# taz.de -- Frankfurts Oberbürgermeister Feldmann: Allein gegen alle | |
> Der OB soll weg, da sind sich alle einig. Peter Feldmann steht wegen | |
> Vorteilsnahme vor Gericht. Nun stimmen die Bürger über die Abwahl ab. | |
Bild: OB Feldmann vor Gericht | |
Vor dem Frankfurter Landgericht demonstrieren am trüben 18. Oktober ein | |
halbes Dutzend Aktivisten, vor allem Funktionsträger von CDU und Junger | |
Union. „Rein in den Gerichtssaal, raus aus dem Römer“ steht auf ihren | |
Plakaten, neben einem Foto des amtierenden Oberbürgermeisters. Der Römer | |
ist sein Amtssitz. Der Hintergrund des Plakats leuchtet in der Parteifarbe | |
der SPD, die sich allerdings inzwischen von ihrem prominenten Mitglied | |
abgewandt hat. Vor dem Eingang haben Fotografen und Kameramänner ihre | |
Stative aufgebaut. Sie warten auf den Mann, der heute einen wichtigen | |
Termin hat. | |
Vor der 24. Strafkammer muss sich Peter Feldmann von diesem Tag an wegen | |
des [1][Vorwurfs der Korruption] verantworten: Der OB auf dem Weg zur | |
Anklagebank, vorbei an seinen Gegnern mit den Plakaten – das wäre wohl das | |
Foto des Tages. | |
Im Saal acht im ersten Stock nimmt Feldmann pünktlich um 9.30 Uhr neben | |
seinem Verteidiger Platz. Er trägt eine modische lila Krawatte, sein | |
dunkler Anzug sitzt tadellos. Nur ein paar Wassertropfen glänzen auf den | |
Schultern. Die hat er auf dem Weg vom Auto ins Gericht abbekommen, als er | |
einen nicht überdachten Zugang ins Gericht gewählt hat. Den Fotografen ist | |
er so erst einmal entwischt. Den kleinen Coup scheint er zu genießen. | |
Ansonsten läuft es nicht so gut für Peter Feldmann, nicht an diesem ersten | |
Prozesstag und auch sonst nicht. | |
Ein Ersatzschöffe kommt mit Verspätung, weil ein anderer Laienrichter an | |
Corona erkrankt ist. Nachdem sich alle erhoben haben und das Gericht | |
eingezogen ist, bleiben die fünf RichterInnen und Schöffen auch danach noch | |
minutenlang stehen. Damit die Bildjournalisten Fotos „schießen“ können, | |
sagt der vorsitzende Richter Wolfgang Gröschel. Er steht da, erhobenen | |
Hauptes, die Hände auf der hohen Lehne seines Richterstuhls. Mal schaut er | |
in das eine, mal in das andere Objektiv. Als Pressesprecher des | |
Landgerichts ist er Medienprofi. Er scheint den Vorsitz in diesem | |
spektakulären Verfahren zu genießen. Und es gibt jede Menge Fotos. | |
## Die Abwahlkampagne: Vereint gegen Feldmann | |
Parallel zum Prozess läuft in der Mainmetropole die [2][Abwahlkampagne] von | |
Grünen, CDU, FDP und VOLT gegen den Oberbürgermeister, der sich am Ende | |
auch die SPD angeschlossen hat. Im Juli hatte eine Zweidrittelmehrheit der | |
Stadtverordnetenversammlung die Abwahl Feldmanns beschlossen. Wenn in einer | |
Woche am Tag der Abstimmung, dem 6. November, die Stimmen ausgezählt sind, | |
könnte Feldmann noch am selben Abend seinen Job los sein, egal wie sein | |
Strafprozess ausgeht. Mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten müssen | |
dazu mit „Ja“ stimmen, nur dann erlangt die Abwahl der Stadtverordneten | |
Rechtskraft, eine einfache Mehrheit reicht nicht. | |
An OB-Direktwahlen nehmen in Hessen in der Regel kaum mehr als 30 Prozent | |
der Stimmberechtigten teil. Die Hürde ist entsprechend hoch. Es gab | |
allerdings auch noch nie eine vergleichbare Kampagne. | |
Bis dahin wird im Korruptionsprozess sicher noch kein Urteil gefällt sein. | |
Als „unglücklich“ hatte es der vorsitzende Richter Wolfgang Gröschel | |
