# taz.de -- Kinotipp der Woche: Die Mutter aller Romcoms | |
> Die Sonderausgabe der „Magical History Tour“ im Kino Arsenal zeigt acht | |
> der einflussreichsten Meisterwerke der Filmhistorie. | |
Bild: Szene aus „Rendevouz nach Ladenschluss“ (1940) vom Komödienmeister E… | |
Immer, wenn sich das Jahr zu Ende neigt und sich diese diffuse | |
vorweihnachtliche Stimmung ausbreitet, passt sich auch das Filmangebot der | |
Adventsgemütlichkeit an. Die berüchtigten Weihnachtsfilme, von denen nur | |
ein Bruchteil wirklich erträglich ist, werden im Fernsehen rauf und runter | |
gesendet. Und statistische Erhebungen würden wahrscheinlich ergeben, dass | |
in dieser Zeit überproportional viele Romcoms wegkonsumiert werden. | |
Sogar das Arsenal, Berlins oberste Instanz des Arthouse-Films passt sich da | |
auf seine Weise an. Anderswo läuft „Der kleine Lord“ und „Drei Nüsse f�… | |
Aschenbrödel“, in einer „Special Edition“ seiner „Magical History | |
Tour“-Reihe quer durch die Filmgeschichte zeigt das Arsenal vom 8. bis zum | |
30. Dezember weitere zum Großteil alte Schinken und Klassiker, die man | |
vielleicht schon tausendmal gesehen hat und die einen trotzdem immer wieder | |
aufs Neue erfreuen. | |
Zum Start beispielsweise „Leoparden küsst man nicht“ von Howard Hawks, | |
diese Screwball-Komödie par excellence mit einem zerstreuten Professor und | |
einem enfant terrible als liebenswerter Gegenspielerin und jeder Menge | |
Chaos, das die beiden anrichten. | |
Dass der Film beinahe 85 Jahre auf dem Buckel hat, merkt man ihm wirklich | |
nicht an. Er ist so rasant und zeitlos lustig, dass man ihn immer noch als | |
Maßstab für jede aktuelle Komödie heranziehen könnte. Der Film war damals | |
ein kommerzieller Flop, wahrscheinlich war er einfach zu frech und | |
durchgeknallt für seine Zeit. Heute gilt er als ein Glanzstück Hollywoods, | |
in dem Katharine Hepburn und Cary Grant zeigen können, warum sie | |
unvergessen sind. | |
Das Schöne an der Sonderausgabe der „Magical History Tour“ ist, dass jeder | |
einzelne der gezeigten acht Filme in der ewigen Hitliste der tollsten, | |
einflussreichsten und unsterblichen Meisterwerke der Filmhistorie ziemlich | |
weit oben landet. Wer mag, kann hier auch eventuell vorhandene Lücken beim | |
Abarbeiten des Filmkunstkanons schließen. | |
Marcel Carnés „Kinder des Olymp“ von 1945 ist mit dabei, genau wie „Die | |
Verachtung“ von Jean-Luc Godard und „A Touch of Zen“ (1971) von Xia Nu. W… | |
es sich für echte Schinken gehört, haben sie oft Überlänge und bieten Stars | |
von Gene Kelly bis Brigitte Bardot auf, die längst Ikonen geworden sind. | |
Dass man im Arsenal beim Kuratieren des vor- und nachweihnachtlichen | |
Filmprogramms mit einem Gespür für den Bedarf an entsprechender | |
Wohlfühlstimmung seitens des Publikums vorgegangen ist, zeigt sich an einem | |
Film ganz besonders. Am 23. Dezember, also einen Tag vor Heiligabend, wird | |
einer dieser besagten wenigen Weihnachtsfilme gezeigt, die man sich nicht | |
bloß getrost ansehen kann, sondern die auch ganz unabhängig von Tannenbaum | |
und Lametta einfach perfekt sind. | |
„Rendevouz nach Ladenschluss“ (1940) von Komödienmeister Ernst Lubitsch ist | |
vielleicht die Mutter aller Romcoms und fährt wirklich alles auf, was das | |
Genre zu bieten hat. Zwei sehnen sich nach der großen Liebe und merken gar | |
nicht, dass sie, um diese zu finden, sich eigentlich einfach bloß mal | |
umschauen müssten. | |
Als Zuschauer weiß man eh längst Bescheid und wird langsam ganz verrückt, | |
wenn man den beiden Leinwandfiguren dabei zusieht, wie sie ihr auf dem | |
Silbertablett dargereichtes Glück einfach nicht finden wollen. | |
Am Ende und das ist ausnahmsweise kein Spoiler, sondern bloß logisch bei | |
dieser Art von Film, gibt es ein Happy End, das sich gewaschen hat. Am | |
Weihnachtsabend. Es ist so kitschig und schön und irgendwie tatsächlich | |
magical. | |
7 Dec 2022 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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