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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Heiter mit Blasmusik
> Matevž Luzars „Orkester“ begleitet eine slowenische Blasmusiktruppe nach
> Österreich und zeigt die Tournee als Ausnahmesituation schlechthin.
Bild: Szene aus „Orkester“ (Regie: Matevž Luzar, Slowenien 2021)
Schlecht gelaunt ranzt Rajko seinen Assistenten an, als der Gepäck und
Instrumente in den Laderaum des Busses stapelt. „Man braucht ein System,
sonst… verdammte Scheiße.“ Später, am Steuer, erzählt er schmallippig,
warum er mit einem neuen Begleiter unterwegs ist.
Sein ehemaliger Kollege wurde angetrunken am Steuer erwischt. Der Alkohol
lag nur knapp über dem Grenzwert, aber das hat gereicht, um den Kollegen
fünf Jahre vor der Rente den Job zu kosten. Seine Arbeit zu verlieren, kann
sich Rajko nicht erlauben.
Die Tochter ist kurz vor dem Ende des Studiums und überdies schwanger und
das Geld ist ohnehin knapp. Rajko und sein junger Assistent fahren mit
ihrem Bus eine trinkfreudige Blasmusikgruppe aus dem slowenischen Zagorje
ob Savi auf Tournee nach Österreich.
Das Kino Krokodil zeigt kommenden Mittwoch Matevž Luzars „Orkester“ zum
Ende des Kinojahres als Berlin-Premiere. Der Film ist der slowenische
Beitrag zum diesjährigen Oscar für den besten nicht-amerikanischen Film.
Kaum legt der Bus den ersten Halt ein, wird mit den belegten Brötchen auch
der Alkohol ausgepackt, abends an der ersten Station in Österreich, einem
Gasthof, wechseln sich Bier und Schnaps ab. Die Tage sind in Luzars Film
durch den Wechsel zwischen mobilem Trinken auf den Busfahrten und
stationärem Trinken am Abend strukturiert.
Der Film selbst konzentriert sich kapitelweise auf einzelne
Personengruppen. Den Anfang bilden die beiden ungleichen Busfahrer, später
folgt die Frau eines der Musiker, die in Slowenien geblieben ist, dann die
wenigen jüngeren unter den Musikern.
„Orkester“ ist eine präzise Milieustudie. Das scheinbar nüchtern
Beobachtende der Schwarzweißbilder sorgt für Reibungsfläche zur
inszenierten Skurrilität der Handlung. Das Verhalten auf den Tourneen ist
dem Regisseur gut vertraut, der wie viele in seiner Familie früher selbst
als Musiker unterwegs war.
Die größte Stärke des Films aber bleibt, dass Luzar sich nie über seine
Figuren lustig macht. Der Humor seines Films speist sich aus der Tournee
als soziale und emotionale Ausnahmesituation, in der sich eine Gruppe
selbst organisieren muss.
Das Kinojahr 2022 bot im osteuropäischen Kino wenig Anlass zum Lachen. Wie
viele andere suchten auch die Macher_innen des Krokodil nach einem Umgang
mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Mit „Orkester“ klingt
das Kinojahr nun dennoch auch im Krokodil auf einer zwinkernden Note aus.
Möge es im nächsten Jahr wieder mehr Anlass zu Heiterkeit geben.
14 Dec 2022
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
taz Plan
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Schwerpunkt Rassismus
Türkei
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