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# taz.de -- Champagner-Knappheit bei Hennessy: Trinkt, ihr Pfeffersäckchen!
> Endlich eine schlimme Nachricht für Reiche: Der Champagner des
> Luxuskonzerns LVMH wird knapp. Das riecht nach Einführung einer
> Luxussteuer.
Bild: Darfs noch ein Gläschen sein?
Hähä, endlich auch mal eine schlimme Nachricht für die Reichen: Der
Champagner wird knapp, meldete der Luxuskonzern LVMH. Nach einer kurzen
Durststrecke in der Pandemie, in der das feuchtfröhliche Abfeiern korrupter
Maskendeals den Ausfall von Partys und Lokalbesuchen nicht zu kompensieren
vermochte, boomt das Geschäft bei Louis Vuitton, Moët Hennessy, Tattinger
und Co nun mehr denn je.
Denn die Kriegsgewinnler unserer Zeit langen ordentlich zu. Für sie gibt es
ja auch eine Menge zu feiern. Krisen produzieren nicht nur Armut,
[1][sondern gleichzeitig auch Reichtum]. Die Schere geht weiter
auseinander, die Zahl der Millionäre nimmt zu. Klingt jetzt nicht so
supergerecht, doch die Hersteller von Luxusartikeln reiben sich die Hände.
Und welcher dieser Artikel eignete sich besser, um den Rest eines leisen
Unwohlseins über Ungerechtigkeit, Klimawandel und Krieg zu vertreiben, als
Puffbrause mit Flaschengärung? Überdies ist bei deren Konsum noch immer
reichlich Luft nach oben. Mehr als drei Bonzenschlitten am Tag kann man
nicht kaputtfahren, doch der Champagnerkonsum lässt sich fast beliebig
erhöhen – morgens, mittags, abends.
Eigentlich riecht das geradezu [2][nach Einführung einer Luxussteuer]. Denn
wer über Kohle satt verfügt, ist relativ unempfindlich gegenüber
Preissteigerungen. Das schließt zwar Ärmere noch mehr als ohnehin schon vom
Konsum aus, würde dafür jedoch eine ganz eigene Chance beinhalten: So
nutzte [3][das „Rote Wien“] der 1920er und 1930er Jahre die Luxus- und
Vergnügungssteuer für den Bau von Gemeindewohnungen, ein Pfund, mit dem die
Stadt sozialpolitisch noch heute wuchern kann.
## „Asterix auf Korsika“
Ein guter Weg, also trinkt nur schön, ihr Pfeffersäckchen! Die großen
Hersteller versuchen derweil, die aufkeimende Panik unter den
Edelschluckspechten zu zerstreuen: Man habe genügend Reserven, nur ein paar
Spezialcuvées könnten knapp werden. Aber doch „nicht das Zeug für die
Gäste“ („Asterix auf Korsika“), von dem ist zum Glück noch immer genug …
Herzige Histörchen vernimmt man hingegen aus den kleineren Häusern, die
diese Lagerkapazität nicht haben und jetzt trockenlaufen.
So wie bei „Champagne Moussé Fils“, die kaum die Vorbestellungen der
Stammkunden bedienen können. Dabei sind diese Hersteller doch eigentlich
die Guten: „Kleine schwarze Schafe aus der Normandie“, so schreibt das
Handelsblatt, fräßen in den Weinbergen des Familienunternehmens Schädlinge
und Gras zwischen den Weinstöcken: quiiek, so cute!
Und eine Win-win-Situation, denn zum einen wird hier der schlechte Ruf
schwarzer Schafe aufgepeppt, und zum anderen lieben reiche
Champagnertrinkende neuerdings biologisch nachhaltige Produkte. Gerade
Menschen, die reich und sorglos altern, möchten natürlich möglichst lange
leben und auch im hohen Alter gesund bleiben, um so lange und so viel
Champagner zu trinken, wie es nur irgend geht – Queen Mum lässt grüßen –,
anstatt wie ein trauriger Bussard am Genuss pestizid- und bleihaltiger
Kadaver frisch vom Straßenrand zu verenden.
Oder wie ein trauriger Mensch an Perlwein und Fleischwurst vom Discounter.
Doch auch das geht anders. Denn ein bestimmter Typus der Prekären schlägt
nun ebenfalls bei Luxusgütern zu; eine Personengruppe, die sich längst
jeglicher Verantwortung entzogen hat: kinderlose Freiberufler,
Skilehrerinnen, Gaukler, you name it.
Auf Inflation und Krise reagieren sie nur noch fatalistisch. Wozu das
wenige Geld zusammenhalten, scheinen sie zu denken; bevor auch das nix mehr
wert ist, sauf ich mir davon doch lieber einen Fetzen an. Dann hab ich
wenigstens was davon gehabt. Mit Bockwurst und Champagner feiern sie dem
jüngsten Tag entgegen.
15 Nov 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Alkohol
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Patricia Schlesinger
Inflation
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