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# taz.de -- Artenschutzkonferenz in Montreal: Mehr Moore für Elche
> Fast zwei Wochen lang haben die Delegationen der 196 Mitgliedstaaten auf
> der UN-Artenschutzkonferenz in Montreal verhandelt. Nun steht ein
> Abkommen.
Bild: Könnten von der Abschlusserklärung des Weltnaturgipfels profitieren: Sk…
Berlin taz | Die Menschheit ist sich bewusst, dass sie Lebensräume zerstört
und Arten vernichtet. Sie ist bereit, die Folgen abzumildern, aber nicht
bereit, auf Wachstum, Konsum und Entwicklung zu verzichten, um die
Zerstörung zu beenden. So lässt sich das neue Abkommen zur Umsetzung der
Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) zusammenfassen, das ihre 196
Mitgliedstaaten in der Nacht zum Montag in Montreal beschlossen haben.
[1][Fast zwei Wochen lang hatten die Delegationen der 196 Mitgliedstaaten
verhandelt,] zunächst die Fachleute, schließlich die Minister.
Beobachter:innen und Teilnehmer:innen der Delegationen bemängelten
die unambitionierte Verhandlungsführung der chinesischen Präsidentschaft –
bis Sonntagmorgen. Da legte diese völlig überraschend einen Entwurf für ein
Abschlusspapier vor, das mit wenigen Änderungen angenommen wurde.
Es enthält vier übergeordnete Ziele und 23 Umsetzungsziele. Die
übergeordneten Ziele geben vor, Ökosysteme zu erhalten, wiederherzustellen
und besser zu vernetzen. Das Aussterben von Arten sollte gestoppt werden;
die Populationen wilder Arten sollen wachsen, damit sie ein „gesundes und
widerstandsfähiges Niveau“ erreichen können; zudem soll die genetische
Vielfalt innerhalb der Wildtierarten und der Nutztiere erhalten werden,
damit sie anpassungsfähig bleiben. Die biologische Vielfalt solle
nachhaltig genutzt. Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen sollen
gerecht und ausgewogen aufgeteilt werden, auch wenn sie in digitaler Form
vorliegen. Dies gilt auch für Gewinne, die mithilfe von traditionellem
Wissen im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen gemacht werden. Für alle
diese Ziele sind „angemessene Mittel zur Umsetzung“ vorgesehen,
„einschließlich finanzieller Ressourcen, technischer und wissenschaftlicher
Zusammenarbeit sowie Zugang zu und Weitergabe von Technologie“.
Diese „Großvorhaben“ werden durch 23 Ziele zur Umsetzung konkretisiert. So
sollen bis 2030 mindestens 30 Prozent besonders zerstörter Land- und
Meeresflächen so wiederhergestellt werden, dass sich dort die Biodiversität
verbessert und sie ihre Ökosystemdienstleistungen – etwa Wasser speichern
oder die Luft reinigen – wieder wahrnehmen können. Zudem sollen bis 2030
ein Drittel aller Landflächen und Gewässerflächen unter Schutz gestellt
werden, besonders Flächen, die über eine hohe Vielfalt an Arten oder
Lebensräumen verfügen. Die Verschmutzung durch Dünger, Pestizide und
Plastik soll deutlich reduziert werden.
## Es fehlt an Möglichkeiten der Kontrolle
Die Vereinbarung sei ein „historisches Ergebnis“, urteilte
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es böte „eine gute
Grundlage für globale Maßnahmen zur biologischen Vielfalt und ergänzt das
Pariser Klimaabkommen“, so von der Leyen. Die Weltgemeinschaft habe nun
einen Fahrplan für den Schutz und die Wiederherstellung der Natur und ihre
nachhaltige Nutzung – für die jetzige und künftige Generationen. Auch die
deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die für Deutschland in
Montreal verhandelt hat, ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Der Beschluss von
Montreal spannt einen Schutzschirm für unsere Lebensgrundlagen auf“, sagte
sie, „die Staatengemeinschaft hat sich dafür entschieden, das
Artenaussterben endlich zu stoppen. Nach langen und anstrengenden
Verhandlungen ist uns eine Abschlussvereinbarung geglückt, die große
Entschlossenheit ausstrahlt.“
Ihre Parteifreundin Jutta Paulus, die die Verhandlungen als Mitglied des
Europaparlaments in Montreal verfolgt hat, ist weniger enthusiastisch.
„Noch immer haben wir offenbar nicht verstanden, dass wir in der Land- und
Forstwirtschaft wirklich etwas ändern müssen“, sagt sie. Was dazu in dem
Abkommen stehe, sei „sehr schwach“. Auf Basis dieses Textes „können wir
keine weiteren Änderungen anstoßen“ befürchtet Paulus, die im
Umweltausschuss des EU-Parlaments sitzt. So ähnlich sieht das Friedrich
Wulf, der die Verhandlungen für die Schweizer Naturschutzorganisation „Pro
Natura“ verfolgt hat: „Für die klassischen Naturschutzthemen –
Schutzgebiete, Verschmutzung, Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme –
bietet das Abkommen gute Antworten“, sagt Wulf, „aber es packt die Ursachen
nicht an“. Die Textstellen zur Landwirtschaft seien widersprüchlich: „Es
wird zwar die Biolandwirtschaft erwähnt, das ist gut“, sagt Wulf.
Andererseits werde aber auch von „nachhaltiger Intensivierung und
innovativen Ansätzen“ gesprochen, um Ländern Entwicklungsmöglichkeiten zu
erhalten. „Das öffnet intensiver Landwirtschaft mit Naturzerstörung und dem
Verlust von Artenvielfalt Tür und Tor“.
„Die Vertragsstaaten scheinen nicht aus der Vergangenheit gelernt zu
haben“, kommentiert Magdalene Trapp. Die Expertin für Biodiversität beim
Naturschutzbund Nabu sieht bei den 23 neuen Zielen dasselbe
Grundsatzproblem wie bei ihren Vorgängern, den sogenannten „Aichi-Zielen“.
Keines dieser Ziele sei erreicht worden, denn es fehlte an Möglichkeiten
der Kontrolle. Das habe sich in Montreal nicht geändert. Die wichtigen
Punkte – Berichtspflichten für die Industrie, welche Auswirkungen ihre
Produktionsweisen und Lieferketten auf die Biodiversität haben, seien nicht
konkret gefordert; Vorgaben für den Finanzsektor, keine
biodiversitätsfeindlichen Investitionen mehr zu tätigen, fehlten.
Allerdings: „Es ist gut, dieses Abkommen jetzt zu haben“, sagt Trapp.
„Jetzt fängt die Arbeit an, wenn es an die Umsetzung in den Nationalstaaten
geht.“
19 Dec 2022
## LINKS
[1] /UN-Artenschutzkonferenz-in-Montreal/!5900364
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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Schwerpunkt Artenschutz
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