| # taz.de -- Dorothee Bär über die Zukunft der Union: „Wir sind doch voll la… | |
| > Opposition ist Mist? Findet Dorothee Bär nicht. Die CSU-Frau fordert mehr | |
| > Kante gegen die Mullahs im Iran und weniger Kraftmeierei am Stammtisch. | |
| Bild: Neues Dreamteam: Ministerpräsident Markus Söder (r.) mit Landesgruppenc… | |
| taz: Frau Bär, auf der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon | |
| ging es vor allem um Außen- und Sicherheitspolitik. Was fanden Sie am | |
| interessantesten? | |
| Dorothee Bär: Mit am eindrücklichsten war für mich der Besuch von Natalia | |
| Gavrilița, der Präsidentin der Republik Moldau, die ich bereits im letzten | |
| Jahr in ihrer Heimat kennenlernen durfte. Wie diese Frau jeden Tag von | |
| Neuem trotz enormer Widerstände weiterarbeitet und Reformen durchzieht, das | |
| hat mich sehr beeindruckt. Sie hat zum Beispiel erzählt, wie noch immer | |
| sehr viele Menschen in ihrem Land auf prorussische Propaganda im Netz | |
| reinfallen. In solchen Ländern erfordert es großen Mut, Politik zu machen | |
| und für die Demokratie zu kämpfen. | |
| Sie haben von Außenministerin Annalena Baerbock gefordert, | |
| [1][feministische Außenpolitik] mit Leben zu füllen. Was stellen Sie sich | |
| darunter vor? | |
| Ich finde den Ansatz, verstärkt auf Frauen zu setzen, grundsätzlich gut. | |
| Aber wenn ich mir anschaue, wie die Bundesregierung aktuell auf die | |
| Ereignisse im Iran reagiert: Erst war tagelang Schweigen, jetzt wird | |
| suggeriert, unsere Forderung die [2][Terrorliste] betreffend sei | |
| überflüssig … | |
| Sie wollen die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste setzen. | |
| Genau. Das muss endlich passieren. Weiter: Das Islamische Zentrum in | |
| Hamburg sollte längst geschlossen sein. Der Umgang mit dem Regime im Iran | |
| ist der Lackmustest für die deutsche Außenpolitik, besonders für die | |
| sogenannte feministische. | |
| Sie haben die Patenschaft für einen jungen Mann übernommen, der im Iran | |
| inhaftiert worden ist. Wie kam es dazu? | |
| Ich war in den letzten Wochen und Monaten auf vielen Iran-Demos, und da hat | |
| mich eine Iranerin gefragt, ob ich bereit wäre, eine Patenschaft zu | |
| übernehmen. Jetzt wurde mir die Patenschaft für einen 19-jährigen Mann | |
| zugeteilt, der einem jungen Mädchen, das sich das Kopftuch runtergerissen | |
| hat, zu Hilfe geeilt ist und dafür inzwischen zum Tode verurteilt worden | |
| ist. Ich habe ans Auswärtige Amt geschrieben, an die | |
| Menschenrechtsbeauftragte, an die iranische Botschaft und das Ganze | |
| öffentlich gemacht. Das ist ja im Grunde das Wenige, was wir konkret machen | |
| können. Ich kann nur hoffen, dass der öffentliche Druck Wirkung zeigt. | |
| Vor gut einem Jahr waren Sie noch Staatsministerin für Digitales. Jetzt | |
| sind Sie eine von vielen stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion | |
| – ein großer Bedeutungsverlust. | |
| Das macht mir nicht zu schaffen. Ich habe mich schon immer in erster Linie | |
| als Abgeordnete gesehen, und Opposition ist eine sehr wichtige Aufgabe. Ich | |
| gehöre zu den wenigen in der Fraktion mit Oppositionserfahrung. Aber | |
| natürlich war die Situation in meiner ersten Legislaturperiode eine andere, | |
| weil wir damals mit der FDP gegen Rot-Grün in der Opposition saßen. Jetzt | |
| sind wir zwischen Rechtspopulisten und Linken die einzig seriösen. Aber ich | |
| bin extrem resilient. | |
| Sie wollten [3][Markus Söder] als Kanzler, jetzt haben Sie Friedrich Merz | |
| als Oppositionsführer. Wie läuft es? | |
| Mit beiden läuft es sehr gut. Ich bin ja die einzige, die jeweils | |
| Stellvertreterin von beiden ist, einmal als stellvertretende | |
| Parteivorsitzende und einmal als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. | |
| Was haben Sie aus 2021 gelernt? | |
| Mir war schon immer klar, dass Streit nicht funktioniert: Die Klientel der | |
| Union ist harmoniebedürftig, jeder offen ausgetragene Konflikt schadet uns. | |
| Aber jetzt arbeiten alle wieder geräuschlos zusammen und das Verhältnis | |