bezeichnet, dass Prozess und Bürgerabstimmung zeitlich zusammenfallen. | |
Gleichwohl kommt er am ersten Verhandlungstag energisch zur Sache und macht | |
deutlich, dass er sich die Regie in diesem Verfahren nicht nehmen lässt. | |
Als Feldmanns Verteidiger David Hofferbert einen Befangenheitsantrag gegen | |
ihn, den Vorsitzenden, verlesen will, will Gröschel das zunächst im | |
Alleingang verhindern. Erst nach heftiger Intervention der Verteidigung | |
zieht er sich mit den übrigen RichterInnen zur Beratung zurück. Der | |
Befangenheitsantrag sei außergerichtlich eingereicht und werde | |
nichtöffentlich erörtert, verkündet der von der Verteidigung abgelehnte | |
Richter schließlich. Später wird er auch den Beschluss einer anderen Kammer | |
vortragen, die den Antrag als unbegründet verworfen hat. | |
„Sie heißen mit Vornamen“, fragt Gröschel, als er Feldmanns allgemein | |
bekannte Personalien aufnimmt. Als der interveniert, weil er nicht einfach | |
„verheiratet“ sei, weil doch die Scheidung laufe, belehrt ihn der | |
Vorsitzende: „Nicht geschieden, also verheiratet.“ Punkt. | |
Es sind Hakeleien, Beleg der angespannten Atmosphäre. Vorteilsnahme im Amt | |
heißt der Straftatbestand der Anklage. In „stillschweigendem Einvernehmen“ | |
habe Feldmann mit den Verantwortlichen der Frankfurter AWO eine | |
Unrechtsvereinbarung getroffen, indem er für sich und seine inzwischen von | |
ihm getrennt lebende Ehefrau Vorteile angenommen habe. Im Gegenzug habe er | |
als Amtsträger der AWO das „Wohlwollen“ der Stadtverwaltung gesichert, so | |
die Argumentation. | |
## Es drohen bis zu drei Jahre Haft | |
Erdrückend sind die vorgelegten Beweise nicht. E-Mails, die zwischen | |
Feldmann und der inzwischen geschassten AWO-Geschäftsführerin Hannelore | |
Richter und ihm hin- und hergegangen sind, „mit lieben und roten Grüßen“, | |
ein Gespräch, das der OB mit der Sozialdezernentin der Stadt geführt hat, | |
bei dem er sie aufgefordert haben soll, sich mit der AWO in einer | |
Streitfrage zu einigen. Schließlich eine „Rückkehrvereinbarung“ zwischen | |
der AWO und ihrem ehemaligen Angestellten Feldmann für die Zeit nach seinem | |
Ausscheiden aus dem Amt. Erst die Verhandlung wird zeigen, ob diese Anklage | |
Bestand hat. Es geht um viel. | |
Bis zu drei Jahre Haft erhält nach [3][§ 331 StGB] ein Amtsträger, wenn er | |
wegen Korruption verurteilt wird. Feldmann droht nicht nur Haft, sondern | |
auch der Verlust von Pensionsansprüchen. Seit vier Jahren treibt der | |
Skandal um die SPD-nahe Arbeiterwohlfahrt die Stadtgesellschaft um. | |
Das von der Staatsanwaltschaft „gesondert verfolgte“ Geschäftsführerpaar | |
der [4][AWO], Jürgen und Hannelore Richter, soll sich und ihrer Entourage | |
über Jahre hinweg die Taschen vollgestopft haben. Mit falschen | |
Abrechnungen, überhöhten Gehaltszahlungen und Boni, teuren Luxusautos und | |
fingierten Spesenabrechnungen haben sie einen Millionenschaden verursacht, | |
so die Vorwürfe der neuen AWO-Geschäftsführung. Den Schaden hatten der | |
Sozialverband und seine Kunden, darunter nicht zuletzt die Stadt Frankfurt. | |
Es ging munter zu im AWO-Biotop: Einem Grünen-Kommunalpolitiker, der | |
inzwischen im Landtag sitzt, soll ein Range Rover zur Verfügung gestellt | |
worden sein, ohne Gegenleistung. Die Tochter eines Wiesbadener | |
CDU-Kommunalpolitikers soll für eine geringfügige Beschäftigung Geld | |
erhalten haben, ohne Gegenleistung. Auch gegen einen SPD-Dezernenten wurde | |
