# taz.de -- Verzweifelte Jugendliche in Hamburg: Vorwürfe gegen Jugendeinricht… | |
> Bewohner einer Hilfeeinrichtung protestieren wegen mangelnder Versorgung. | |
> Ein Jugendlicher verletzte sich selbst. Der Träger bestreitet die | |
> Vorwürfe. | |
Bild: Unhaltbare Zustände? Bewohner der Unterkunft beschweren sich | |
HAMBURG taz | „Alle jungen Menschen brauchen Hilfe, bitte, bitte, bitte“, | |
und „Bitte hilf uns“, schrieb ein Jugendlicher aus [1][der Hamburger | |
Einrichtung Theodorstraße] des Trägers Sternipark am Mittwoch an die taz. | |
Er sendete dazu ein Video, das einen Rettungswagen vor Ort zeigt. Ein | |
junger Mann habe sich selbst verletzt. Wie aus Gerichtsakten hervorgeht, | |
soll er in Panik mit der Hand gegen die Wand geschlagen und sich diese | |
dabei gebrochen haben. Im Video hört man einen Heulton. Vom Träger heißt | |
es, Jugendliche, denen das Essen nicht zusagte, hätten die Brandmeldeanlage | |
missbraucht. Das Geräusch habe bei dem Jungen eine Panikreaktion ausgelöst. | |
Laut Bundespolizei stand in der Nacht zum folgenden Freitag ein | |
Jugendlicher aus einer Jugendeinrichtung, der vom Alter her passt, um zwei | |
Uhr morgens auf dem Betriebsgleis 13 mitten im Hamburger Hauptbahnhof, zu | |
dem sonst nur Bauarbeiter und Bahnbeschäftigte Zugang haben. Wie ein | |
Sprecher der Bundespolizei berichtet, wurden die Gleise im Hauptbahnhof | |
kurzfristig gesperrt, um den Jungen aus dem Gefahrenbereich heraus zu | |
holen. „Da konnte dann auch gar kein Zug mehr fahren“. Weil er den Beamten | |
der Bundespolizei „so ein bisschen abwesend“ schien, habe man ihn zunächst | |
von einem Rettungswagen-Team untersuchen lassen. Weil aber alles in Ordnung | |
schien, ihn nach Rücksprache mit den Betreuern per Taxi zurück in die | |
Jugendeinrichtung geschickt. Der Junge habe keine Suizidabsicht geäußert, | |
sagt der Sprecher. Gleichwohl ist die Frage, was der Junge dort suchte. | |
Schon am Mittwochvormittag waren rund 20 Jugendliche zum Fachdienst | |
Flüchtlinge für Minderjährige gegangen, um sich zu beschweren. Als sie dort | |
nichts wurden, zogen sie weiter zum Kinderschutzbund. Zurück im Heim | |
drehten sie elf Videos auf Dari, die die taz übersetzen ließ. „Ich bin seit | |
einem Jahr in dieser Einrichtung und wir sind ohne Vormund“, sagt ein | |
Jugendlicher. „Wir haben kaum etwas zu essen, die Küche ist fast immer zu“, | |
sagt er. Im Zimmer seien sie zu viert. „Wir können nicht lernen. Wir haben | |
viele psychische Probleme.“ | |
Die taz erhielt auch Videos aus Zimmern, in denen zusätzliche Etagenbetten | |
stehen. Dazu ein Film vom Frühstücksraum, der zwei schlaffe Toast-Packungen | |
und eine karge Tafel zeigt. Dienstag und Mittwoch habe es nichts Richtiges | |
zum Frühstück gegeben, sagt ein Jugendlicher. Fast nur Toast und | |
Orangensaft, kaum etwas zum Belegen wie Marmelade oder Käse. Und mittags | |
gebe es für alle, die noch nicht zur Schule gehen und dort essen, nur etwas | |
sehr Einfaches wie Milchreis. Von dem bekomme er Magenschmerzen, sagt ein | |
Junge. „They dont give us protein“, sagt sein Kumpel. | |
## Skepsis gegenüber dem Träger | |
Es war eigentlich eine gute Nachricht, als vor gut einem Jahr bekannt | |
wurde, das der für seine Kitas bekannte Sternipark eine | |
Erstversorgungseinrichtung für junge Geflüchtete in Hamburg-Bahrenfeld | |
eröffnet. Denn der Stadt fehlten Plätze. Zuletzt mussten Minderjährige in | |
einer Turnhalle schlafen. | |
Doch im Bezirk Altona, wo die Einrichtung mit ihren zunächst 48 Plätzen | |
