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# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Somaliland: Einzigartiger Machtwechsel a…
> Im international nicht anerkannten Somaliland wird der Präsident
> abgewählt. Der friedliche Machtwechsel könnte erhebliche Auswirkungen
> haben.
Bild: Die einzige Demokratie am Horn von Afrika: Schlangestehen vor dem Wahllok…
Berlin taz | Freie Wahlen und demokratische Machtwechsel gibt es am Horn
von Afrika sonst nie – ausgerechnet der einzige Staat der Region, der nicht
international anerkannt ist, spielt hier nun wieder einmal Vorreiter. In
[1][Somaliland], das 1991 seine Unabhängigkeit von Somalia erklärte, hat
die Opposition die Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Mittwoch
gewonnen. An diesem Mittwoch gestand Amtsinhaber [2][Muse Bihi] offiziell
seine Niederlage gegen [3][Abdirahman Abdullahi] ein.
Ein ehemaliger Offizier wird damit am 13. Dezember die Macht an einen
ehemaligen Diplomaten übergeben, die seit 2017 regierende Partei
[4][„Kulmiye“] (Partei für Frieden, Einheit und Entwicklung) verliert
zugunsten der oppositionellen [5][„Waddani“] (Patriotische Partei).
Innenpolitisch gesehen kommt damit das politische Lager von Somalilands
erstem zivilen Präsidenten Mohamed Egal, das unter anderem Parteinamen von
1993 bis 2017 regiert hatte, zurück an die Macht. Außenpolitisch könnte ein
entspannterer Politikstil einkehren, nachdem die Kriegsgefahr in der Region
hoch ist wie selten.
Anfang 2024 hatte Somaliland ein [6][Militärbündnis mit Äthiopien]
geschlossen und unter anderem Äthiopiens Marine Zugang zu Berbera gewährt,
der größte Hafen am Horn von Afrika neben Aden in Jemen. Somalia, das
Somalilands Abspaltung 1991 nie anerkannt hat, hatte darauf empört reagiert
und seinerseits ein Militärbündnis mit Äthiopiens Erzfeind Ägypten
geschlossen. [7][Ein regionaler Krieg steht seit Monaten im Raum], es
wechseln sich auf allen Seiten militärische Muskelspiele,
Entspannungsfloskeln und aggressive Rhetorik ab.
Vom neuen Präsidenten wird nun ein diplomatischeres Auftreten erwartet als
vom alten. Der Wahlverlierer Muse Bihi war in den 1970er Jahren
Luftwaffenpilot in der somalischen Armee. Danach wechselte er angesichts
des Vernichtungskrieges des somalischen Diktators Siad Barre gegen Rebellen
in Somaliland, der in den 1980er Jahren [8][Hunderttausende Tote forderte],
zur Guerilla SNM (Somali National Movement). Die SNM rief 1991 nach Siad
Barres Sturz Somalilands Unabhängigkeit in den Grenzen des früheren
Kolonialgebietes Britisch-Somaliland aus.
Derweil wurde der unscheinbare Diplomat Abdirahman Abdullahi Somalias
Botschafter in der Sowjetunion, die kurz darauf ebenfalls auseinanderfiel.
Die SNM übergab 1993 die Macht an eine zivile Regierung unter Somalilands
allererstem Präsident [9][Mohamed Egal], der 1960 das britische
Kolonialgebiet erst in die Unabhängigkeit und dann in die nun wieder
beendete Vereinigung mit der italienischen Somalia-Kolonie um Mogadischu
geführt hatte. Egal regierte bis zu seinem Tod 2002.
## Einheit und Stabilität aufs Spiel gesetzt
Die von SNM-Kriegsveteranen gegründete Partei Kulmiye, zunächst gegen Egal
in der Opposition, gewann 2017 erstmals Wahlen in Somaliland. Ihr wurde an
der Regierung autoritärer Umgang mit Kritikern vorgeworfen, der die Einheit
und Stabilität Somalilands – im Kontrast zum Staatszerfall und Dauerkrieg
in Somalia – aufs Spiel setze. Nach schweren Kämpfen verlor Somalilands
Zentralregierung 2023 die Kontrolle über östliche Gebiete des Landes. Die
Nähe zum autoritären Äthiopien sorgt ebenfalls bei Kritikern für
Missfallen. Das Militärabkommen mit Äthiopien ist nie veröffentlicht
worden, und der neue Präsident kritisierte im Wahlkampf, er habe es nie
gesehen.
[10][Gegenüber der taz] hatte Wahlsieger Abdullahi bereits 2017, damals im
Amt des Parlamentspräsidenten, bei einem Besuch in Berlin heftige Kritik an
Somalilands Kulmiye-Regierung geäußert. Damals hatte das Land gerade ein
Abkommen mit Dubai zum [11][Ausbau des Hafens Berbera] geschlossen, auch
damals schon ohne Öffentlichkeit. Dies werde Somaliland in den Krieg in
Jemen hineinziehen, hatte Abdullahi gewarnt: „Wir wollen nicht, dass die
Emirate von Berbera aus Luftangriffe im Jemen fliegen.“
Er forderte außerdem, Somaliland müsse Gespräche mit Somalia als „zwei
gleichwertige Parteien“ führen und schlug Direktverhandlungen mit
europäischer Vermittlung vor. Seine Partei „Waddani“ gewann 2019
Somalilands Parlamentswahlen, und seit die 2022 fällige
Präsidentschaftswahl verschoben wurde, galt es als gesetzt, dass sie auch
das höchste Staatsamt erobern werde.
## Direkt gegenüber liegt Jemen
Vergeblich warb Präsident Musa Bihi im Wahlkampf dafür, Somalilands
demokratische Errungenschaften dadurch zu honorieren, dass man ihn im Amt
bestätigt. Seine Partei wurde eher mit der Schwächung dieser
Errungenschaften in Verbindung gebracht. Kulmiye sackte bei den Wahlen von
55,1 auf 34,8 Prozent ab, Waddani legte von 40,7 auf 63,9 Prozent zu.
Die internationale Konstellation ist günstig für neue Versuche, Somalilands
Eigenständigkeit auch ohne einseitige Abhängigkeit von Äthiopien zu
sichern. Somaliland grenzt an den wichtigsten Seehandelsweg zwischen Asien
und Europa und seine Stabilität ist von globalem Interesse – direkt
gegenüber liegt Jemen, wo Iran über seine Unterstützung der in Sanaa
regierenden Huthi-Rebellen Fuß gefasst hat.
Somaliland [12][unterhält diplomatische Beziehungen zu Taiwan] und in den
USA gehörte die Anerkennung Somalilands zum Wahlprogramm Donald Trumps. Das
wäre ein Türöffner für andere Länder, und dabei kommt nun dem diplomatisch
geschulten neuen Präsidenten die Schlüsselrolle zu.
20 Nov 2024
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Somaliland
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Muse_Bihi_Abdi
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/Abdirahman_Mohamed_Abdullahi
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Kulmiye_Peace,_Unity,_and_Development_Party
[5] https://en.wikipedia.org/wiki/Waddani
[6] /Kriegsgefahr-am-Horn-von-Afrika/!5979826
[7] /Aethiopien-gegen-Aegypten/!6029916
[8] https://en.wikipedia.org/wiki/Isaaq_genocide
[9] https://en.wikipedia.org/wiki/Muhammad_Haji_Ibrahim_Egal
[10] /Parlamentspraesident-von-Somaliland/!5393605
[11] /Internationaler-Handel-mit-Ostafrika/!5903993
[12] /Diplomatische-Beziehungen/!5707557
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Somaliland
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an.
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