| # taz.de -- Kinoempfehlungen für Berlin: Alles vollkommen unverständlich | |
| > Das Zeughauskino zeigt die historische Selbstdarstellung deutscher | |
| > Energiewirtschft. Der Filmrauschpalast macht eine Reise durch das | |
| > japanische Kino. | |
| Bild: „Branded to Kill“ (1967), Regie: Seijun Suzuki | |
| Erinnert sich noch jemand an Industriefilme? Jene als Dokumentarfilme | |
| „getarnten“ Werbe- und Imagefilme, die man bis in die 1970er Jahre hinein | |
| bei vielen Kinovorstellungen noch gratis dazu bekam? Damals waren die | |
| „besten“ Zeiten dieser Art von Film allerdings schon vorbei, das | |
| funktionierte alles deutlich besser, als der Fortschrittsglaube noch | |
| einigermaßen ungebrochen und das Kino als Informationsträger deutlich | |
| wichtiger war. | |
| Was uns nunmehr zum Programm „Wasserkraft und Naturschutz“ [1][im | |
| Zeughauskino führt], das sechs Industriefilme aus der Zeit von 1926 | |
| („Kleine Ursachen – große Wirkung“) bis 1957 („Strom aus dem Schwarzwa… | |
| versammelt und damit einen kleinen Abriss über die Selbstdarstellung der | |
| Energiewirtschaft in (West-)Deutschland gibt. | |
| Dabei geht es vor allem darum aufzuzeigen, dass der Industrie auch damals | |
| bereits die Kritik von Umweltschützern zu schaffen machte, der man mit der | |
| Einbindung von Experten in die Gegenargumentation entsprechend zu begegnen | |
| hoffte (16. 12., 19 Uhr, 17. 12., 20 Uhr, [2][Zeughauskino]). | |
| Das Jahresende naht, da sollte man sich an der Falschschreibung nicht | |
| stören und sich unbedingt Lupu Picks stummes Kammerspiel „Sylvester. | |
| Tragödie einer Nacht“ aus dem Jahr 1924 ansehen. Die Geschichte einer | |
| massiven Auseinandersetzung zwischen der Mutter und der Ehefrau eines | |
| Mannes, die titelgerecht in einer Tragödie endet, erschien den Zeitgenossen | |
| unter anderem deshalb bedeutend, weil der Film ohne Zwischentitel auskam | |
| und die Filmemacher mit einer für die Zeit erstaunlich beweglichen Kamera | |
| operiert hatten. | |
| Und es wurde auch noch ein Aspekt hervorgehoben, den wir heutzutage wohl | |
| eher übersehen würden: Kameramann Guido Seeber, der hier für die | |
| Außenaufnahmen zuständig war, wurde dafür gefeiert, dass er auf Helgoland | |
| Aufnahmen des Mondes machte, „wie er langsam am Himmel dahinzieht“. | |
| Das zumindest vermerkte ein Dr. K.W. in der Süddeutschen Filmzeitung und | |
| schloss einen längeren Artikel darüber an, warum das mit der damaligen | |
| Filmtechnik gar nicht so einfach war und wie der Tüftler Seeber die | |
| Probleme gelöst hatte. | |
| An dieser Stelle würde das alles ein wenig zu weit führen, aber schön, dass | |
| es mal jemand gewürdigt hat. Der Film wurde 2020 digital rekonstruiert und | |
| restauriert, die Filmrestauratorin Julia Wallmüller von der Deutschen | |
| Kinemathek hält eine Einführung (19. 12., 19 Uhr, [3][Kino Arsenal]). | |
| Das sechste Programm einer „Reise durch das japanische Kino“ bietet der | |
| Filmrauschpalast, wo man nunmehr beim Regisseur Seijun Suzuki angekommen | |
| ist. Der war seit 1956 beim Nikkatsu-Studio beschäftigt, wo er ziemlich | |
| bizarre Filme drehte, in denen er die Mechanismen der Genres, die dort | |
| sonst standardmäßig bedient wurden, regelmäßig dekonstruierte. | |
| Suzukis surreale Filme sind dabei von einem einzigartigen Stilwillen | |
| geprägt, in dem sowohl harsche Schwarzweiß-Kontraste als auch geradezu | |
| Pop-artig explodierende Farben Platz haben – wie etwa in der bizarren | |
| Gangsterballade „Tokyo Drifter“ (1966), wo die Bars schon aus Prinzip alle | |
| rosa sind. | |
| Das Studio warf Suzuki schließlich hinaus, weil man seine Filme völlig | |
| unverständlich fand, doch sein Rausschmeißer „Branded to Kill“ (1967) ist | |
| ein weiterer Höhepunkt: Im schwarzweißen Breitwandformat erzählt Suzuki | |
| eine Geschichte um den Killer Nummer 3 des Syndikats, die nach dem | |
| Scheitern eines Auftrags immer weiter in Richtung eines | |
| absurd-halluzinatorischen Duells mit dem Nummer-1-Killer driftet (18. 12., | |
| 19 Uhr (Tokyo Drifter), 21 Uhr (Branded to Kill), [4][Filmrauschpalast | |
| Moabit]). | |
| 15 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.dhm.de/zeughauskino/vorfuehrung/wasserkraft-und-naturschutz-898… | |
| [2] https://www.dhm.de/zeughauskino/vorfuehrung/wasserkraft-und-naturschutz-898… | |
| [3] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmvorfuehrung/sylvester-tragoedie-eine… | |
| [4] https://www.filmrausch.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Lars Penning | |
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