# taz.de -- Internationaler Handel mit Ostafrika: Der schlafende Goldesel | |
> Berbera in Somaliland war einst wichtiger Hafen im Handel zwischen Asien, | |
> Afrika und Europa. Nun soll er mit viel Geld aus Dubai neu belebt werden. | |
Bild: Da geht noch viel mehr: der Hafen von Berbera | |
BERBERA taz | Im historischen Zentrum von Berbera sind die Straßen nur | |
sandige Wege. Ein paar Frauen vor den Häusern waschen in großen Schüsseln | |
ihre Wäsche. Das Wasser wird in gelben Kanistern angeschleppt. Rechts und | |
links der Straße liegen hohe graue Steinhaufen. Einstige Wohn- und | |
Geschäftshäuser sind verfallen. Es ist Freitagnachmittag, die Sonne steht | |
bereits tief und wirft lange Schatten, die Geschäfte sind bereits | |
geschlossen und unter schattenspendenden Bäumen trinken Männer | |
süßlich-bitteren Tee und kauen die Droge Khat, während eine Gruppe von | |
Jungs durch die Straßen zieht. Aus den Moscheen rufen Imame zum Gebet. | |
Einst war Berbera eine lebendige Handelsstadt, die Kaufleute von der | |
Arabischen Halbinsel und Europa anzog, von den Scherifen von Mekka besetzt | |
war, unter ägyptischer Herrschaft stand und schließlich Hauptstadt des | |
Protektorats Britisch-Somaliland wurde, als dieses nicht mehr von Indien | |
aus verwaltet wurde. | |
An diese Zeiten, in denen die Stadt für das ganze Horn von Afrika von | |
Bedeutung war, erinnert Ahmed Farah Awad. Der 27-Jährige arbeitet | |
nebenberuflich als Stadtführer und zeigt das jüdische Viertel. In einem | |
Land, in dem der Islam Staatsreligion und Konvertieren zu einer anderen | |
Religion verboten ist, gehört viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass | |
hier einst eine Synagoge stand. Doch finden sich versteckt in Häusern, die | |
einst der jüdischen Bevölkerung gehörten, in Wände gemeißelte Lebensbäume | |
als letzte Spuren. | |
Ahmed Farah Awad betont: „Berbera ist die Verbindung zwischen Asien und | |
Afrika. Deswegen ist die Stadt so wichtig.“ | |
Jetzt soll Berbera wieder zur Drehscheibe des Handels am Horn von Afrika | |
werden. Ein Name ist überall präsent: DP World. Das Unternehmen hat seinen | |
Hauptsitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, es erweitert und betreibt | |
nach eigenen Angaben Häfen und Freihandelszonen in 64 Ländern, davon 12 auf | |
dem afrikanischen Kontinent. | |
## Somaliland lebt vom Import | |
2016 schlossen Somalilands Regierung – das einstige britische Protektorat, | |
das sich nach der Unabhängigkeit 1960 mit Somalia zusammengeschlossen | |
hatte, spaltete sich nach einem Bürgerkrieg 1991 wieder ab und ist seitdem | |
eigenständig, aber [1][nicht international anerkannt] – und DP World einen | |
Vertrag. Der Hafenlogistiker investiert 442 Millionen US-Dollar in Ausbau | |
und Modernisierung des Hafens von Berbera und erhält dafür eine Konzession | |
zum Hafenbetrieb über 30 Jahre mit automatischer Verlängerung von 10 | |
Jahren. | |
Zum Ausbau gehören die Vertiefung des Hafenbeckens sowie die Verlängerung | |
des Hafendamms um 400 Meter, die 2021 abgeschlossen wurde. Das ist der | |
Arbeitsplatz von Schichtleiter Mohamed Atteye. Er beaufsichtigt, wie die | |
Container des Frachters AS Alva abgeladen werden, der unter liberianischer | |
Flagge fährt und gerade aus dem saudischen Dschidda am Roten Meer gekommen | |
ist. Möglich machen das drei neue Kräne. Die Arbeit verläuft zügig und | |
effizient, neben AS Alva warten Lastwagen in einer Schlange, um die | |
Container an ihre Zielorte zu fahren. | |
Für Attaye ist das eine echte Errungenschaft. „Früher mussten wir | |
Schiffskräne nutzen“, sagt er. Pro Stunde wurden 7 Container abgeladen, | |
heute 30. Auch ist die Arbeit sicherer. Atteye erinnert sich an Unfälle mit | |
Knochenbrüchen bis hin zu Todesfällen. Er erwartet, dass der Ausbau | |
weitergeht. Mehr Kräne sollen kommen, der Hafendamm wird noch verlängert. | |
Zahlreiche Frachter kommen von der Arabischen Halbinsel mit Baumaterial und | |
Nahrungsmitteln, sagt Atteye. Somaliland lebt von der Viehwirtschaft und | |
hat weder eigene Industrie noch nennenswerte Landwirtschaft. Alles muss | |
eingeführt werden. | |
## Hoffen auf neue Freihandelszone | |
Somalilands größter Importeur ist nach eigenen Angaben die Ommar | |
International Company. Manager Ahmed Masri steht vor seinem offenen | |
Lagerhaus. Bis unter die Decke stapeln sich 50-Kilo-Säcke mit Zucker aus | |
Indien und Brasilien. Auch Weizenmehl, Palmöl sowie Seife werden | |