| sowohl von Alexander Dobrindt als auch von Markus Söder zu Friedrich Merz | |
| ist wirklich gut. | |
| Glauben Sie immer noch, dass die Union mit einem Kanzlerkandidaten Söder | |
| die Bundestagswahl gewonnen hätte? | |
| Ich weiß zwar nicht, warum die Frage immer noch virulent ist, aber | |
| selbstverständlich. | |
| Dann sollte er es noch mal versuchen? | |
| Er hat doch gerade erst gesagt, dass er nicht kandidieren wird. | |
| Das hat er vor der Kandidatur 2021 auch. | |
| Die Entscheidung steht nicht an. Für uns kommt jetzt erst mal die | |
| Landtagswahl in Bayern. | |
| Auf welche Themen setzen sie da besonders? | |
| Ich glaube, dass wir besonders die Familien in den Blick nehmen müssen. | |
| Dazu gehören Bildungspolitik, Betreuungspolitik, Gesundheitspolitik. Aber | |
| auch die Frage, warum es jungen Familien praktisch nicht mehr möglich ist, | |
| sich ein Haus zu bauen. Und da brauchen Sie nicht nach München oder Berlin | |
| zu gehen, selbst bei mir in meinem fränkischen Wahlkreis kann sich ein | |
| junges Paar aus eigener Kraft kein Haus mehr leisten. Keine Chance. In | |
| meinen Augen hat das auch etwas mit Familienpolitik zu tun. Ich habe die | |
| Bundesfamilienministerin Lisa Paus neulich gefragt, ob sie sich denn wegen | |
| dieser Frage schon mal mit der Bauministerin getroffen habe. Die Antwort | |
| war, dass sie sich nur für die Wohnprobleme von Mieterinnen und Mietern | |
| interessiere. So nach dem Motto: Wohneigentum sei doch ein Luxusproblem. | |
| Das sehe ich nicht so. Wohneigentum ist schließlich auch eine Form der | |
| Altersvorsorge. | |
| CSU-Chef Söder hat ja angekündigt, dass er im Wahlkampf verstärkt wieder | |
| die konservative Stammklientel der CSU ansprechen will. Haben Sie diese | |
| Wähler zuletzt vernachlässigt? | |
| Alles ist viel volatiler geworden – bei allen Parteien. Aber natürlich hat | |
| Markus Söder zurecht in den vergangenen Jahren auch verstärkt Themen wie | |
| die Umweltpolitik in den Vordergrund gestellt, die mancher vielleicht | |
| fälschlicherweise nicht als erstes mit der CSU assoziiert. Und Sie mögen es | |
| nicht mehr hören können, doch uns als CSU liegt die Bewahrung der Schöpfung | |
| sehr am Herzen. | |
| Deshalb hat Ihr Chef ja auch so viele Bäume umarmt – vielleicht nicht immer | |
| zur Freude jedes CSU-Stammtischs. | |
| Man muss grundsätzlich immer auf die Stammtische setzen. Nur sollten wir | |
| dabei nicht kraftmeierisch sein. Das funktioniert heutzutage nicht mehr. | |
| Ich finde auch, dass wir viel mehr auf unsere Sprache aufpassen sollten, | |
| weil man sonst ganz schnell Menschen verletzen kann – ohne es zu wollen. | |
| Ich beschäftige mich seit langem mit diesem Sender-Empfänger-Problem. | |
| Das klingt jetzt ganz schön woke. | |
| Ich sage Ihnen eines: In meinem Wahlkreis weiß wahrscheinlich kaum jemand, | |
| was „woke“ überhaupt bedeuten soll. Solche Diskussionen gibt es da gar | |
| nicht. Diese Wokeness-Debatte ist eine Berliner Bubble-Debatte. Das Gleiche | |
| gilt ja für die Genderdebatte. Ich gendere beispielsweise regelmäßig. Aber | |
| ich sage eben nicht Schüler-Pause-innen, sondern ich sage Schülerinnen und | |
| Schüler – weil mir das wichtig ist. | |
| Das ist aber nicht allen in Ihrer Partei so wichtig. | |
| Man muss in einer Volkspartei eben ausbalancieren. Ich zumindest möchte | |
| auch die jungen Frauen in meinem Wahlkreis erreichen, die sich nicht bei | |
| der männlichen Form mitgemeint fühlen. | |
| Ist das auch ein Appell an Ihre Kollegen, in der Sprache mal weniger deftig | |
| aufzutreten? | |
| Ach, kommen Sie! Wir sind doch schon voll langweilig geworden. Wie oft höre | |
| ich: Wir brauchen wieder einen Franz Josef! Zu Zeiten von Strauß und Wehner | |
| sei wenigstens noch Klartext gesprochen worden. Aber jede Zeit hat ihre | |
| Politikerinnen und Politiker. Würden Strauß und Wehner heute als Tweets | |
| rausschicken, was sie damals gesagt haben, hätten sie fast jeden Tag mit | |
| Rücktrittsforderungen zu kämpfen. | |
| 8 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
| Sabine am Orde | |
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