |
sogenannte grüne Steuerreform beschlossen. Ab 2030 müssen sie eine Abgabe | |
von umgerechnet 100 Euro pro Tonne CO2-Ausstoß entrichten, wenn sie dem | |
EU-Quotensystem unterliegen, wenn nicht, werden 50 Euro fällig. | |
Es sei wesentlich einfacher zu messen, wie viel CO2 aus einem Schornstein | |
kommt, als wie viel Klimagase ein Bauernhof verursacht, sagt Lars Gårn | |
Hansen vom Institut für Ernährungs- und Ressourcenökonomie der Universität | |
Kopenhagen und Mitglied einer Expertengruppe, die ein Modell für | |
entsprechende Abgaben entwickelt hat. Zugleich ist der Auftrag an die | |
Regierung aber, für Industrie und Landwirtschaft eine einheitliche | |
Besteuerung von 140 Euro pro Tonne CO2 hinzubekommen. Die Einnahmen sollten | |
dann wiederum in Form von Entwicklungsgeldern für eine Umstellung auf | |
nachhaltigere Produktion den Betrieben wieder zugutekommen. | |
Torsten Hasforth vom grünen Thinktank Concito sieht klimatechnisch mehrere | |
Herausforderungen für die Landwirtschaft: beispielsweise den Umgang mit | |
Gülle oder eine Verringerung der durch den Einsatz von Stickstoffdüngern | |
verursachten Lachgasemissionen. Das große Problem sei aber vermutlich, dass | |
es relativ wenige technische Möglichkeiten zur Verminderung des | |
Klimagasausstoßes bei den Tierbeständen selbst gebe, sagt Concito-Experte | |
Torsten Hasforth. Tatsächlich gehe es nicht, ohne die Bestände selbst zu | |
verringern. | |
„Todesstoß für große Teile der Lebensmittelproduktion“ | |
Und das wiederum gelinge automatisch, wenn Tierhaltung zu teuer werde, | |
erwartet Wissenschaftler Hansen. Und ja, das könne dazu führen, dass dort | |
jeder vierte der derzeit 120.000 Arbeitsplätze verschwinde. Aber wenn die | |
das Klima besonders belastenden Produkte teurer würden, würden die | |
VerbraucherInnen ihre Konsumgewohnheiten ändern – und dann entstünden | |
wieder neue Arbeitsplätze. Der künftige dänische Agrarsektor würde also | |
ganz anders aussehen als der heutige: „Ohne eine solche Umstellung sind die | |
Klimaziele nicht zu erreichen.“ | |
Die Agrarorganisation Landbrug og Fødevarer warnt dagegen, die | |
Regierungspläne ähneltnen einem „gigantischem Experiment“. Sie hält es | |
nicht nur für „im Großen und Ganzen unmöglich“, den Klimagasausstoß | |
einzelner landwirtschaftlicher Betriebe so exakt zu ermitteln, wie das für | |
eine rechtssichere Berechnung einer CO2-Abgabe erforderlich wäre. Sie | |
befürchtet auch einen regelrechten „Todesstoß für große Teile der | |
Lebensmittelproduktion“, wenn die Pläne verwirklicht würden. Die dänische | |
Landwirtschaft wäre nicht mehr konkurrenzfähig, viele Waren müssten | |
importiert werden. Niels Peter Nørring, Klimachef des Branchenverbands, | |
sagt: Statt einer CO2-Abgabe „soll der Markt das lösen“. | |
Die Regierung in Kopenhagen hat den Ehrgeiz, alles unter einen Hut zu | |
bringen. Ihr Auftrag an eine Expertengruppe, die nun Szenarien erarbeiten | |
soll: „Die Steuer muss so gestaltet werden, dass die Branche unterstützt | |
und ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird und Arbeitsplätze | |
nicht aus dem Land verlagert werden.“ | |
„Der Regierung fehlt nach wie vor die Erkenntnis, dass ein grundlegender | |
Umbau der Landwirtschaft mit deutlich weniger Tierproduktion unausweichlich | |
ist, wenn wir die Klima- und Biodiversitätsziele erreichen wollen“, | |
kritisiert Greenpeace-Generalsekretär Mads Flarup Christensen. Biologe | |
Søren Mark Jensen sieht das ähnlich. Länder wie Irland und die Niederlande | |
würden viel zielgerichteter an der Verkleinerung der konventionellen | |
Haustierproduktion arbeiten. Außerdem werde der Arbeitsmarkteffekt | |
übertrieben. Dänemarks Landwirtschaft, die früher ein wichtiger | |
Wirtschaftszweig gewesen sei, umfasse heute nur noch rund 7.500 | |
Vollerwerbsbetriebe: „Und ihre Belegschaft, die größtenteils aus | |
Niedriglohn-Osteuropäern besteht, macht insgesamt einschließlich der | |
Nebenbetriebe wie Schlachthöfe, Molkereien und Tiertransporte nur 2 bis 3 | |
Prozent der dänischen Gesamtbeschäftigung aus.“ Der Anteil der | |
Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt betrage auch nur 1,3 Prozent. | |
10 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Rinderhaltung-und-CO2-Emission/!5850382 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Kühe | |
Methan | |
Klima | |
Milchkühe | |
IG | |
Vegetarismus | |
Barbara Hendricks | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Irland will Kühe keulen lassen: Wem gehört hier eins übergebraten? | |
Weil der irischen Regierung nichts Besseres einfällt, will sie für | |
Klimaschutz 195.000 Kühe keulen. Lieber sollte sie bei Datenzentren | |
anfangen. | |
Landwirtschaft und Klima: Klimaretterin Kuh | |
Das Rind rülpst das Treibhaus voll und verdirbt dem Veganer den Appetit. | |
Doch seine Freunde sind überzeugt: Die Tiere können dem Klima helfen. | |
Kolumne Liebeserklärung: Die Klimaretterin lauert im hohen Gras | |
Der Klimawandel scheint unaufhaltbar. Doch vom Südosten der USA aus schickt | |
sich ein kleines Tierchen an, die Menschheit zu retten. | |
Studie zum Naturbewusstsein: Bürger wollen mehr Ökovorschriften | |
Die Bauern sollen umwelt- und tierfreundlicher wirtschaften, sagt die | |
Mehrheit der Bundesbürger. Auch wenn Produkte teurer werden. |