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# taz.de -- Die Verständnisfrage: Mit 70 hat man noch Träume
> Es werden immer nur junge Menschen gefragt, wie sie in die Zukunft
> blicken, findet unsere Leserin. Deshalb antwortet hier ein Rentner.
Bild: Das Segeln noch eine Weile genießen
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
Person, die antwortet.
Margarete Knauß, 61, dreifache Mutter aus Tübingen fragt:
Liebe Menschen über 70, wie blickt ihr eigentlich in die Zukunft?
***
Michael Heise, 72, Rentner aus Hattingen an der Ruhr antwortet:
Wenn ich an die Zukunft denke, kommen mir als Erstes meine Kinder und
Enkelkinder in den Sinn. Ich blicke aber auch auf mein eigenes Leben zurück
und auf die Umweltsünden, die meine Generation begangen hat, wie sich im
Nachhinein herausstellte. Es gibt sicherlich Menschen, denen diese
Umweltsünden bereits früh bewusst waren. Aber eben auch solche, denen das
lange nicht klar war.
Ich engagiere mich nicht in Umweltorganisationen, sondern auf sozialer
Ebene. Ich habe soziale Arbeit studiert und bin darüber zum Landessportbund
gekommen. Sport ist ein hervorragendes Medium für soziale Arbeit. Seit ich
in Rente bin, engagiere ich mich ehrenamtlich im Stadtsportverband und im
Kreissportbund. Ich bin in Zeiten der Industrialisierung und des
Wirtschaftswunders aufgewachsen. Ich habe die Sorge, dass meine Kinder und
Enkelkinder nicht mehr so leben können, wie ich das noch durfte. Damit
meine ich das Leben in einer sozial abgesicherten Situation und einer
intakten Natur.
Denn der Umgang mit der Umwelt [1][fällt uns heute auf die Füße]. Wir leben
aber auch in Zeiten eines Krieges in der Nachbarschaft. Der russische
Angriffskrieg auf die Ukraine [2][macht mir Angst]. Die Sorge um den
möglichen Einsatz von Atomraketen etwa, wegen denen wir damals schon auf
die Straße gegangen sind. Ich habe die Sorge, dass irgendein Idiot doch auf
den Knopf drückt. Oder dass sich der Krieg in unsere Richtung hin
ausweitet. Ich hoffe sehr, dass das nicht geschieht. Wir hatten bereits
diverse Kriege um uns herum, wie im damaligen Jugoslawien. Wir haben seit
dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland in Frieden gelebt. Darüber können wir
froh sein. Ich bin sehr dankbar, dass wir die Europäische Union haben. Bei
all den Problemen untereinander, glaube ich, dass uns das trotzdem
weiterbringt.
Wenn ich mich mit meiner persönlichen Zukunft beschäftige, dann schätze ich
mich glücklich, dass ich 72 Jahre alt bin und tolle Kinder habe. Ich hoffe,
dass ich noch lange gesund sein werde. Ich möchte nicht krank oder
pflegebedürftig werden und anderen zur Last fallen. Zum Glück geht es mir
durch meinen Beruf besser als vielen anderen. Für mich selbst habe ich noch
ein großes Projekt mit meiner Lebensgefährtin. Wir möchten ein Fachwerkhaus
kaufen und das Haus möglichst mit Naturmaterialien nachhaltig ausbauen.
Solange ich noch gesund bin, ist das ein schönes Ziel. Außerdem habe ich
ein Segelschiffchen in Holland. Ich möchte das Segeln noch eine Weile
genießen. Ich habe gut gelebt. Ich habe nicht die Sorge, dass ich meine
Heizung nicht mehr bezahlen kann. Was soll ich sagen? Sorgen, wenn die Welt
in Schieflage gerät, mache ich mir um andere. Ich selbst bin schon alt
genug.
Natürlich denke ich bei Zukunft auch an das Ende des Lebens. Ich habe da
eigentlich aber keine Angst vor. Dass ich keine Angst habe, heißt aber
nicht, dass mir alles egal ist. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass die
Jugend auf die Straße geht. Ich verstehe, dass ihr darum kämpft, die
Erderwärmung in den Griff zu bekommen. Damit ihr überhaupt eine Zukunft
habt.
Mir ist es wichtig, meine Kinder und Enkelkinder noch lange zu begleiten.
Das ist mein größter Wunsch.
Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum, um alles
in der Welt, sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie
eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage
an [3][[email protected]].
12 Dec 2022
## LINKS
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[3] /[email protected]
## AUTOREN
Enno Schöningh
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Schwerpunkt Klimawandel
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Rentner
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