| # taz.de -- Campus-Grün-Mitglied über Auflösung: „Wir wollen ein Signal se… | |
| > Die Hamburger Hochschulgruppe Campus Grün löst sich auf. Weil sie keinen | |
| > Sinn mehr in Hochschulpolitik erkennt, wie Mitglied Felix Steins erklärt. | |
| Bild: Politisches Interesse bleibt kurzfristig: Wenige kamen zur Kundgebung wä… | |
| taz: Herr Steins, warum löst sich Campus Grün Hamburg auf? | |
| Felix Steins: Weil die Form institutionalisierter Hochschulpolitik, wie | |
| auch wir sie machten, an den Studierenden vorbeigeht. Es ist ein | |
| Politikspektakel, das inhaltliche Auseinandersetzung vorgibt, in dem es | |
| sich aber eigentlich darum dreht, Ämter zu vergeben und die Macht einzelner | |
| Gruppen zu erhalten. Weniger geht es dabei um [1][bewegungsorientierte | |
| Politik mit den Studierenden]. | |
| Darum lösen Sie gleich die ganze Hochschulgruppe auf? | |
| Damit wollen wir [2][ein Signal setzen]. Man kann Organisationsdebatten | |
| führen und zu dem Schluss kommen, es ist sinnvoller, Politik auf anderen | |
| Ebenen zu betreiben als in Hochschulgremien. Wir haben gelernt, dass das | |
| für uns keine Zukunft hat. Indem wir es öffentlich machen, geben wir auch | |
| anderen die Chance, dies zu reflektieren. | |
| Also raten Sie ab, morgen eine neue grüne Hochschulgruppe zu gründen? | |
| Ja. Die Einreichungsfristen für die aktuellen studentischen Wahlen sind | |
| gerade sowieso abgelaufen. Wir wollten, dass unser Bruch auch auf dem | |
| Wahlzettel sichtbar wird, um auf die Probleme hinzuweisen. | |
| Ihre Gruppe Campus Grün stellte zuletzt 2018 den Asta. Wie lief das so? | |
| Es gibt ja zwei Bereiche. Die Beratungsarbeit für Studierende und die | |
| direkte politische Arbeit. Wir merkten damals schon, dass unsere | |
| stadtpolitischen Kampagnen wie die zur Verhinderung des G20-Gipfels nicht | |
| in der Lage waren, Studierende zu mobilisieren. | |
| Zu abgehoben für Studierende? | |
| Na ja, viele von uns waren damals neu in der Politik und kamen in Kontakt | |
| mit der Idee von Studierenden als „revolutionärem Subjekt“. Aber späteste… | |
| da wurde deutlich, dass das nicht real ist. Die Studierenden sind zwar | |
| politisch interessiert. Im Kapitalismus zu studieren, bedeutet für die | |
| Leute aber auch, die eigene Prekarität nur als vorübergehend zu betrachten, | |
| die Nähe zur Linken wird dadurch auch eher als vorübergehende Nähe zur | |
| Subkultur empfunden. | |
| Studium ist nur Durchlaufsituation? | |
| Ja. Studierende haben nicht das Interesse, sich langfristig um politische | |
| Fragen zu organisieren. Es gibt die kurzfristige Beteiligung mal an einer | |
| Demonstration oder ein Gespräch, um dann durch die Fluktuation schnell | |
| wieder zu verschwinden. | |
| Sie schrieben [3][zur Auflösung ein Papier]. Die Gruppe SDS | |
| (Sozialistischer Demokratischer Studierendenverband) hat Sie beeindruckt? | |
| Warum? | |
| Die hatten Strategien, um politische Prozesse zu führen und | |
| Machtverhältnisse einzuschätzen. Sodass man nicht idealistisch anhand | |
| irgendwelcher Forderungen Politik betreibt, sondern überprüft: Okay, was | |
| sind die Ansprechpartner, wie kann man einen Konflikt sinnvoll führen und | |
| welche Konflikte sind überhaupt wie sinnvoll? Das kannten wir aus der | |
| grünen Hochschulpolitik so nicht. Die lebten auch ein solidarisches | |
| Zusammenleben vor. Das war für viele von uns neu. Dass man sich zusammen | |
| den Kopf zerbricht über politische Fragen. | |
| Dieser SDS bildete ja zusammen mit der Gruppe ‚Harte Zeiten‘ und ‚Liste | |
| links‘ das ‚Bündnis für Aufklärung und Emanzipation‘, kurz BAE. | |
| Genau. | |
| Und an deren Auftreten gab es harte Kritik. Teilten Sie die? | |
| Wir kennen die selbstverständlich. Diese Kritik schwebte immer über der | |
| Hamburger Hochschulpolitik, weil diese Gruppe eine Hamburgensie ist, die | |
| fast seit der studentischen Protestbewegung aus den 1968ern existiert. Es | |
| gab immer schon Kritik-Papiere an denen. Aber die waren selten solidarisch. | |
