# taz.de -- Umgang mit HIV-Infizierten: Das alte Bild von Aids | |
> HIV-positive Menschen werden im Berufsleben weiterhin oft diskriminiert. | |
> Nun hat ein Feuerwehrmann erfolgreich gegen seine Nichteinstellung | |
> geklagt. | |
Bild: Nein, das ist nicht Covid-19, das ist das begehbare Modell eines HIV-Virus | |
Berlin taz | Menschen mit HIV werden auf der Jobsuche weiterhin | |
diskriminiert. Der medizinische Forschungsstand zur Immunschwächekrankheit | |
scheint in manchen Personalabteilungen noch nicht angekommen zu sein – dies | |
zeigt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Mitte Oktober, das der | |
Klage eines Mannes wegen Diskriminierung stattgegeben hat. Mit dem | |
Vorurteil, HIV sei „gefährlich“ für Dritte, steht er nicht alleine. Zudem | |
machen viele Arbeitgeber in Bewerbungsverfahren HIV-Tests, obwohl dies aus | |
arbeitsrechtlichen Gründen nur in Sonderfällen statthaft ist. | |
Der 1994 geborene Kläger bewarb sich im Frühjahr 2018 als Beamter für den | |
feuerwehrtechnischen Dienst. Kurz zuvor hatte er erfahren, dass er | |
HIV-positiv ist. In Therapie befand er sich noch nicht. Nach einem bei | |
allen Bewerbern durchgeführten HIV-Test lehnte die Feuerwehr seine | |
Bewerbung wegen des positiven HIV-Status mit der Begründung ab, dass er | |
„dauerhaft feuerwehrdienstuntauglich“ sei. Der 28-Jährige klagte mit | |
Berufung auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. | |
Im Urteil (VG 5 K 322.18) sprach ihm das Gericht eine Entschädigung in Höhe | |
von 2.500 Euro zu. Durch die Ablehnung der Einstellung allein wegen des | |
positiven HIV-Status sei der Kläger diskriminiert worden. | |
Entscheidend war unter anderem, dass der Bewerber als „dauerhaft | |
feuerwehrdienstuntauglich“ eingestuft wurde – entgegen dem aktuellen | |
medizinischen Kenntnisstand: Wäre die Feuerwehr davon ausgegangen, nicht | |
der positive HIV-Status als solcher, sondern lediglich die (noch) | |
unbehandelte HIV-Infektion stehe einer Feuerwehrdiensttauglichkeit | |
entgegen, hätte es nahegelegen, den Bewerber als | |
„feuerwehrdienstuntauglich“ und nicht als „dauerhaft | |
feuerwehrdienstuntauglich“ einzustufen. Das Gericht berief sich im | |
Urteilsspruch deshalb explizit auf die erfolgte Stigmatisierung durch die | |
Berliner Feuerwehr. | |
Auch Vasili Franco, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses (Grüne), | |
kritisierte das Vorgehen der Feuerwehr scharf: „Es ist bedenklich, dass die | |
Feuerwehr in ihrer Begründung die stigmatisierende Fehlannahme | |
reproduziert, vom Kontakt mit HIV-positiven Menschen ginge eine Gefahr aus. | |
Gerade eine Behörde, die eigentlich für medizinische Fachkenntnis steht und | |
zudem unter massivem Personalmangel leidet, darf sich so etwas nicht | |
erlauben.“ Er bedauerte, dass es erst ein Gerichtsurteil brauche, um diese | |
Einstellungspraxis zu ändern. | |
Auch Vertreter der Berliner Feuerwehr zeigten sich in der Verhandlung | |
einsichtig und machten deutlich, dass sie inzwischen davon ausgingen, dass | |
der positive HIV-Status keinen absoluten Ausschlussgrund darstelle. | |
Gegenüber der taz betonte Simone Rost von der Berliner Feuerwehr, bei der | |
Untersuchung durch den Amtsarzt, ob die gesundheitlichen Anforderungen für | |
die Laufbahn vorliegen, komme es immer auf den jeweiligen Einzelfall an. | |
Mit Blick auf das Urteil ergänzte sie: „Die Entscheidung des | |
Verwaltungsgerichtes schafft insoweit Klarheit für zukünftige | |
Einstellungsverfahren, weshalb die Berliner Feuerwehr das Urteil | |
grundsätzlich begrüßt.“ | |
## In bestimmten Bereichen sind Tests erlaubt | |
Allgemein gilt, dass – beruhend auf arbeitsrechtlichen Grundsätzen – im | |
Einstellungsverfahren, aber auch später im Beschäftigungsverhältnis kein | |
HIV-Test durchgeführt werden darf. Ausnahmen bilden neben dem | |
Gesundheitscheck in der Pilot*innenausbildung sogenannte risikoreiche | |
Tätigkeiten, wie sie die Richtlinien der virologischen Vereinigungen | |
festlegen. Dazu gehören etwa Operationen, bei denen eine | |
Eigenverletzungsgefahr besteht. Auch in diesen Bereichen können Menschen | |
mit HIV allerdings tätig sein, sofern sie sich einer Therapie unterziehen. | |
Nach Ansicht von Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe gibt es immer | |
noch zu viele Arbeitgeber im Gesundheitswesen, die – aus irrationalen | |
Ängsten vor einer Ansteckung Dritter – denken, sie müssten ihre | |
Bewerber*innen testen. „Fakt ist, dass HIV bei rechtzeitiger Therapie | |
im Berufsalltag keine Rolle spielt“, so Wicht. | |
Dass dies immer wieder erstritten werden muss, zeigen diverse | |
Gerichtsverfahren der letzten Jahre. So hat das Verwaltungsgericht Hannover | |
2019 entschieden, dass die Polizei in Niedersachsen einen Kommissaranwärter | |
nicht grundsätzlich wegen seines positiven HIV-Status ablehnen darf. Die | |
Polizei Berlin erklärte der taz, dass sich ihre Bewerber:innen keinem | |
HIV-Test unterziehen müssen. | |
2 Nov 2022 | |
## AUTOREN | |
Hanna Fath | |
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