ermittelt. Vor Straf-, Zivil- und Arbeitsgerichten sind mehr als ein | |
Dutzend Prozesse anhängig. | |
Der Prozess vor dem Frankfurter Landgericht ist also nicht der einzige in | |
diesem Skandal. Nicht um große Summen geht es hier, sondern um den schweren | |
Vorwurf gegen einen prominenten und umstrittenen Mann. Die Strafkammer hat | |
die Korruptionsklage zugelassen, bejaht also einen hinreichenden | |
Tatverdacht. | |
## Die Strategie der Verteidigung | |
Am zweiten Prozesstag, eine Woche nach dem Auftakt, wird [5][Feldmanns | |
Version] aufgerufen. Fast zwei Stunden lang verliest sein Verteidiger die | |
persönliche Einlassung des OB. Kopfschütteln im Zuhörerraum, als Feldmann | |
einen verstörenden Blick in sein Privatleben zulässt: Die Beziehung zu | |
seiner Noch-Ehefrau Zübeyde war für ihn danach nur „eine Liebelei“. Als s… | |
vor sechs Jahren schwanger wurde, habe er sie zur Abtreibung gedrängt. In | |
die Eheschließung habe er nur eingewilligt, weil ein uneheliches Kind in | |
ihrer türkischen Herkunftsfamilie als Schande gegolten hätte. Feldmann | |
räumt das Bild ab, das er bislang gestellt hat, als der liebende Ehemann | |
und treu sorgende Vater. | |
Im April 2016 hatte der OB seine Hochzeit mit seiner fast 30 Jahre jüngeren | |
Ehefrau noch als rauschendes Fest inszeniert. Nach einer ersten Ehekrise | |
kündigte er im August 2020 an, das Eheversprechen noch einmal feierlich | |
erneuern zu wollen. „Meine Frau und ich haben lange um unsere Beziehung | |
gekämpft – leider vergeblich“, hieß es dann ein Jahr später. | |
Weshalb die Volte? Hat die AWO Feldmann keinen Vorteil gewährt, kommt | |
Vorteilsnahme nicht in Betracht, so die Logik einer Verteidigungsstrategie, | |
die keine Rücksicht auf Verluste kennt: Das überhöhte Gehalt seiner Frau im | |
AWO-Job – 4.500 Euro monatlich plus Dienstwagen – sei nur ihr und nicht ihm | |
zugutegekommen, lässt Feldmann vortragen. Dabei sammelt er möglicherweise | |
juristisch sogar Punkte. | |
Noch am selben Tag löst Feldmanns Auftritt einen Shitstorm aus. Am Abend | |
sieht sich der OB genötigt, seine sechsjährige Tochter per Facebook um | |
Entschuldigung zu bitten: „Ich liebe Dich – und habe nicht einen Tag | |
bereut, mich in einer schwierigen Lebenssituation für Dich und meine | |
Verantwortung als Vater entschieden zu haben. So hätte ich es sagen | |
müssen“, räumt Feldmann da ein. Hat er aber nicht. | |
Die OB-Direktwahl 2012 und die Wiederwahl 2018 hatte Feldmann nicht so sehr | |
als Person gewonnen, sondern weil er andere Themen setzte als die | |
Konkurrenz. Im Juni bei der Debatte im Römer erkannte [6][Jutta Ditfurth], | |
Gründungsmitglied der Grünen und seit zwei Jahrzehnten Ökolinx-Abgeordnete | |
im Stadtparlament, in der geplanten Abwahl denn auch eher einen | |
Kulturkampf. „CDU, FDP und ein größerer Teil der feinen Gesellschaft haben | |
sich nie damit abgefunden, dass ein linker Sozialdemokrat Oberbürgermeister | |
von Frankfurt geworden ist. Was für Feldmann spricht, ist, was seine | |
GegnerInnen am meisten hassen: seine soziale Seite, seine frühere Arbeit in | |
Brennpunkten, im Jugendzentren, in Altenpflegeeinrichtungen, sein heutiges | |
Engagement für kostenlose Kinderbetreuung, für bezahlbare Mieten“, | |
kritisierte Ditfurth die Mehrheit. Auch sie fordert den OB zum Rücktritt | |
auf, die Abwahl hält sie aber für eine Geldverschwendung mit hohem Risiko. | |
Mit Feldmanns Triumph 2012 begann für die SPD in ihrer einstigen Hochburg | |
