# taz.de -- Raketeneinschlag in Polen: Nato geht von Querschläger aus | |
> Nach ihrer Dringlichkeitssitzung sieht die Nato keine Hinweise auf einen | |
> absichtlichen Angriff. Das Bündnis macht dennoch Russland verantwortlich. | |
Bild: Fahrzeuge der polnischen Polizei nähern sich dem Einschlagsort bei Przew… | |
WARSCHAU/BERLIN dpa/rtr/taz | Die Nato macht Russland verantwortlich für | |
den Raketen-Einschlag in Polen, sieht die Ursache darin aber in einem | |
ukrainischen Querschläger. „Wir haben keine Hinweise darauf, dass das ein | |
beabsichtigter Angriff war“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg nach | |
einer Dringlichkeitssitzung des Nato-Rats in Brüssel am Mittwoch. „Aber was | |
wir wissen ist, dass der wahre Grund für den Vorfall der russische Krieg in | |
der Ukraine ist.“ Die Ermittlungen seien zwar noch nicht abgeschlossen. Es | |
sei aber äußerst wahrscheinlich, dass eine ukrainische Luftabwehrrakete | |
versehentlich auf polnischem Gebiet eingeschlagen sei. „Das ist aber nicht | |
die Schuld der Ukraine.“ | |
Stoltenberg betonte, er sei durchaus besorgt gewesen über den Vorfall am | |
Dienstagabend. Es sei aber auch deutlich geworden, dass „die Nato bereit | |
ist zu handeln in einer entschlossenen, ruhigen und resoluten Art“. Details | |
zu den Untersuchungen wollte Stoltenberg nicht nennen | |
Dass die Rakete, die zwei Menschen tötete, von ukrainischen Truppen | |
abgefeuert worden sein könnte, hatten zuerst drei US-Vertreter in der Nacht | |
zum Mittwoch für denkbar erklärt. Vorläufige Prüfungen deuteten darauf hin, | |
dass es sich um eine Flugabwehrrakete gehandelt habe, die inmitten massiver | |
russischer Angriffe auf die Energie-Infrastruktur in der Ukraine auf eine | |
russische Rakete abgezielt habe, hatte es geheißen. | |
Kurz zuvor hatte US-Präsident Joe Biden es als „unwahrscheinlich“ | |
bezeichnet, dass die in Polen eingeschlagene Rakete von Russland aus | |
abgefeuert wurde. Er verwies dabei auf deren Flugbahn. Biden äußerte sich | |
nach einer Krisensitzung von Staats- und Regierungschefs der G7 und der | |
Nato am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali. | |
## Biden spricht von „völliger Einigkeit“ unter Verbündeten | |
Biden sagte, er habe die Verbündeten über seine Gespräche mit dem | |
polnischen Präsidenten Andrzej Duda und Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg im Nachgang des Raketeneinschlags informiert. Es habe „völlige | |
Einigkeit“ am Tisch geherrscht, die polnischen Ermittlungen zur Attacke zu | |
unterstützen. „Ich werde sicherstellen, dass wir genau herausfinden, was | |
passiert ist“, sagte Biden. „Dann werden wir unseren nächsten Schritt | |
überlegen.“ | |
Der US-Präsident, der wegen des Zwischenfalls in der Nacht zum Mittwoch von | |
Mitarbeitern geweckt wurde, hatte Duda angerufen, um ihm sein Mitgefühl | |
auszusprechen. Dabei unterstrich er nach US-Angaben das „eiserne Bekenntnis | |
der Vereinigten Staaten zur Nato.“ | |
Nach der Explosion hatte Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte | |
Bereitschaft versetzt. Dies gelte auch für andere uniformierte Dienste, | |
sagte ein Regierungssprecher am Dienstagabend in Warschau. Es gehe dabei um | |
bestimmte militärische Kampfeinheiten sowie die Kampfbereitschaft von | |
Einheiten der uniformierten Dienste, sagte er, ohne weitere Einzelheiten zu | |
nennen. | |
Außerdem habe man gemeinsam mit den Nato-Verbündeten beschlossen, zu | |
überprüfen, ob es Gründe gebe, die Verfahren nach Artikel 4 des | |
Nato-Vertrags einzuleiten, sagte er. Artikel 4 sieht Beratungen der | |
