# taz.de -- Jugendliche Flüchtlinge in Hamburg: „Wir sollten sie als Chance … | |
> Der Träger Sternipark eröffnet eine Ersteinrichtung für junge | |
> Flüchtlinge, um die Stadt zu entlasten. Leiterin Moysich will Integration | |
> von Anfang an. | |
Bild: Seit einigen Monaten reisen wieder deutlich mehr Minderjährige allein ei… | |
taz: Frau Moysich, stimmt es, dass „Sternipark“ in Hamburg eine | |
Erstaufnahme für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge eröffnet hat? | |
Leila Moysich: Ja, das ist richtig. Auch die taz hat ja berichtet, wie sehr | |
[1][der Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) beansprucht ist]. Wir haben kurz | |
vor Weihnachten in Bahrenfeld eine Einrichtung eröffnet. Die hat 48 Plätze | |
ist und noch nicht voll belegt. Wir bauen es langsam auf. | |
Was heißt Erstaufnahme? | |
Es kommen Jugendliche vom KJND zu uns, bei denen klar ist, dass sie | |
aufgrund der [2][Verteilungsregelung des „Königsteiner Schlüssels“] in | |
Hamburg bleiben. Und die nehmen wir nach Paragraf 42 Jugendhilfegesetz in | |
Obhut. | |
Werden Sie die Erstaufnahme im KJND ersetzen? | |
Nein. Aber der Landesbetrieb Erziehung und sein KJND mussten ja in ganz | |
kurzer Zeit ganz viele Jugendliche aufnehmen, weil durch den Ukraine-Krieg | |
wieder mehr Flüchtlinge kommen. Wir wurden gefragt, ob wir helfen können, | |
diese Zustände abzubauen. Diese wünscht sich nämlich niemand. Weder in | |
Turnhallen noch in deutlichen Mehrbett-Zimmern sind Jugendliche gut | |
untergebracht. Wir haben Zwei-Bett-Zimmer mit eigenem Bad. | |
Sie betreiben Kitas. Haben Sie Erfahrung mit dieser Zielgruppe? | |
Richtig, wir sind seit 30 Jahren als Kita-Träger aktiv. Aber wir sind im | |
nördlichen Schleswig-Holstein ein relativ großer Träger in der Jugendhilfe. | |
Für uns ist wichtig, dass Integration vom ersten Tag an gelingt, und die | |
jungen Menschen, die jetzt nach Deutschland kommen, auch als Chance gesehen | |
werden. Deshalb hatten wir schon in der [3][ersten Flüchtlingswelle] | |
2015/16 über 350 minderjährige Flüchtlinge betreut. Wir haben mit der Stadt | |
Neumünster das „vorläufige Clearing“ entwickelt, also dann die damalige | |
Umverteilung mitgestaltet. | |
Wie sieht Ihr Konzept aus? | |
Ganz wichtig ist, die deutsche Sprache zu lernen. Und was entscheidend ist, | |
damit die Jugendlichen nicht auf unsinnige Ideen kommen, ist Beschäftigung. | |
Wir hatten 2015/16 in Schleswig-Holstein eine schöne Kooperation mit der | |
Handwerkskammer. Die bot für die über 16-Jährigen eine | |
„Einstiegsqualifizierung“ an, wo sie Deutsch lernten und Berufe | |
kennenlernten. Und von den über 117 Jugendlichen, die anfingen, kamen 90 in | |
eine Ausbildung. So etwas müssen wir in Hamburg auch aufbauen. | |
Wo liegt die Einrichtung? | |
Das Gebäude liegt in einem Gewerbehof. Es ist eine ehemalige | |
Suchteinrichtung mit großen Zimmern zwischen 16 und 20 Quadratmetern, einem | |
Garten und Gemeinschaftsräumen. | |
Haben Sie genug Fachkräfte? Man hört, andere Einrichtungen schließen, weil | |
die fehlen. | |
Uns freut jede Fachkraft. Aber man muss sich davon verabschieden, dass es | |
auf dem Markt genug Sozialpädagogen gibt. Wir haben Fachkräftemangel bei | |
Jugendhilfe und Kitas. | |
Und was tun Sie? | |
Wir müssen unseren Blick für Quereinsteiger öffnen. Im Kita-Bereich gibt es | |
schon seit fünf Jahren so ein Programm. Wer ein Studium mitbringt oder etwa | |
Kinderkrankenschwester ist, der kann sich qualifizieren und in der Kita | |
arbeiten. Nur dürfen es dort nicht mehr als 25 Prozent sein. Und das | |
brauchen wir in der Jugendhilfe auch. | |
Haben Sie dort fachfremdes Personal? | |
Wir diskutieren das gerade, wie alle anderen Träger mit der Stadt. | |
Sind die 48 Plätze belegbar? | |
Die Zimmer sind da und jetzt über die Hälfte belegt. Das muss man in | |
Prozessen machen. Wir öffneten vor Weihnachten die erste Wohngruppe und | |
dann zwischen Weihnachten und Neujahr die zweite. Nun kommt die dritte. | |
Aber es sind neue Teams, die sich bilden. Da braucht man etwas Geduld. | |
Wie haben Sie es geschafft, so zügig aufzumachen? | |
Ich habe tolle Mitarbeiter, die das Herz am richtigen Fleck haben. Vor | |
