# taz.de -- Maoistische Guerilla auf den Philippinen: „Gigant der Linken“ s… | |
> Der philippinische Maoistenführer José Maria Sison ist tot. Die Regierung | |
> in Manila hofft nun auf ein Ende des kommunistischen Aufstands. | |
Bild: Der philippinische Maoistenführer José María Sison 2017 bei Friedensge… | |
Berlin taz | Schon öfter gab es Gerüchte über den Tod von José María „Jo… | |
Sison. Doch am Samtag meldete die Communist Party of the Philippines (CPP), | |
die er 1968 gegründet hatte, selbst sein Ableben. Sison sei im Alter von 83 | |
Jahren am Freitag um 20.40 Uhr in einem Hospital im niederländischen | |
Utrecht gestorben. Er sei dort seit zwei Wochen gewesen, erklärte das | |
CPP-Zentralorgan Ang Bayan, ohne weitere Details zu nennen. | |
Sison lebte seit 1987 im Exil in der niederländischen Stadt, wo die | |
National-Demokratische Front (NDF) der Philippinen einige Jahre zuvor ein | |
internationales Büro eröffnet hatte. Offiziell war er Berater dieser | |
CPP-Einheitsfrontorganisation, die für die maoistische Partei wie für ihre | |
Neue Volksarmee (NPA) mit allen philippinischen Regierungen nach 1986 meist | |
kurzzeitige Friedensgespräche führte. | |
Doch mutmaßlich leitete Sison auch wieder die CPP-NPA-NDF, wie das Militär | |
die Maoisten in den Philippinen zu nennen pflegt, seit er im März 1986 aus | |
dem Gefängnis entlassen worden war. Auch führte er sich stets als | |
Chefideologe der CPP auf, der stärksten Kraft der philippinischen Linken. | |
Das Verteidigungsministerium in Manila erklärte zu Sisons Tod: „Das größte | |
Hindernis für Frieden in den Philippinen ist weg, jetzt sollten wir dem | |
Frieden eine Chance geben.“ Sisons Tod sei „nur ein Symbol für die | |
bröckelnde Hierarchie der CPP-NPA-NDF.“ | |
## CPP-Sprecher: „Revolutionäre stehen auf eigenen Beinen“ | |
Darauf reagierte CPP-Sprecher Marco Valbuena trotzig: „Wie Kinder von ihrem | |
großen Vater gelehrt, geführt und trainiert wurden, können die | |
philippinischen Revolutionäre auf eigenen Beinen stehen.“ | |
US-Strategen hatten die NPA 1985 noch als die „am schnellsten wachsende | |
Guerillabewegung“ der Welt bezeichnet, die Washington in den Nullerjahren | |
dann auch seine Terrorliste setzte. Zur Zeit des Sturzes von Diktator | |
Ferdinand Marcos durch einen friedlichen Volksaufstand 1986 in Manila | |
(„People Power“) zählte die NPA rund 25.000 bewaffnete Kämpfer und | |
Kämpferinnen im Hinterland. Heute sind es laut Militär noch 2.100. | |
Doch heizt die reformunwillige philippinische Elitedemokratie selbst immer | |
wieder den bewaffneten Widerstand an, auch wenn er längst an Dynamik | |
verloren hat. Weil die Aufständischen aber auch keine Unterstützung und | |
keinerlei Waffenlieferungen von außen bekommen, haben sie zugleich keine | |
Aussicht auf einen Sieg. | |
Der Konflikt mit dem seit 53 Jahren und damit am längsten andauernden | |
kommunistischen Aufstand der Welt hat bisher 40.000 Tote gefordert. Da | |
Sison 1977 bis 1986 in Isolationshaft war und seit 1987 im Exil, konnte er | |
schon bisher kaum tagespolitische Entscheidungen beeinflussen. Deshalb sind | |
Manilas Hoffnungen, dass mit ihm auch bald die maoistische Guerilla | |
verschwindet, unrealistisch. | |
## „Langwieriger Volkskrieg im Hinterland“ | |
„Wir hatten unsere Differenzen mit Joma […], aber diese täuschen nicht | |
darüber hinweg, dass er ein Gigant der philippinischen Linken war, der mehr | |
als jeder andere zu deren Wiedergeburt in den 1960er Jahren beitrug“, | |