| Da wurde Kritik geübt, um sich zu profilieren oder andere zu vernichten, | |
| aber nicht, um zu verstehen, warum eine Gruppe so handelt und was man daran | |
| ablehnt. | |
| Aber Sie schreiben selbst, das Verhalten dieser Gruppen sei übergriffig? | |
| Weil eine Gruppe sich als Avantgarde sah, als diejenige, die den Auftrag | |
| hat, andere mit ihrem Optimismus anzustecken, hatte das häufig die Form von | |
| Gesprächskampagnen, die für manche Personen übergriffig sein können. | |
| Was ist eine ‚Gesprächskampagne‘? | |
| Man wird in eine Diskussion hineingenötigt, die man vielleicht gar nicht | |
| führen wollte, die aber von der anderen Seite als Teil eines politischen | |
| Prozesses betrachtet wird, der notwendig sei. | |
| Spielt bei den Schwierigkeiten eine Rolle, dass diese Akteure älter sind? | |
| Keine wesentliche. Auch die jüngeren BAE-Aktiven verlieren nach kurzer Zeit | |
| den Bezug zur Lebensrealität der meisten Studierenden. Das ist nötig, um | |
| die Hoffnung auf ein studentisches „revolutionäres Subjekt“ erhalten zu | |
| können. | |
| Sie schreiben, es gab 2017 im Studierendenparlament ein ‚Anti-BAE-Bündnis‘. | |
| Was wollten die? | |
| Da hatten von der CDU-Hochschulgruppe bis zu den bewegungslinken ‚Unicorns‘ | |
| viele Gruppen ein Bündnis geschmiedet, um einen Asta zu bilden, dessen | |
| Gründungsmythos darin bestand, zu behaupten, man könnte die | |
| BAE-Hochschulaktiven aus der Hochschulpolitik verbannen. | |
| Campus Grün machte da nicht mit? | |
| Nein. Wir haben zwar auch eine Kritik an der Politik des BAE entwickelt. | |
| Aber man muss auch fragen, was ist denn besser an anderer Aktionspolitik? | |
| Dieses Anti-Bündnis hat das auf eine reaktionäre Weise verarbeitet. Es | |
| entstand ein Anti-BAE-Asta, der kaum konstruktive Ziele verfolgte. | |
| Sie schreiben von einem ‚unappetitlichen Antikommunismus‘. | |
| Ja. Es werden antikommunistische Klischees bedient und gesagt: Ja, das sind | |
| hier die Altlinken, die Leute manipulieren und an marxistischen Dogmen | |
| festhalten, die bösen Kommunisten. | |
| Saßen Sie zwischen den Stühlen? | |
| Ja. Wir konnten diese Widersprüche nicht auflösen. Beide Seiten definieren | |
| sich sehr stark durch die Abgrenzung voneinander. In so einer Situation | |
| werden ambivalente Positionen an den Rand gedrängt. | |
| Standen Sie im Austausch mit der grünen Partei? Haben Sie sich mit denen | |
| beraten? | |
| Campus Grün ist kein Organ der grünen Partei. Es gab aber immer Austausch | |
| und Kontakte. Und es ist auch kein Geheimnis, dass ehemalige Campus- Grüne | |
| heute für die Partei aktiv sind. | |
| Ihnen war der Name ‚Campus Grün‘ auch peinlich? | |
| Die Grünen in Hamburg verantworten als Regierungspartei eine Politik, die | |
| die Studierendenschaft als liberal bis konservativ erlebt. Da ist es als | |
| grüne Gruppe nicht einfach, linke Politik zu machen. | |
| Sie schreiben gar vom eigenen ‚kommunistischen Begehren‘. | |
| Campus Grün ist nicht als kommunistische Gruppe gestartet. Aber wir sind | |
| nach Jahren der Befassung mit verschiedenen linken politischen Philosophien | |
| überzeugt, dass die Grundidee die richtige ist. Das Ziel ist die befreite | |
| Gesellschaft, in der das Zusammenleben nach den Bedürfnissen, den | |
| Fähigkeiten der Menschen und aller Lebewesen organisiert ist. Politische | |
| Strategien dorthin müssen die fundamentalen Interessengegensätze ernst | |
| nehmen. Sich positiv auf „Kommunismus“ zu beziehen, heißt nicht, dass man | |
| an dogmatischen Positionen festhält und versucht, die Sowjetunion bis heute | |
| als Erfolgsgeschichte darzustellen, sondern sich ernsthaft damit | |
| auseinanderzusetzen. | |
| Arbeiten Sie als Gruppe weiter? | |
| Ja, wir überlegen das. | |
| 2 Jan 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gruene-Hochschulpolitik-in-Hamburg/!5729136 | |
| [2] https://www.campusgruen.org/ | |
| [3] https://www.campusgruen.org/news/CGAufloesung/Aufloesungserkl%C3%A4rung.pdf | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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