Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bundeswehr in Mali: Einsatz im Schatten Russlands
> Die Zusammenarbeit von Mali und der Söldnertruppe Wagner zwingt Europa
> zum Rückzug. Sonst müsste Europa mit russischen Truppen kooperieren.
Bild: Oberst Assimi Goita bei einer Parade in Bamako im September
Berlin taz | Hans-Joachim Lohre war auf dem Weg zur Sonntagsmesse in
Bamako, als er verschwand. Der 65-jährige deutsche Missionar der
katholischen Weißen Väter, der seit 30 Jahren in Mali lebt, wurde
vermutlich entführt, berichteten seine Mitarbeiter am „Institut für
christlich-islamische Bildung“ am Montagabend. „Sein Auto wurde in der
Nähe des Instituts in Bamako gefunden, und die Ermittler fanden später die
abgetrennte Kreuz-Halskette des Priesters neben seinem Fahrzeug“, zitiert
die katholische Nachrichtenagentur Fides eine Institutsmitarbeiterin. „Die
Tür seines Wagens war offen und auf dem Boden waren Fußspuren, als hätte
jemand gekämpft.“
Sollte sich Lohres Entführung mitten in Malis Hauptstadt bestätigen, wäre
das ein Zeichen, dass nirgends in Mali mehr Sicherheit für missliebige
weiße Ausländer herrscht. Das liegt nicht nur an radikalen Islamisten, die
seit Jahrzehnten weite Landstriche unsicher machen. Die herrschenden
[1][Militärs unter Oberst Assimi Goita], der mit zwei Putschen 2020 und
2021 eine Diktatur errichtet hat, haben genug von westlichen Ratgebern.
Frankreich, die alte Kolonialmacht, hat in diesem Jahr seine Truppen
abgezogen, die seit 2013 in den Wüsten Nordmalis und den Savannen
Zentralmalis gegen mutmaßliche Terrorgruppen kämpften. Ohne Frankreichs
Kampfeinsatz ist auch die [2][UN-Mali-Mission Minusma] schutzlos, die den
Friedensprozess zwischen Malis Regierung und Tuareg-Rebellen absichert und
in der auch deutsche Soldaten dienen. Der Minusma-Alltag besteht aus
Meldungen wie dieser vom Dienstag: „Einer unserer Konvois ist am 21.
November auf dem Weg nach Timbuktu auf eine Mine gefahren. Drei
Blauhelmsoldaten wurden verletzt, einer davon schwer. Wir wünschen eine
rasche Genesung.“
Die UN-Mission ist per Mandat verpflichtet, Malis Regierung aktiver zu
unterstützen. Doch die Regierung will das gar nicht mehr. Sie hat die
Bewegungsfreiheit der Blauhelme eingeschränkt, Truppenrotationen verzögert
und Fluggenehmigungen verweigert. Sie hat [3][die russische Söldnertruppe
„Wagner“] ins Land geholt, für robuste Kampfeinsätze vor allem in
Zentralmali in Grenzgebieten zu Burkina Faso.
## Russische Söldnertruppe Wagner hat die Lage eskaliert
Ein am Sonntag veröffentlichter [4][Bericht der Recherchegruppe „All Eyes
on Wagner“] spricht von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und auch
Massakern bei Wagner-Angriffen auf mutmaßliche Terrorunterstützer. Wagners
Einsatz in Mali habe die Lage nicht verbessert, sondern eskaliert,
bilanziert der Bericht: „Die Realität der Effektivität der
Wagner-Operationen in Mali ist das beobachtete Vordringen dschihadistischer
Gruppen.“ Diese kontrollierten inzwischen 30 Prozent Malis.
Wegen der Präsenz Wagners kündigte Großbritannien vergangene Woche den
Abzug seiner UN-Truppen aus Mali an. Damit verliert die Minusma in Gao, wo
auch das Gros der deutschen UN-Truppen steht, ihre wichtigsten
Aufklärungskapazitäten. Zeitgleich erklärte Frankreich die Einstellung
seiner Entwicklungszusammenarbeit mit Mali. Darauf hat Malis Regierung am
Montag mit dem Verbot aller französisch finanzierten Aktivitäten von
Hilfswerken reagiert.
