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# taz.de -- Brasilien nach der Wahl: Blockaden im ganzen Land
> Nach seiner Wahlniederlage blockieren Anhänger*innen des
> rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro Dutzende Straßen. Manchmal hilft die
> Polizei dabei.
Bild: Bolsonaro-Anhängerin auf einem blockierten Highway nahe Volta Redonda in…
São Paulo taz | Eliane Mouco sei Patriotin, deshalb sitze sie jetzt hier.
„Wir akzeptieren die Wahlergebnisse nicht“, sagt die 37-Jährige, die sich
eine Brasilienfahne umgehängt hat. „Es hat Betrug gegeben.“ Mouco sitzt auf
einem Stück Karton auf einer Autobahn in São Paulo. Zusammen mit rund 40
Mitstreiter*innen hat sie eine Zufahrt zum internationalen Flughafen
Guarulhos blockiert. Vor 12 Stunden kamen sie hier an, um mit der
Straßenblockade gegen die „geraubte Wahl“ zu demonstrieren. Auch in anderen
Teilen des Landes sind Straßen blockiert.
Am Sonntag gewann der Sozialdemokrat Luiz Inácio da Silva die
[1][Stichwahl] gegen den rechtsradikalen Amtsinhaber Jair Bolsonaro. Dessen
Anhänger*innen wollen den Wahlsieg nicht akzeptieren – auch weil der
Präsident seit Monaten Verschwörungsmythen und Lügen über das Wahlsystem
verbreitet. Bolsonaro selbst hüllt sich seit Sonntag in Schweigen, hat
weder die Niederlage anerkannt noch seinem Widersacher Lula gratuliert.
Der Druck auf Bolsonaro ist groß. Einige enge Verbündete erkannten die Wahl
an, viele prominente Staatschefs gratulierten Lula. Seine Berater*innen
sollen versucht haben, ihn zu überreden, nachzugeben. Doch für den
Präsidenten ist seine radikale Wählerbasis wichtig: Sollte er sich jetzt
dem Druck beugen, könnte er als schwach und inkonsequent wahrgenommen
werden. Es könnte eine Taktik sein, sie hinzuhalten und auf Unruhen im Land
zu spekulieren.
Die Blockaden starteten unmittelbar nach der Bekanntgabe der
Wahlergebnisse. Als Erstes waren es Lastwagenfahrer*innen, die Straßen
blockierten. Sie zählen schon lange zu den treuesten Anhänger*innen
Bolsonaros. In einem Land, das praktisch kein Schienennetz hat, können
solche Blockaden durchaus große Auswirkungen haben.
## Meist bleibt die Polizei tatenlos
Einige Bolsonaro-Fans fordern ganz offen eine Militärintervention und
verbreiten den Mythos, dass das Militär nach 72 Stunden eingreifen werde.
Auf die Frage der taz, ob alles friedlich bleiben wird, zuckt ein
Bolsonaro-Anhänger nur mit den Schultern und grinst. Bisher sind es
überwiegend Einzelpersonen, die sich in sozialen Netzwerken organisieren.
Doch sollten die Aktionen wachsen, könnte es gefährlich werden. Aus Angst
vor Ausschreitungen wurde in der Hauptstadt Brasília präventiv die
Esplanade der Ministerien gesperrt.
Bei der Blockade in São Paulo werden Wasserflaschen herumgereicht, es gibt
Brötchen mit Butter. Im Chor schallt es immer wieder: „Unsere Fahne wird
niemals rot sein“ und „Lula, du Dieb! Dein Platz ist im Gefängnis“. Viele
vorbeifahrende Autofahrer*innen hupen zustimmend.
Alle, die Kritik üben, werden wüst beschimpft. In der Nacht gelang es der
Gruppe, die Autobahn komplett zu blockieren. Es bildeten sich lange Staus,
Flüge mussten gestrichen werden. Am Morgen machte die Gruppe in Absprache
mit der Polizei eine Fahrbahn frei.
In einigen Städten räumte die Polizei Straßen, auch in São Paulo. Doch an
den meisten Orten blieb sie tatenlos. Die Beziehung mit den rechten
Demonstrant*innen wirkt freundschaftlich. Ein Auto der Militärpolizei
fährt vorbei, hupt und grüßt die jubelnden Rechten. Die für ihre Brutalität
bekannte Polizei steht Bolsonaro traditionell nahe.
## Richter Moreas bleibt die Hassfigur der Rechten
Ein Video in sozialen Medien zeigt einen Polizisten, der den
Demonstrant*innen in São Paulo dabei hilft, einen Zaun zu zerschneiden.
Seine Uniform zeigt, dass er für die Autobahnpolizei arbeitet. Jene Behörde
hatte am Sonntag mit fadenscheinigen Gründen die Anfahrt von
Wähler*innen zu Wahllokalen behindert.
Vor allem im Nordosten, wo die Mehrheit Lula unterstützt, gab es viele
solcher Aktionen. Der Vorwurf der geplanten Wahlbehinderung auf Anordnung
der Regierung steht im Raum. Der Direktor der Autobahnpolizei hatte am Tag
vor der Wahl auf seinem Instagram-Profil Werbung für Bolsonaro gemacht.
Am Dienstagmorgen ordnete Alexandre de Moreas an, die Blockaden unter
Androhung hoher Strafen aufzulösen. Und er drohte dem Direktor der
Autobahnpolizei mit der Festnahme. Moraes, Richter am Obersten Gerichtshof
und Präsident des Wahlgerichts, ist für viele Bolsonaristen eine
[2][Hassfigur], da er in letzter Zeit einige Entscheidungen zuungunsten
Bolsonaros und seiner Anhänger*innen gefällt hat.
Es ist mehr als fraglich, ob die Straßenblockaden etwas am Verlauf der Wahl
ändern werden. Doch die Proteste zeigen: Der Bolsonarismus ist stark, auch
ohne direkte Ansprachen von Bolsonaro. Es ist ihnen tatsächlich gelungen,
eine [3][aktive Bewegung] zu gründen – und das nicht nur im Netz. Und wenn
Bolsonaro die Wahlergebnisse anerkennt? „Wir geben nicht auf“, sagt Eliane
Mouco. „Wir werden weiter für die Freiheit kämpfen.“
1 Nov 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Niklas Franzen
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