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# taz.de -- Krise linker Parteien in Italien: Wohin gehst du, PD?
> Bei den italienischen Parlamentswahlen gehörte die Partei PD zu den
> Verliererinnen. Nun wählt sie einen neuen Vorsitz. Nicht die einzige
> Zerreißprobe.
Bild: Der scheidende PD-Vorsitzende Enrico Letta nach der Wahl im September
Rom taz | Neustart oder Niedergang? Nach ihrer Niederlage bei den
Parlamentswahlen am 26. September steht Italiens größte Oppositionspartei,
die gemäßigt linke Partito Democratico (PD), vor der Entscheidung über den
Parteivorsitz, die zugleich zur Zerreißprobe über den zukünftigen Kurs der
Partei zu werden droht.
Der [1][„Stolz der PD“ sei jetzt gefragt], hatte der scheidende Vorsitzende
Enrico Letta, der nicht wieder antritt, verkündet, am letzten Samstag auf
der Nationalen Versammlung, mit 1.000 Mitgliedern eine Art kleiner
Parteitag. Doch Stolz war in der hybriden Versammlung nicht zu spüren.
Während in Rom nur einige dutzend eher missmutig dreinblickende
Parteigranden in einem Saal in Präsenz tagten, waren die Basisdelegierten
online zugeschaltet, um das Prozedere der Vorsitzendenwahl abzunicken.
Besonders attraktiv ist die Stellenausschreibung nicht: Wer immer ans Ruder
kommt, wird eine Partei übernehmen, die bei den Parlamentswahlen nur 19
Prozent holen konnte – direkt nach ihrer Gründung lag sie im Jahr 2008 noch
bei 33 Prozent –, die zwischen verschiedenen Flügeln zerrissen ist und die
sich zugleich in der Opposition der Konkurrenz der Fünf Sterne sowie der
Mitte-Liste Azione-Italia Viva erwehren muss.
Gekürt wird der oder die neue Vorsitzende in einer offenen Urwahl am 19.
Februar, an der alle Anhänger*innen der PD teilnehmen können. In einer
ersten Runde allerdings stimmen ausschließlich die Parteimitglieder über
die Kandidat*innen ab; nur die beiden Bestplatzierten treten dann in
der Urwahl gegeneinander an.
## Gegen- statt Miteinander
Zur Zerreißprobe könnte die Vorsitzendenwahl vor allem deshalb werden, weil
es bei ihr auch darum geht, wie sich die PD gegenüber den anderen
Oppositionsparteien positioniert. Die Fünf Sterne hatten bei den
Parlamentswahlen 15,6 Prozent geholt, liegen aber in den letzten
Meinungsumfragen bei 17 Prozent, gleichauf mit der PD. Sie haben sich
zuletzt klar links positioniert. Während der linke Parteiflügel in ihnen
einen wichtigen Gesprächspartner sieht, sind die Fünf Sterne dem rechten
Flügel geradezu verhasst.
Das Gleiche gilt umgekehrt für die Mitte-Liste Azione-Italia Viva von Carlo
Calenda und Matteo Renzi: Die PD-Rechte sieht in ihr einen Allianzpartner,
die Linke dagegen schaut voller Abscheu auf Renzi und Calenda. Vor diesem
Hintergrund überrascht es nicht, dass jetzt immer wieder der besorgte
Hinweis auf die französischen Sozialisten auftaucht, die zwischen Macron
und Mélenchon zerrieben wurden.
Bei der PD stehen mittlerweile zwei Kandidaten fest. Kaum hatte die
Nationale Versammlung den Fahrplan beschlossen, meldete Stefano Bonaccini,
der Präsident der Region Emilia Romagna, am Sonntag seine Kandidatur an. Er
hat dank seiner Verankerung in seiner Heimatregion – der wichtigsten
Hochburg der PD in Italien –, aber auch dank der Unterstützung durch den
rechten Parteiflügel gute Chancen.
Bonaccini erklärte jetzt, er habe mit dem Flügelunwesen der Partei nie
etwas zu tun gehabt, doch der Wahrheit entspricht das nicht: Im Jahr 2013
war er Koordinator der Wahlkampagne, die Matteo Renzi an die Parteispitze
brachte – [2][jenen Renzi, der die PD auf einen Dritte-Weg-Kurs à la Blair]
oder Schröder trimmen wollte, der nach seinem Scheitern im Jahr 2019
austrat und mit Italia Viva eine eigene Partei nach dem Vorbild Emmanuel
Macrons gründete.
Doch Bonaccini muss mit der Gegenkandidatur von Elly Schlein rechnen. Die
37-Jährige frühere EP-Abgeordnete diente bis zu ihrer Wahl ins Parlament im
September als Bonaccinis Vizepräsidentin in dessen Regionalregierung, steht
aber anders als ihr früherer Chef für einen dezidiert linken Kurs, in dem
sie identitäts- und sozialpolitische Themen zu vereinen sucht.
Ihr größtes Manko ist, dass sie bisher nicht Mitglied der PD ist, sondern
bei den letzten Wahlen als unabhängige Kandidatin auf der Liste der Partei
antrat. Doch mit einer einigermaßen bizarren Statutenänderung machte die
Nationale Versammlung vom letzten Samstag den Weg für ihre Kandidatur frei:
Wer als Vorsitzende*r kandidiert, wird damit automatisch Mitglied der
PD.
25 Nov 2022
## LINKS
[1] /Linke-Senatorin-ueber-Italien/!5890938
[2] /Italien-nach-der-Wahl/!5880234
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Partito Democratico
Identitätspolitik
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