Weihnachten haben wir uns gefragt, ob wir eine Eröffnung schaffen, damit | |
auch der KJND entlastet wird. Da fragten wir unsere Kollegen, die sonst in | |
den Kitas arbeiten. Und es erklärten sich so viele Mitarbeiter bereit, dass | |
das geklappt hat. | |
Gibt es dort auch Security? Wer passt nachts auf? | |
Pädagogen und Sprachmittler. Wir könnten rein theoretisch auch Security | |
einsetzen, aber wir glauben, dass es sinnvoll ist, rund um die Uhr waches, | |
anwesendes Personal zu haben. | |
Bleiben die Jugendlichen in der Einrichtung? | |
Der Plan ist: Die kommen an, es wird geklärt, ob sie in Hamburg bleiben, | |
dann kommen sie in Ersteinrichtungen und dann sollen sie von dort relativ | |
schnell in Folgeeinrichtungen umziehen. Dieses System hat in Hamburg ja | |
nicht funktioniert, sonst wäre der KJND ja nicht so übergelaufen. | |
Wohin sollen sie ziehen? | |
In die ganz normale Jugendhilfe oder ins verselbstständigte Wohnen. Aber | |
die Folgeplätze reichen nicht aus. Deswegen stellen wir uns darauf ein, | |
dass die länger bleiben. Aber dann muss es auch funktionieren. Die | |
Jugendlichen kommen mit Ideen und Träumen nach Deutschland, was sie | |
erreichen wollen. Wenn wir sie frustrieren – etwa wenn wir sagen: „Ihr | |
kriegt jetzt noch keinen Deutschkurs!“ –, behindert das die Integration. | |
Und sie müssen zur Schule? | |
Genau. Nur die sind auch überlaufen. Und ärgerlich ist, dass die | |
„Internationalen Vorbereitungsklassen“ leider für unsere Jugendlichen gar | |
nicht mehr greifen, weil sie nicht für über 16-Jährige geschaffen wurden. | |
Dabei brauchen unsere Jugendlichen vom Lernstand her genau diese | |
Vorbereitung. Aber sie dürfen nur in berufliche Maßnahmen und auch dort | |
reichen die Plätze nicht. Deshalb diskutieren wir mit den Behörden, wie wir | |
die Jugendlichen ins Bildungssystem integrieren. Und wir hoffen, dass wir | |
auch in Hamburg neue Wege gehen. | |
Denken Sie an eine trägereigene Schuleinrichtung? | |
Sternipark hat in Hamburg eine genehmigte private Berufsfachschule für | |
Sozialpädagogische Assistenz. Wenn es daran scheitert, dass es keine Plätze | |
gibt, dann ist sicher unsere Schule bereit, für diese Jugendlichen ein | |
Kursangebot zu entwickeln. | |
7 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Probleme-in-Hamburger-Feuerbergstrasse/!5877780 | |
[2] https://www.fluechtlinge.niedersachsen.de/startseite/fluchtlinge_in_nieders… | |
[3] /Minderjaehrige-Fluechtlinge/!5025657 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Jugendliche | |
Minderjährige Geflüchtete | |
Sozialbehörde Hamburg | |
Kinder | |
Hamburg | |
Jugendliche | |
Jugendliche | |
Minderjährige Geflüchtete | |
Jugendliche | |
Jugendhilfe | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Debatte um Einrichtung in Hamburg-Altona: Jugendliche wollen nicht hungern | |
Junge Geflüchtete erneuern Vorwürfe gegen Hamburger Träger Sternipark im | |
Jugendhilfeausschuss. Politiker reagieren betroffen, Träger verteidigt | |
sich. | |
Verzweifelte Jugendliche in Hamburg: Vorwürfe gegen Jugendeinrichtung | |
Bewohner einer Hilfeeinrichtung protestieren wegen mangelnder Versorgung. | |
Ein Jugendlicher verletzte sich selbst. Der Träger bestreitet die Vorwürfe. | |
Versorgung unbegeleiteter Minderjähriger: Container statt Turnhalle | |
Hamburgs Jugendnotdienst ist durch eine hohe Zahl junger Geflüchteter | |
gefordert. Nun wurden Container aufgestellt und Personalstandards | |
gelockert. | |
Probleme in Hamburger Feuerbergstraße: Notruf aus dem Kindernotdienst | |
Mitarbeitende des Kinder- und Jugendnotdienstes in Hamburg beklagen | |
Überlastung und Überfüllung. Kinder würden in einer Turnhalle | |
untergebracht. | |
Hilfesystem für junge Flüchtlinge: Jugend-Notdienst ist überlastet | |
Aufnahme für junge Flüchtlinge seit Monaten überbelegt. Hilferuf der | |
Beschäftigten: Den Kindern gehe es schlecht. Behörde dementiert | |
Polizeieinsätze. | |
Asylpolitik der Ampelkoalition: Beim Familiennachzug hakt es | |
Kirchen und Pro Asyl fordern, den Familiennachzug bei Geflüchteten zu | |
beschleunigen. Die Koalition sagt das zu – doch bisher bleibt vieles beim | |
Alten. |