# taz.de -- Kinotipp der Woche: Endlose Gänge | |
> Das Festival Unknown Pleasures zeigt wieder Kleinode des unabhängigen | |
> US-Kinos. Darunter Filme von Michael Roemer, Kit Zauhar und Ayoka | |
> Chenzira. | |
Bild: Läuft am 10. 1.: „Actual People“ (R: Kit Zauhar, USA 2021) | |
Die junge Riley steht kurz vor dem Abschluss ihres Philosophiestudiums in | |
New York und plötzlich neigt sich alles, was ihr bisheriges Leben | |
ausgemacht hat, dem Ende zu. Es dräut die Frage, was danach passieren soll. | |
Zugleich droht sie, auf den letzten Metern durch die Prüfungen zu fallen. | |
Riley flüchtet sich in One-Night-Stands und Schübe von selbstdestruktivem | |
Verhalten. | |
„Actual People“, das Debüt von Regisseurin Kit Zauhar, zeigt eine junge | |
Frau in der Krise. Zauhars Film macht sichtbar wie hart der Einschnitt für | |
viele junge Menschen in den USA nach dem Ende des Collegesystems ist, der | |
zugleich als Eintritt in das Leben als Erwachsener überhöht wird. | |
Zauhars Film läuft Anfang Januar im Rahmen des Festivals „Unknown | |
Pleasures“, das jedes Jahr aufs Neue Kleinode des unabhängigen US-Kinos | |
präsentiert. Über die Jahre ist Festivalmacher Hannes Brühwiler mit seiner | |
Auswahl zu einer festen Instanz des Berliner Kinobetriebs geworden. | |
Die Auswahl aktueller Filme wird stets ergänzt durch eine Hommage an eine_n | |
Regisseur_in. In diesem Jahr ist diese dem in Berlin geborenen US-Regisseur | |
Michael Roemer gewidmet. Roemer konnte 1939 mit elf Jahren mit einem der | |
Kindertransporte aus Deutschland fliehen. | |
1945 emigrierte er in die USA und realisierte in den 1960er und 1970er | |
Jahre ein schmales Filmwerk, das zunächst wenig Anklang fand, in den 1990er | |
Jahren jedoch mit viel Aufmerksamkeit wiederentdeckt wurde. Eröffnet wird | |
das Festival mit einer anderen Wiederentdeckung, Ayoka Chenziras unlängst | |
restauriertem Film „Alma’s Rainbow“ von 1993 über drei Frauen in Brookly… | |
Die Gänge, durch die der Mann vom Sicherheitsdienst mit seinem Hund geht, | |
scheinen endlos. Rhythmisch klackern die Krallen des Hundes auf dem | |
gefliesten Boden. Aus dem Funkgerät klingen Funksprüche auf Französisch. | |
Auf einer Intensivstation klagt eine Ärztin über die Zustände im | |
französischen Gesundheitssystem. | |
Die beiden visuellen Anthropolog_innen Lucien Castaing-Taylor und Veréna | |
Paravel sind seit ihrem Erfolgsdokumentarfilm „Leviathan“ ein Duo. In ihrem | |
aktuellen Film „De humani corporis fabrica“ dokumentieren sie den | |
medizinischen Umgang mit menschlichen Körpern, zeigen mit endoskopischen | |
Kameras medizinische Eingriffe, greifen Ultraschallbilder und | |
Computertomographen auf, aber zeigen auch Patient_innen in Krankenhäusern | |
rund um Paris. | |
Der Programmtext vermerkt zu dem Film: „‚De humani corporis fabrica‘ ist | |
ein blutiger Film, in dem jedoch immer wieder Humor durchblickt: Wenn die | |
Belegschaft feiert, dann läuft natürlich der Song ‚I will survive‘“. | |
Shatara Michelle Fords „Test Pattern“ kreist um Sozialisierungen und | |
alltäglichen Rassismus. Die Schwarze Renesha Bell wird von Evan, einem | |
weißen Mann, nach ihrer Nummer gefragt. Die beiden beginnen sich zu | |
treffen, verlieben sich. Wenig später wird Renesha Opfer eines sexuellen | |
Übergriffs. | |
Am nächsten Tag drängt Evan sie, ins Krankenhaus zu fahren. Doch der | |
Versuch in Texas an ein Rape Kit zu kommen, führt von einem gleichgültigen, | |
strukturell rassistischen Krankenhaus zum nächsten. Auch der Umgang von | |
Renesha und Evan mit der Situation verweist auf deren unterschiedliche | |
Alltagserfahrung und ihre Sozialisation. | |
Wie in jeder der zwölf vorangegangenen Ausgaben macht auch die aktuelle | |
eine Filmproduktion aus den USA sichtbar, die es nur selten auf die | |
deutschen Leinwände schafft. Jede der Vorführungen des Festivals ist eine | |
Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte. | |
28 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Fabian Tietke | |
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