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# taz.de -- Die Verständnisfrage: Bitte, bitte kein Kind
> Sterilisationen bei Frauen sind meist irreversibel. Wie fühlt es sich an,
> sich 100 Prozent sicher zu sein, fragt ein Leser. Eine Frau antwortet.
Bild: „Schon als Kind haben mich die Erzählungen von Schwangerschaft und Geb…
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
Verhalten der Fragesteller:in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
Person, die antwortet.
Pit Steffen, 26, Student aus Berlin fragt:
Liebe sterilisierte Frauen, wie fühlt es sich an, sich zu 100 Prozent
sicher zu sein?
***
Nadine Berger, 29, Social-Media-Redakteurin aus Mainz antwortet:
Als würde ein Alien in meinem Bauch schwimmen, so habe ich mir schwanger
sein immer vorgestellt. Das wollte ich nie erleben. Früher habe ich noch
gedacht, dass es nur ums schwanger sein geht, ich könnte ja adoptieren.
Aber mit der Zeit wurde mir klar: Ich habe nicht den Wunsch, Mutter zu
werden.
Schon als Kind haben mich die Erzählungen von Schwangerschaft und Geburt
abgeschreckt. Das klang alles sehr schmerzhaft und grauenvoll. Während
meiner Jugend habe ich das Buch Feuchtgebiete gelesen, in dem die
Protagonistin sterilisiert ist und dachte mir, das könnte auch eine Option
für mich sein. Erst ab 35, hieß es dann, das hat mich enttäuscht. Jungen
Frauen wird damit abgesprochen zu wissen, was für sie die richtige
Entscheidung ist. Durch eine Dokumentation bin ich dann auf den Verein
Selbstbestimmt steril e. V. gestoßen, der Frauen mit Sterilisationswunsch
vernetzt und bei der Suche nach Gynäkolog:innen, die diese OP auch
früher durchführen, unterstützt.
Nach einem ersten Beratungsgespräch habe ich mir ein halbes Jahr Zeit
genommen, um herauszufinden, ob ich das wirklich will. Eine Sterilisation
bei Frauen ist anders als bei Männern nur selten rückgängig zu machen. Aber
je näher der Termin rückte, umso mehr freute ich mich. Mit 27 habe ich mich
dann sterilisieren lassen.
Der Gedanke, ungewollt schwanger werden zu können, hat mich extrem
gestresst. Kondome waren mir zu unsicher, andere Verhütungsmittel vertrage
ich nicht. Wenn meine Periode etwas zu spät war, habe ich sofort einen
Schwangerschaftstest gemacht. Deshalb war ich unfassbar froh, als ich aus
der Narkose aufgewacht bin und der Arzt mir sagte, dass die OP problemlos
verlaufen sei. Aber erst als mir ein Bild meiner verödeten Eileiter gezeigt
wurde, habe ich wirklich verstanden, dass ich jetzt keine Angst mehr haben
muss. Für mich bedeutet das sehr viel mehr Lebensqualität.
Sollte ich es später mal bereuen, kein Kind zu haben, kann ich damit besser
leben, als es zu bereuen, ein Kind in die Welt gesetzt zu haben. Denn das
würde nicht nur mich betreffen. Auch äußere Umstände bestärken mich in
meiner Entscheidung: Auf Frauen wirkt ein großer Druck, vor 30 Karriere zu
machen, danach wird erwartet, dass man ein Kind bekommt.
Von der Sterilisation zu erzählen, war für mich wie eine Art Coming-out.
Anfangs hatte ich Sorgen, wie meine Freund:innen und Familie reagieren
würden. Im Gespräch mit einer Freundin habe ich, ohne es zu merken,
angefangen mich zu rechtfertigen. Sie hat mich gestoppt und mir gesagt,
dass ich niemandem eine Erklärung schuldig bin. Besonders schwer ist es mir
gefallen, meinem Vater von der Sterilisation zu erzählen. Ich hatte Angst,
ihn zu enttäuschen, weil er, glaube ich, gerne Enkelkinder hätte. Als ich
ihn ein paar Tage vor der OP eingeweiht habe, hat er wunderbar reagiert und
mich unterstützt. Wenn heute Leute auf Social Media dumme Kommentare
machen, hält er immer dagegen. Ich hatte großes Glück, niemand hat komisch
reagiert. Aber das ist nicht selbstverständlich. In unserer Gesellschaft
ist es immer noch sehr verpönt, wenn Frauen keine Kinder bekommen wollen.
Häh? Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum
machen Leute das? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie eine Gruppe Menschen
besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage an
[1][[email protected]].
18 Dec 2022
## LINKS
[1] /[email protected]
## AUTOREN
Sophie Fichtner
## TAGS
Zukunft
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Sex
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