eröffnete, herrschte Skepsis. Die Bezirksversammlung stimme der Einrichtung | |
zu, heißt es in einem Beschluss aus Dezember 2022. Die Trägerwahl werde | |
allerdings „infrage gestellt“ und das Konzept als „unzureichend“ eracht… | |
Im Mai hatte die taz von ersten Beschwerden über das Essen gehört. Zwei | |
Jugendliche, die inzwischen nicht mehr dort wohnen, hatten gefordert, das | |
Essensgeld ausgezahlt zu bekommen, um sich selber zu verpflegen. So war es | |
in vergleichbaren Einrichtungen der Stadt damals üblich. Bei Sternipark | |
wird für die Jugendlichen gekocht, was offenbar zu Reibung führte. Der | |
Träger zeigte der taz einen abwechslungsreichen Speiseplan. Zudem war es | |
den Bewohnern damals möglich, Essen aus der Speisekammer zu holen und in | |
den Gruppenküchen selbst zu kochen. Das soll nun nicht mehr möglich sein, | |
berichten die Jugendlichen. Die Kammer sei abgeschlossen. | |
Beim Träger hält man es indes für ausgeschlossen, dass die Jugendlichen | |
kein Frühstück bekommen. Ihnen stehe von 6 Uhr bis 10.30 Uhr ein | |
„reichhaltiges Frühstücksbuffet“ mit Käse, Wurst, Marmeladen, Honig, | |
Gemüse, Cornflakes, Müsli und Getränken zur Verfügung. Das werde bei Bedarf | |
aufgefüllt, erklärt Geschäftsführerin Leila Moysich. Allein in dieser Woche | |
seien am Montag und Donnerstag zusammen 130,2 Kilo Brot geliefert worden, | |
davon 100 Kilo Toastbrot. | |
## Es ist „voller geworden“ | |
„Es ist in der Einrichtung voller geworden“, räumt Moysich ein. Das Haus | |
sei statt mit 48 jetzt mit 67 Jugendlichen belegt. In den sechs größeren | |
Zimmern stünden jetzt zwei statt eines Hochbetts. Man versuche mit der | |
Stadt weitere Kapazitäten zu schaffen, „damit die jungen Menschen nicht in | |
Zelten oder Turnhallen übernachten müssen“. | |
Es gäbe zudem häufiger Wechsel, weil Jugendliche volljährig werden oder in | |
Anschlussmaßnahmen kommen. Da müsse sich jeder erst einleben und mit den | |
Regeln vertraut machen, sagt Moysich. „Das ist ein Lernprozess.“ Dass | |
Jugendliche noch keinen Vormund haben, liege Außerhalb der Zuständigkeit | |
der Einrichtung. Arztbesuche fänden statt, im letzten Quartal seien es fünf | |
pro Jugendlichem gewesen. | |
Lisann Mayer von der Hamburger Ombudsstelle für Kinder- und Jugendhilfe | |
sagt, an ihre Fachstelle wendeten sich seit Mai immer wieder junge Menschen | |
aus der Theodorstraße. „Die Beschwerden gehen ums Essen, aber auch um | |
Diskriminierung, um mangelnden Gesundheitszugang und die Beschreibung | |
psychischer Notsituationen.“ Die Fachstelle habe Ende Mai ein Fachgespräch | |
mit Sternipark geführt, würde aber gern an Gruppenabenden im Haus | |
teilnehmen. „Dazu ist es bislang nicht gekommen.“ Nach Ansicht der | |
Sozialarbeiterin brauchen die Jugendlichen dringend Gehör. Mayer hält auch | |
die Vierbettzimmer für zu eng und „nicht tragbar“. „Das ist keine | |
Alternative zu Zelten und Turnhalle“, sagt Mayer, „da muss eine dritte | |
Lösung her.“ | |
Die Sozialbehörde erklärt dazu, man müsse die gesamte Lage der Stadt | |
beachten, es gehe darum, noch weniger Zumutbares abzuwenden. Der | |
Kinderschutzbund bestätigt, dass 20 Jugendliche bei ihm waren, will sich zu | |
Details nicht äußern. | |
Transparenz hinweis: Wir haben diesen Text aus rechtlichen Gründen an | |
verschiedenen Stellen überarbeitet und aktualisiert. | |
19 Nov 2023 | |
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[1] /Sozialarbeiter-ueber-Jugendhilfe/!5963222 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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