zwischengelagert. Vor einer anderen Halle entladen gerade Tagelöhner einen | |
Lkw. Pro Tag arbeiten hier 200 „Kulis“, wie Masri sie nennt. Dazu kommen 10 | |
Angestellte. | |
Nur 40 Prozent der Waren in Berbera bleiben in Somaliland. „60 Prozent | |
gehen nach Äthiopien“, so Masri. Das Nachbarland hat knapp 120 Millionen | |
Einwohner, aber keinen eigenen Zugang zum Meer. Dschibuti ist der | |
wichtigste Hafen für Äthiopien, aber Ahmed Masri hofft, dass künftig über | |
Berberas Hafen ganz Ostafrika versorgt wird, bis hinunter nach Tansania. | |
Dafür soll die neue Freihandelszone sorgen, in der Omaar International eine | |
weitere Lagerhalle betreiben will. „Wir haben schon unsere Bewerbung | |
abgegeben.“ | |
In der neuen Freihandelszone, einem 50 Hektar großen Areal außerhalb der | |
Stadt, sind bereits 20 Einheiten mit je 500 Quadratmetern bezugsfertig. Es | |
gibt eine Tankstelle und ein Verwaltungsgebäude. Bagger, ein grüner Baukran | |
und große Quader mit grauen Pflastersteinen deuten darauf hin, dass noch | |
einiges zu tun ist. „Wir sind fertig“, sagt jedoch Joseph Oguta. Der | |
Kenianer leitet die Freihandelszone, die ebenfalls von DP World betrieben | |
wird. „Wir sind eine Familie“, so Oguta. | |
Die Freihandelszone ist ein weiterer Baustein, um Berbera wieder zur | |
internationalen Drehscheibe zu machen, und gleichzeitig das | |
Verbindungsstück zwischen Hafen und Zielmarkt. Sie zu nutzen soll sich | |
lohnen: Sind Waren für den Export in die Nachbarländer bestimmt, müssen | |
keine Steuern in Somaliland bezahlt werden. DP World betont außerdem, dass | |
Arbeitsplätze entstehen. Von mehr als 2.750 ist die Rede – nicht wenig für | |
ein Land mit 3,5 Millionen Einwohnern. | |
Nicht nur die Infrastruktur in Berbera ist zentral für das Großprojekt, | |
sondern auch die neu ausgebaute Überlandstraße in die Hauptstadt Hargeisa. | |
Sie liegt auf dem Weg nach Äthiopien. Damit sich die Lkws nicht mehr durch | |
enge, löchrige Straßen quälen müssen, erhält Hargeisa gerade eine 22,5 | |
Kilometer lange Umgehungsstraße. | |
## Retourkutsche gegen Dschibuti | |
Der Hafenausbau ist auch eine Botschaft an das Nachbarland Dschibuti. Auf | |
der Homepage des dortigen Hafens steht, dass seit 1998 100 Prozent des | |
äthiopischen Seeverkehrs über diesen abgewickelt würde; andere Schätzungen | |
gehen von 90 bis 95 Prozent aus. Somaliland will einen Teil davon | |
abzwacken. | |
Gleichzeitig kann der Ausbau von Berbera als Retourkutsche von DP World | |
gegen Dschibuti gewertet werden. Seit 2012 streitet das Unternehmen nämlich | |
vor Gericht mit Dschibutis Staat um den Containerterminal Doraleh, eine | |
Erweiterung des Hafens von Dschibuti, dessen Konzession DP World 2018 von | |
der Regierung entzogen wurde. | |
Berbera bleibt. Für Hafenlogistiker DP World ist das auch deshalb lukrativ, | |
weil das Unternehmen aus Dubai 65 Prozent der Anteile hält und der | |
somaliländische Staat nur 35 Prozent. Äthiopien, zwischenzeitlich als | |
Anteilseigner im Gespräch, zog sich zurück. Somalilands Finanzminister Saad | |
Ali Shire bezeichnet den Hafen als Somalilands Goldesel. Als | |
Planungsminister trieb er 2016 den Deal mit DP World selbst voran. | |
Dabei stammen bis zu 75 Prozent der Staatseinnahmen Somalilands – der | |
Staatshaushalt des Landes beträgt rund 350 Millionen US-Dollar – aus | |
Zöllen. Von den Zolleinnahmen entfallen 85 Prozent auf den Hafen, so der | |
Minister. Diese Einnahmen werden zukünftig nun also zu 65 Prozent an DP | |
World gehen. | |
Warum zieht Somalilands Goldesel in einen anderen Stall? Über diese Frage | |
schmunzelt der Minister. Der Hafen sei noch immer ein Joint Venture, und | |
sobald ein Schiff anlegt, erhebt die Hafenbehörde eine Abgabe. Beim Abladen | |
entsteht eine Bearbeitungsgebühr, von der Somaliland 10 Prozent erhalte. | |
„Je mehr Güter anlanden, desto mehr verdienen wir“, gibt er sich | |
optimistisch. Dass DP World oder Dubau ihren Einfluss auch politisch | |
missbrauchen, davon will der Minister nicht ausgehen. „Es handelt nicht | |
nicht um eine [2][Supermacht wie China]. Außerdem haben wir Vertrauen.“ | |
In Berbera gibt sich auch Manager Ahmed Masri hoffnungsvoll. Auf die Stadt | |
kommen gute Zeiten zu, glaubt er: „Das Geschäft wird wachsen. Alles wird | |
wachsen.“ | |
6 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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