# taz.de -- Alpiner Skisport: Schneekanonenfeuer frei! | |
> Die Vorbereitung auf eine alpine Ski-Saison wird immer aufwendiger. Das | |
> Training auf Gletschern überall auf der Welt ist Standard – trotz | |
> Klimakrise. | |
Bild: Winter in der Mache: Schneekanone am Gudiberg in Garmisch-Partenkirchen | |
München taz | Martina Ertl hat einen guten Blick von ihrem Haus in | |
Lenggries auf die Skipiste. Dort, auf dem Weltcup-Hang [1][am Brauneck], | |
war früher um diese Jahreszeit meistens bereits reichlich Schnee gelegen, | |
genug, um Ski zu fahren. Es war kein künstliches Weiß, produziert aus | |
Beschneiungslangen, sondern Naturschnee. Jetzt ist der Hang, wo einst die | |
Basis für die erfolgreiche Skikarriere von Ertl gelegt worden war, gerade | |
einmal ein wenig überzuckert. Und an Kunstschnee ist noch nicht zu denken: | |
Zu warm. „Natürlich hat es sich etwas verändert“, sagt sie. | |
Tochter Romy, 15, und Sohn Luis, 13, sind in ihre Fußstapfen getreten, auch | |
sie wollen in den Weltcup. Aber der Aufwand, der nötig ist, der zeitliche | |
und der finanzielle, um eine Chance zu haben, dieses Ziel zu erreichen, ist | |
größer geworden. Das liegt zum einen natürlich am Klimawandel und nun auch | |
an den hohen Energiekosten. | |
Nicht mehr jede Gemeinde wird es sich leisten können, leisten wollen, im | |
bisherigen Umfang die Beschneiungsanlagen laufen zu lassen. Lenggries wird | |
es trotzdem tun und auch die Flutlichtanlage in Betrieb nehmen, wenngleich | |
eingeschränkt. Für den Nachwuchs des örtlichen Skiclubs bedeutet das, dass | |
dann Trainingsgruppen zusammengeschlossen werden. | |
Aber es liegt eben auch daran, dass bereits im Nachwuchs vieles | |
professionalisiert wurde. Martina Ertl hatte einst in den Weihnachtsferien | |
erst richtig mit dem Schneetraining begonnen, ehe dann im Januar die ersten | |
Wettkämpfe waren. Ihre Tochter, die vor dem Sprung in einen Nachwuchskader | |
des Deutschen Skiverbandes steht, ist seit Anfang November fast jedes | |
Wochenende unterwegs, meist auf den Gletschern in Österreich. | |
## Frühes Schneetraining | |
„Es beginnt in allen Nationen alles früher und wird sehr viel intensiver | |
betrieben“, sagt Martina Ertl. Die Trainer, die Verantwortlichen des SC | |
Lenggries seien zwar darauf bedacht, aus Rücksicht auf die Umwelt und die | |
Kosten nicht zu viel, nicht zu weit zu reisen, „aber wenn man auch in der | |
Zukunft konkurrenzfähig sein will“, sei es unerlässlich, schon im Herbst | |
mit regelmäßigem Skitraining zu beginnen. | |
Noch früher steigen die Weltcupmannschaften ein. Trainingslager im Sommer | |
in Südamerika oder Neuseeland sind die Regel, auch weil die Gletscher in | |
Europa schmelzen und geschlossen werden müssen. Der Österreichische | |
Skiverband denkt wegen der fehlenden Trainingsmöglichkeiten im Sommer in | |
Mitteleuropa darüber nach, Skihallen zu bauen. Ohne die, sagt | |
Männer-Cheftrainer Marko Pfeifer, „werden wir Riesenprobleme bekommen“. | |
Der Zwang, sich ins Flugzeug zu setzen und um die halbe Erdkugel zu | |
fliegen, wird noch größer werden, wenn der Präsident des Internationalen | |
Skiverbandes, Johan Eliasch, auf seiner Idee beharrt, [2][bereits ab Ende | |
Oktober jedes Wochenende Weltcuprennen zu veranstalten], statt wie bis zur | |
vergangenen Saison üblich nach dem Auftakt in Sölden zwei oder drei Wochen | |
zu pausieren. Die Quittung für seine Pläne wider jede Vernunft bekam | |
Eliasch in dieser Saison: Von den ersten acht Rennen fielen sieben aus. | |
In Garmisch-Partenkirchen wartet man auf die ersten sehr kalten Nächte, um | |
die Trainingsstrecken auf der Kandahar und am Gudiberg zu präparieren – mit | |
Kunstschnee. „Skisport ist nicht mehr möglich ohne Beschneiung“, sagt | |
Markus Anwander, Leiter des Olympiastützpunktes in Garmisch-Partenkirchen. | |
Weder im Weltcup noch auf den Touristenpisten. „Der Schnee muss mehr | |
aushalten als früher, wegen des Materials und der höheren Anzahl von | |
Skifahrern. Und Kunstschnee ist einfach kompakter als natürlicher Schnee“, | |
sagt Anwander. | |
Dass dies irgendwann nicht mehr zu finanzieren sein wird angesichts der | |
hohen Energiekosten, sieht er nicht. „Das ist im Vergleich nicht | |
exorbitant“, sagt Anwander. Rund 100.000 Euro kostet die Beschneiung des | |
Gudibergs und ist damit deutlich günstiger als der Betrieb der Eishalle am | |
Ort. Und der Skisport ist für Garmisch-Partenkirchen zum einen ein | |
wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zum anderen, findet Anwander, habe die | |
Gesellschaft die Verantwortung Kindern gegenüber, „dafür zu sorgen, dass | |
sie sich bewegen und Sport treiben“. Und er ist sicher: „Der Klimawandel | |
wird den Winter in den nächsten Jahren nicht lahmlegen.“ | |
4 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Skifahren-in-den-bayerischen-Alpen/!5482669 | |
[2] /Konflikte-im-internationalen-Skisport/!5887036 | |
## AUTOREN | |
Elisabeth Schlammerl | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Boykott Katar | |
Wintersport | |
Ski Alpin | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
GNS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Sölden | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Wintersport | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zukunft des Skiports: Plan B für die Freiheit | |
Der Winter liefert absurde Bilder von Kunstschneepisten. Wintersportorte | |
setzen weiter auf technische Beschneiung – trotz Alternativen. | |
Zukunft der Vierschanzentournee: Dasselbe in Grün | |
Die Vierschanzentournee beginnt. Nur: Ist sie ohne Schnee möglich? | |
Klimawandel und Energiekosten fordern den Skisport zu neuen Debatten | |
heraus. | |
Konflikte im internationalen Skisport: Planen gegen die Natur | |
Beim Weltcup-Auftakt in Sölden gibt es Kritik am Internationalen | |
Skiverband. Es geht um den Rennkalender in Zeiten des Klimawandels – und | |
TV-Rechte. | |
Ski fahren in Zeiten des Klimawandels: Die letzte Abfahrt | |
Unser Autor stand schon als Kind auf Skiern. Irgendwann empfand er statt | |
Skispaß nur noch Skischam – wegen der Umwelt. Ein Abschied von der Piste. | |
Skifahren in den bayerischen Alpen: Die Münchener Hausberge | |
Die Anreise ist nur kurz. Von München aus sind die Wintersportgebiete | |
Spitzing, Brauneck und Sudelfeld bequem und schnell erreichbar. |