Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Alternativer Nobelpreis für Cecosesola: Sicherheit durch Gemeinsch…
> Regional Wirtschaften, nicht renditeorientiert und demokratisch: Der
> Kooperativenverbund Cecosesola in Venezuela wird ausgezeichnet.
Bild: Matilde Jimenez, Kaffeeproduzentin, Teil der Kooperative Cecosesola
Berlin taz | Niemand hat das alleinige Sagen, bei den Jobs rotiert man, die
Arbeiten werden gleichberechtigt unter den Geschlechtern verteilt: „Wir
vermeiden jede Struktur, dann kann sich jeder besser entfalten.“ So
beschreibt Mitgründer Gustavo Salas die Organisation innerhalb des
venezolanischen Kooperativenverbundes Cecosesola.
Eine Handvoll Vertreter*innen des Zusammenschlusses sind nach Stockholm
gereist, um an diesem Mittwoch dort den [1][Right Livelihood Award]
entgegenzunehmen, der auch als „Alternativer Nobelpreis“ gilt. Die im
vergangenen Jahr [2][tödlich verunglückte deutsche Commons-Forscherin Silke
Helfrich] hatte Cecosesola mehrfach für die Ehrung vorgeschlagen. Sie hielt
den Verbund für ein herausragendes Beispiel einer Art des Wirtschaftens,
die sich an der Logik von menschlichen Bedürfnissen ausrichtet und nicht an
der Logik von Verwertung und Gewinn.
Zu Cecosesola gehören rund 30 Betriebe und Organisationen mit zusammen etwa
23.000 Mitgliedern. Sie sorgen dafür, dass auch viele arme Menschen in der
Hauptstadt des Bundesstaates Lara Zugang zu allem Notwendigen haben: Die
[3][Kooperativen] beliefern und betreiben mehrere Wochenmärkte in der
Großstadt Barquisimeto und verkaufen dort gutes Gemüse zu einem günstigen
Einheitspreis pro Kilo an mehrere Hunderttausend Menschen. Auch ein
Gesundheitszentrum inklusive Krankenhaus, eine Sparkasse, ein
Transportbetrieb, ein Möbelladen und ein Beerdigungsinstitut gehören dazu.
Aber auch nach innen ist der Verbund besonders: Jährlich halten die 1.200
hauptamtlichen Cooperativistas mehr als 3.000 kleine und große Treffen ab
und entscheiden dabei im Konsens. Alle erhalten einen Einheitslohn.
Ausnahme: die Ärzt*innen. Doch auch ein Radiologe berichtet, dass er öfters
auf dem Markt an der Kasse steht oder in der Küche aushilft, wenn jemand
gebraucht wird. Die Priorität bei Cecosesola bestehe darin, Raum für
Gemeinsames zu schaffen.
## Begegnung hilft
So fokussiert sich beispielsweise das gut ausgestattete Gesundheitszentrum
nicht allein auf die Leiden der Kranken, die Wartebereiche sind auch
Begegnungsräume. Explizites Ziel ist es, dass die Patient*innen
miteinander ins Gespräch kommen.
Gegründet wurde Cecosesola 1967. „Der Compañero einer Kooperative war
gestorben. Wir mussten eine Lösung finden“, berichtet Carmen Perozo, die
heute in dem Beerdigungsinstitut arbeitet, das zum Ausgangspunkt des
Netzwerks wurde. Um auch für arme Familien ein würdiges Begräbnis zu
möglichen, entwickelten die Initiator*innen ein Versicherungssystem für
inzwischen 184.000 Menschen. Und während viele kommerzielle Anbieter in den
vergangenen Jahren wegen Materialmangels schließen mussten, fand Cecosesola
neue Wege: In einer großen Halle werden die Särge aus Recyclingholz gebaut
und schön verziert, weiße Papierschlangen von ausgedienten Kassenrollen
dienen als weiche Unterlage für die Toten.