erklärte der bekannte Soziologe, Aktivist und Ex-Parlamentsabgeordnete | |
Walden Bello laut der Zeitung [1][Philippine Daily Inquirer]. | |
Sison stammte aus einer Großgrundbesitzerfamilie, radikalisierte sich als | |
Student und Unidozent. 1964 gründete er eine maoistische Jugendbewegung und | |
1968 die CPP in Abspaltung zur alten, nach Moskau und auf Wahlen hin | |
orientierten kommunistischen PKP. | |
Gegen den immer diktatorischeren Präsidenten Ferdinand Marcos hatte Sison | |
von vornherein auf den „langwierigen Volkskrieg“ im Hinterland gesetzt. Das | |
erwies sich als richtig, als Marcos 1972 mit der Verhängung des | |
Kriegsrechts die unbewaffnete bürgerliche Opposition ausschaltete. Laut | |
einigen früheren Weggefährten soll Sison mit einem Bombenanschlag auf eine | |
Kundgebung der Opposition der Verhängung des Kriegsrechts nachgeholfen | |
haben, was bis heute ungeklärt ist. | |
Das diktatorische, von den USA massiv unterstützte Marcos-Regime und seine | |
korrupten Günstlinge wurden die beste Rekruteure fürs Sisons maoistische | |
Bewegung. Dabei geriet er schon damals wie zuletzt 1992 mit anderen Linken | |
einschließlich seiner eigenen Partei in heftige Konflikte. Denn Sison | |
verteidigte Mao Tse-tungs aus den 30er Jahren in China stammende Dogmen | |
gegenüber allen Hinweisen, dass die Philippinen doch anders seien: viel | |
städtischer und mit einer größeren Mittelschicht, sie seien viel | |
industrialisierter, durch hohe Arbeitsmigration längst nicht mehr so feudal | |
und zudem hätten sie eingespielte demokratische Traditionen. | |
## Spaltung schwächt die Bewegung | |
1992 würgte Sison interne Reformdebatten mit einer „Berichtigungskampagne“ | |
brachial ab, in dem er kategorisch eine Rückbesinnung auf maoistische | |
Dogmen forderte. Das führte zur Spaltung, die auch viele linke | |
Massenorganisationen und Nichtregierungsorganisationen betraf. Zudem wurden | |
drei prominente interne Sison-Kritiker mutmaßlich von der NPA ermordet. | |
Die Linke bekam viele konkurrierende Doppelstrukturen und die Partei büßte | |
an Stärke ein. Doch scheiterten später auch die Reformer mit ihrer | |
parlamentarischen Strategie. | |
2016 setzte Sison noch auf ein taktisches Bündnis mit dem | |
nationalistisch-populistischen Präsidenten Rodrigo Duterte. Den hatte er | |
einst an der Uni unterrichtet und der gab sich jetzt im Wahlkampf sogar | |
öffentlich als Sozialist aus. Doch setzten die beiden, die sich zuvor mit | |
Nettigkeiten überhäuft hatten, schnell wieder auf Revolution und | |
Repression. Der taktische Flirt mit dem Schlächter Duterte kostete Sison | |
Sympathien innerhalb der Linken. | |
Sison teile jetzt „das Schicksal seines Erzfeindes“, des früheren Diktators | |
Ferdinand Marcos, sagte Rudolfo Salas dem Philippine Daily Inquirer. Salas | |
wurde CPP-Chef, als Sison im Gefängnis gesessen hatten. Später haben sich | |
die beiden überworfen. Salas sieht diese Parallelen zwischen Marcos und | |
Sison: „Beide behaupteten von sich, Nationalisten zu sein. Doch am Ende | |
starben beide außerhalb ihres Landes.“ | |
Für Sison war es dabei ein langwieriger Kampf gewesen, in den Niederlanden | |
das Aufenthaltsrecht und dann Asyl zu erhalten. Ebenso langwierig und | |
schwierig war es, von der EU nicht als Terrorist geführt zu werden. | |
19 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://newsinfo.inquirer.net/1706285/cpp-founders-death-not-the-end-of-reb… | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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