| # taz.de -- Nutria-Jagd in Niedersachsen: Nager profitieren vom Klimawandel | |
| > Die Ausbreitung der Nutrias erreicht Rekordzahlen, vor allem in | |
| > Niedersachsen und Bremen. Das liegt auch an milden Wintern. | |
| Bild: Mag auch Städte: Nutria tauchen vermehrt in Niedersachsen, Bremen und Ha… | |
| Hannover taz | Viele finden sie ganz possierlich: Nutrias, auch Sumpfbiber | |
| oder Biberratten genannt, zählen zum Beispiel im Celler Schlosspark zu den | |
| beliebtesten Fotomotiven. Die Wasserverbände, Landwirte und Jäger sind | |
| weniger große Fans. | |
| [1][Die invasive Art durchlöche]re mit ihren Bauten Deiche und Uferzonen, | |
| heißt es. Damit ist der Hochwasserschutz gefährdet, genauso wie die mühsam | |
| renaturierten Flussläufe und geschützte Vogelarten, denen die Schilfrohre | |
| und anderer Uferbewuchs als Nistplätze abhanden kommen. | |
| Manchmal brechen auch Trecker oder Mähdrescher ein, weil die Wohnhöhlen der | |
| bis zu zehn Kilogramm schweren Nager die Felder untergraben haben. | |
| Die Jagd auf Nutrias ist deshalb in Niedersachsen seit 2001 immer weiter | |
| ausgedehnt worden, die explosionsartige Vermehrung hat das bisher nicht | |
| gestoppt. Nun meldet [2][der Deutsche Jagdverband (DJV) neue Rekordzahlen.] | |
| In ganz Deutschland breite sich die Art weiter aus, ganz besonders aber in | |
| Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. | |
| ## Niedersachsen beschäftigt drei hauptamtliche Nutriajäger | |
| Hier seien 2021 in 58 Prozent aller Jagdbezirke Nutria-Vorkommen gesichtet | |
| worden, teilte der DJV mit. Das entspricht einer Verdopplung gegenüber | |
| 2015. In Bremen waren es sogar 89 und in Hamburg 77 Prozent der | |
| Jagdbezirke. Das zeige, dass sich die Art auch in städtischen Regionen wohl | |
| fühle, so der DJV. | |
| Für die weiter zunehmende Ausbreitung machen die Jäger vor allem zwei | |
| Faktoren verantwortlich: Das Füttern durch Menschen vor allem in | |
| städtischen Gebieten und die milden Winter. Strenge Winter sind – abgesehen | |
| vom Menschen – der einzige Feind des Nagers mit den großen orangefarbenen | |
| Schneidezähnen. Bei tiefen Temperaturen und karger Kost erfrieren und | |
| verhungern vor allem die Jungtiere. | |
| Natürliche Feinde haben Nutrias hier sonst nicht. Die ursprünglich aus | |
| Südamerika stammende Art wurde zur Pelzzucht eingeschleppt und dann | |
| ausgesetzt, ähnlich wie die aus Nordamerika stammenden Bisamratte. In die | |
| freie Wildbahn gelangten sie wohl vor allem Ende der vierziger Jahre, nach | |
| dem Zweiten Weltkrieg. | |
| Niedersachsen beschäftigt seit 2019 drei hauptamtliche Nutriajäger, die bei | |
| der Landwirtschaftskammer angestellt sind und vor allem bei den Hobbyjägern | |
| Aufklärung und Sachkunde verbreiten sollen. Ohne Sachkundenachweis und | |
| Genehmigung dürfen Nutrias nämlich nicht gejagt werden. Für die sachgemäß | |
| erlegten und gemeldeten Nutrias gibt es eine Prämie von sechs bis acht | |
| Euro, die der Wasserverbandstag ausgelobt hat. | |
| ## Trend geht zu Lebensfallen | |
| Gejagt wird entweder mit Kleinkalibergewehren, Tot- oder Lebendfallen. Vor | |
| allem die Behörden setzen zunehmend auf Lebendfallen. Das ist zwar | |
| aufwändiger, hat aber den Vorteil, dass sich unerwünschter Beifang | |
| reduzieren lässt – wenn geschützte Tiere wie Biber, Fischotter oder | |
| Wildkatzen in die Falle gehen, können sie wieder freigesetzt werden. | |
| Trotz all dieser Bemühungen sind die Bestände in den letzten Jahren noch | |
| einmal sprunghaft angestiegen, was sich auch in den Zahlen der erlegten | |
| Tiere widerspiegelt: Von 10.387 toten Nutrias im Jagdbericht 2015/16 | |
| [3][auf 41.369 im aktuellen Berichtsjahr 2021/22]. | |
| EU-weit bemüht man sich deshalb darum, die Jagd effektiver zu gestalten. | |
| Auch Niedersachsen verweist an dieser Stelle gern auf das „EU Life Mica | |
| Project“ zur Eindämmung der Nutria- und Bisampopulation, das 2019 begonnen | |
| hat und noch bis 2023 läuft. | |
| Hier wird der Einsatz von „intelligenten“ Fallen und Kameras erprobt, die | |
| gezielt nur bestimmte Tierarten erfassen. Außerdem sollen mit Hilfe von | |
| „eDNA Detection“ Nutriavorkommen anhand von Wasserproben ermittelt werden. | |
| In Italien experimentiert man außerdem mit Sterilisierungsmaßnahmen. | |
| ## Verdrängung sei nur selten nachgewiesen | |
| Die Kritik an der Bejagung klingt eher verhalten: Als Niedersachsen 2018 | |
| auch [4][die Bejagung von Muttertieren zugelassen] hat, kritisierten | |
| Tierschützer dies als grausam, weil die Jungtiere dann elendig verrecken | |
| müssten. | |
| Jäger argumentieren dagegen, dass Nutria-Weibchen erstens von Männchen | |
| nicht zu unterscheiden und zweitens mit drei bis vier Würfen im Jahr | |
| eigentlich immer entweder tragend oder säugend seien. | |
| Der Nabu kritisiert außerdem, dass die Schäden für das heimische Ökosystem | |
| oft übertrieben würden – eine wirkliche Verdrängung heimischer Arten ist | |
| nur in ganz wenigen Fällen nachgewiesen. | |
| Um Schäden an Deichen und Uferzonen zu verhindern, seien lokale Maßnahmen | |
| ausreichend und eine flächendeckende Bejagung übertrieben, sagen die | |
| Naturschützer. Für eine ungehinderte Ausbreitung der Art mag allerdings | |
| auch niemand plädieren. | |
| 27 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /invasive-Arten/!t5021247 | |
| [2] https://www.jagdverband.de/die-nutria-breitet-sich-aus-deutschland | |
| [3] https://www.lwk-niedersachsen.de/services/download.cfm?file=36020 | |
| [4] /Jagd-auf-Nutrias-in-Niedersachsen/!5537053 | |
| ## AUTOREN | |
| Nadine Conti | |
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