Das Nahrungsangebot in den Markthallen wiederum ist vielfältig und
regional. „Früher konnten wir wegen des Drucks durch die Zwischenhändler
kaum überleben“, sagt Bio-Bauer Adan Garcia. Cecosesola verkauft das Gemüse
heute direkt an die Kundschaft und löste damit das Problem – und zugleich
sind die Preise auch für die Kund*innen niedriger als in normalen Läden.
Entsprechend groß ist der Andrang jeden Morgen.
## „Ein großer Lernprozess“
Gute Lebensmittel zu erzeugen, ist auch das Anliegen der Frauen-Kooperative
8. März, die außerhalb der Hauptstadt vegetarische Vollwertnudeln, Müsli
und Maniok-Mehl herstellt. Am Anfang von vielen Männern belächelt, ist es
den Frauen gelungen, einen modernen Betrieb aufzubauen. „Das hier ist ein
großer Lernprozess. Wir lernen zu teilen, gemeinschaftlich zu denken,
lernen die Bedürfnisse der anderen zu respektieren wie die eigenen“, fasst
eine der Beteiligten ihre Erfahrung zusammen.
Die [4][verstorbene Commons-Expertin Helfrich] fand entscheidend, dass es
bei Cecosesola immer auch um den Aufbau und den Erhalt von Beziehungen
geht, die auf Vertrauen, gegenseitige Hilfe, Solidarität und Gerechtigkeit
fußen. So gelingt es den Cooperativistas, vielen Menschen durch den
gemeinschaftlichen Zusammenhalt und eine Kultur des Respekts Sicherheit zu
geben.
Zugleich ist das Ganze ein fortlaufender Bildungs- und Erfahrungsprozess
und tief in der lokalen Ökonomie verwurzelt, begründete Helfrich den
Vorschlag für den Alternativen Nobelpreis.
Hinter dem Preis, der jedes Jahr einen Tag vor den offiziellen Nobelpreisen
verliehen wird, steht die Right Livelihood Award Foundation, die der
schwedisch-deutsche Philanthrop und Umweltaktivist Jakob von Uexküll 1980
gründete. Neben Cecosesola geht der [5][Preis 2023 an Organisationen aus
der Ukraine und Uganda sowie an Fartuun Adan und ihre Tochter aus Somalia],
die sich in ihrem Land, das von Terrorismus und geschlechsspezifischer
Gewalt geprägt ist, für Entmilitarisierung einsetzen.
Transparenzhinweis: Die Zitate der Cooperativistas stammen aus dem
[6][Dokumentarfilm „Alle bestimmen mit: Gelebte Utopie im Krisenland
Venezuela.“]
30 Nov 2022
## LINKS
[1] /Alternative-Nobelpreise/!5804798
[2] /Theoretikerin-Silke-Helfrich-ist-tot/!5816382
[3] /Sachbuch-zu-Kooperativen/!5272833
[4] /Theoretikerin-Silke-Helfrich-ist-tot/!5816382
[5] /Alternative-Nobelpreise-bekanntgegeben/!5884825
[6] https://www.youtube.com/watch?v=j_YNtwe6-Gw
## AUTOREN
Annette Jensen
Ute Scheub
## TAGS
Nachhaltigkeit
Gemeingut
Genossenschaften
Kooperative
GNS
Alternativer Nobelpreis
Venezuela
Nachhaltigkeit
Wirtschaft
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regierung und Opposition in Venezuela: Widersacher nehmen Dialog auf
Monatelang herrschte Stillstand. Nun haben sich Venezuelas Regierung und
Opposition auf ein Teilabkommen geeinigt. Die USA lockern Sanktionen.
Ressourcenschutz ausweiten: Andere Bioökonomie ist möglich
Forscher drängen auf den Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Bioökonomie allein
reicht nicht. Der Biosprit vom Acker ist nicht nachhaltig.
Experte über nachhaltiges Wirtschaften: „Pfade brechen ist sehr aufwendig“
Krisen können Unternehmen dazu bewegen, etwas zu verändern, sagt
Wirtschaftswissenschaftler Stefan Schaltegger. Neue Wege müssen
eingeschlagen werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.