Nato-Staaten vor, wenn einer von ihnen die Unversehrtheit seines Gebiets, | |
die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sieht. Das | |
ist eine Stufe unter dem sogenannten Bündnisfall, der in Artikel 5 geregelt | |
ist. Laut dem haben Nato-Mitglieder die Pflicht, den angegriffenen | |
Nato-Staaten Beistand zu leisten. | |
## Rakete tötete Arbeiter eines landwirtschaftlichen Betriebs | |
[1][Laut lokalen Medienberichten] aus Polen waren zwei Raketen in der | |
Ortschaft Przewodowa eingeschlagen, die im Bezirk Hrubieszów rund sieben | |
Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt liegt. Bewohner des Dorfes | |
mit rund 500 Einwohnern hätten berichtet, dass eine Rakete in ein | |
Getreidelager eingeschlagen sei. Dort seien zwei Arbeiter ums Leben | |
gekommen. Eine weitere Rakete sei auf einem Feld eingeschlagen. | |
Es wurde zunächst spekuliert, dass es sich um russische Irrläufer handele, | |
da zeitgleich auch die ukrainische Stadt Bels angegriffen worden sei. Die | |
liegt rund 12 Kilometer hinter der Grenzte auf ukrainischer Seite. Auch | |
etwa die 65 Kilometer südlich der Grenze liegende Stadt Lwiw war am | |
Nachmittag attackiert worden. | |
## Zahlreiche Raketenangriffe auf Ukraine am Dienstag | |
Das russische Verteidigungsministerium hatte bestritten, hinter „jeglichen | |
Angriffen auf Ziele nahe der ukrainisch-polnischen Grenze“ zu stecken. In | |
einer Mitteilung hieß es, im Internet verbreitete Fotos der kolportierten | |
Schäden „haben nichts zu tun“ mit russischen Waffen. | |
Den ganzen Dienstag über hatte Russland die Ukraine mit Raketen | |
angegriffen. Insgesamt meldeten mehr als ein Dutzend ukrainische Regionen | |
russische Angriffe oder Versuche ihrer Luftabwehr, entsprechende Raketen | |
abzufangen. Selenski sprach von zahlreichen Stromausfällen. Auch das | |
benachbarte Moldau war von Stromausfällen betroffen. Zehn Millionen | |
Menschen seien nach den jüngsten Attacken von der Stromversorgung | |
abgeschnitten, sagte Selenski. | |
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte nach der Explosion in Polen vor | |
voreiligen Reaktionen gewarnt: „Wichtig ist, dass alle Tatsachen | |
festgestellt werden“, schrieb er am Dienstag nach einem Telefonat mit dem | |
polnischen Präsidenten Andrzej Duda auf Twitter. „Die Nato beobachtet die | |
Situation, und die Bündnispartner stimmen sich eng ab“, betonte | |
Stoltenberg. Der Bündnis-Generalsekretär sprach weder von Raketen noch von | |
Russland, sondern vielmehr von einer „Explosion in Polen“. | |
## Selenski spricht von „sehr bedeutender Eskalation“ | |
EU-Ratspräsident Charles Michel äußerte sich entsetzt über die Berichte zum | |
Raketeneinschlag. Er sei „schockiert über die Nachricht, dass eine Rakete | |
oder andere Munition Menschen auf polnischem Gebiet getötet hat“, schrieb | |
Michel am Dienstag auf Twitter. „Wir stehen an der Seite Polens“, betonte | |
er, ohne Russland namentlich zu erwähnen. | |
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski bezeichnete den Vorfall | |
zunächst als „sehr bedeutende Eskalation“. Der Zwischenfall liefere den | |
Beweis, dass der (russische) „Terror nicht durch unsere Staatsgrenzen | |
begrenzt ist“, sagte er in seiner täglichen Videoansprache am | |
Dienstagabend. „Wir müssen den Terroristen auf seinen Platz verweisen“, | |
sagte er. Je länger sich Russland straffrei fühle, umso mehr Bedrohungen | |
werde es für jeden geben, der sich in Reichweite russischer Raketen | |
befinde. | |
15 Nov 2022 | |
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