Deutschland zog aus alldem bisher keine Konsequenzen. In Gao, so „All Eyes
on Wagner“, teilen sich Deutsche und Russen inzwischen die Nutzung des
Flughafens. Und am Montagabend veröffentlichte das französische Fachblatt
Africa Intelligence eine Recherche, wonach eine Filiale des deutschen
Logistikkonzerns Raven Group 2021 über eine Zusammenarbeit mit einem
russisch geführten Unternehmen in Dubai mit einer Milliarde US-Dollar in
die Goldraffinerie KMR (Kankou Moussa Refinery) in Mali einsteigen wollte –
die aktuell größte Privatinvestition in Mali.
Raven sollte Technologie für Goldschürfer im Westen Malis liefern, deren
Produktion bei KMR raffiniert und aus Bamako nach Dubai exportiert werden
würde – eine Route, mit der russische Firmen auch Gold aus Guinea und
Burkina Faso auf den Weltmarkt bringen. Die ersten 56,5 Millionen US-Dollar
aus Deutschland seien aber bei der Überweisung am 14. Oktober 2021
verschwunden – möglicherweise, so vermutet Africa Intelligence, aufgrund
der Russlandsanktionen, wofür Malis Militärs die Elfenbeinküste
verantwortlich machten, die die westafrikanische Zentralbank BCEAO
kontrolliere. Das sei der Grund für die Verhaftung von 49 Soldaten aus der
Elfenbeinküste am Flughafen von Bamako im Juli. Sie sollten für einen
deutschen Dienstleister die Bundeswehrbasis dort bewachen und dienen nun
als Faustpfand für Malis Militär.
Bestätigt ist diese Geschichte nicht, eine Nachfrage bei Raven blieb am
Dienstag unbeantwortet. Aber der Bericht schlägt in Mali und der
Elfenbeinküste hohe Wellen – nicht zum Vorteil Deutschlands. Das deutsche
UN-Camp am Flughafen von Bamako liegt direkt gegenüber der Goldraffinerie.
22 Nov 2022
## LINKS
[1] /Bundeswehr-und-UN-Mission-in-Mali/!5871618
[2] /UN-Mission-in-Mali/!5892283
[3] /EU-Ausbildungsmission-in-Mali/!5845255
[4] https://alleyesonwagner.org/
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Mali
Wagner
Bundeswehr
MINUSMA
UN-Mission
Mali
Mali
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Burkina Faso
Mali
Mali
Mali
Bundeswehreinsatz
Mali
## ARTIKEL ZUM THEMA
UN-Mission in Mali: Vor dem Aus
Im UN-Sicherheitsrat streiten Mali und Frankreich über die UN-Mission
MInusma. Die UNO nennt deren Lage „unhaltbar“.
Russlands Außenminister in Mali: „Achse Bamako-Moskau“
Russlands Außenminister verspricht Mali verstärkte Kooperation in Militär
und Geologie. Mali wirft UN-Menschenrechtsbeauftragten hinaus.
Europäische Söldner im Kongo: Unselige Tradition
Weiße Abenteurer, die in Afrika auf Bestellung töten, gab und gibt es
viele. Nun wütet eine rumänische Söldnertruppe im Kongo.
Militärjunta in Burkina Faso: Neuer Ärger für Paris in Afrika
Burkina Faso fordert Frankreich zum Abzug seines Botschafters auf. Wie in
Mali sucht auch in Burkina das herrschende Militär offenbar Nähe zu
Russland.
Harte Urteile in Mali: Kraftprobe in Westafrika
Mit hohen Haftstrafen für 46 Soldaten aus der Elfenbeinküste kontert Mali
ein Ultimatum zu ihrer Freilassung. Kommen neue Sanktionen?
Geisel in Mali kommt frei: Marokko holt Deutschen raus
Der Geheimdienst Marokkos erreicht die Freilassung von Jörg Lange in Mali.
Seit April 2018 befand sich der Deutsche in der Hand von Islamisten.
Möglicher Bundeswehr-Abzug aus Mali: Aus dem Sinn
Ein Rückzug der Bundeswehr aus Mali wird vor allem bedeuten, dass der Fokus
auf das Land weiter schwindet. Die Folgen wären fatal.
Ortskräfte der Bundeswehr: Kein Rettungsplan für Mali-Helfer
Dem Bundeswehreinsatz in Mali droht der Abbruch. Doch die Bundesregierung
hat keine Pläne, wie sie im Ernstfall die Ortskräfte dort evakuieren will.
Bundeswehrsoldaten in Mali: Zentrale Rolle für UN-Einsatz in Mali
Außenminister Baerbock positioniert sich gegen einen Abzug der deutschen
Bundeswehr in Mali. Sie sei wichtig für die UN-Stabilisierungsmission
Minusma.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.