die Renaissance. Als weithin unbekannter Sozialpolitiker setzte er sich | |
gegen den Favoriten und amtierenden Innenminister Boris Rhein (CDU) durch. | |
Der ist inzwischen als Ministerpräsident Chef einer schwarz-grünen | |
Landesregierung und muss sich im nächsten Oktober erstmals den WählerInnen | |
im ganzen Land stellen. Er hält sich raus aus dem Frankfurter Schlamassel. | |
Seit der letzten Kommunalwahl im vergangenen Jahr ist die CDU in Frankfurt | |
nur noch Oppositionspartei, erstmals nach Jahrzehnten. Nach Feldmanns | |
Abwahl hofft sie auf einen Neuanfang. | |
Auf Plätzen und Werbeflächen und an Infoständen trommelt die Große | |
Koalition im ganzen Stadtgebiet für die Abwahl Feldmanns: „Ja für | |
Frankfurt, aus Respekt vor unserer Stadt“ steht in großen Lettern auf | |
hunderten Plakaten. Grüne verteilen Bierdeckel mit Sprüchen gegen den OB, | |
zehntausende Flyer mit „überparteilichen“ Motiven landen in den | |
Briefkästen. Nur wer für die Abwahl stimmt, hat das Wohl der Stadt im Sinn, | |
so die Logik der Kampagne. | |
## Der peinliche OB | |
Die Korruptionsvorwürfe sind dabei nur ein Thema. Um politische Inhalte | |
geht es weniger, eher um die Alleingänge und Ungeschicklichkeiten des OB. | |
„Feldmann muss gehen, aber der Pokal bleibt hier“, steht auf den | |
Bierdeckeln der Grünen. Sie spielen an auf den Empfang der Frankfurter | |
Eintracht im Römer nach dem Sieg im Europapokal, als der freudetrunkene OB | |
dem Mannschaftskapitän [7][den Pokal entwand]. Nach dem legendären Sieg der | |
Eintracht gegen Bayern München im DFB-Pokal 2018 hatte sich der damalige | |
Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, der im Römer nicht einmal Gastgeber | |
war, den Pott ebenfalls geschnappt und ihn sogar bis zum Balkon getragen. | |
Doch der Vorwurf „Pokalklau“ richtet sich ausschließlich gegen Feldmann. | |
„FlugbegleiterInnen sind kein Freiwild“, lautet ein anderer Spruch. Die | |
Grünen spielen damit auf einen peinlichen Auftritt Feldmanns im Flugzeug | |
an, mit dem er von und nach Sevilla unterwegs war. Die Flugbegleiterinnen | |
hätten ihn „hormonell am Anfang erst mal außer Gefecht gesetzt“, lallte er | |
da ins Mikrofon. Voll daneben und sexistisch, aber Grund für eine Abwahl, | |
die die Stadt rund 1,6 Millionen Euro kostet? | |
„Verrückt und Teil des Kulturkampfs ist, dass sich auch Leute empören, die | |
Sexisten in den eigenen Reihen nie gefeuert haben“, hielt Jutta Ditfurth im | |
Römer den Kampagnieros vor und fügte hinzu: „Ich erinnere mich an | |
sitzungssprengende sexistische Brüllereien seitens der CDU zum Beispiel | |
gegen mich. Ich erinnere mich an einen FDP-Stadtverordneten, der vor zehn | |
Jahren Fotos seines erigierten Penis verschickte. Nie wurde einer | |
gefeuert“. | |
Andere empfinden die Abwahlkampagne dagegen als zu lasch. In seiner Kolumne | |
in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung meldete sich im letzten Monat der | |
frühere Regierungssprecher Dirk Metz zu Wort. Als Spindoctor hatte er einst | |
den damaligen CDU-Landeschef Roland Koch durch eine als rassistisch | |
kritisierte Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpass begleitet. Die | |
Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU überlebte Koch als Ministerpräsident | |
mit Metz’ Hilfe, trotz erfundener „jüdischer Vermächtnisse“ und öffent… | |
eingestandener Lügen. Sechs Wochen vor der Abstimmung klagt Metz über die | |
mangelnde Entschlossenheit der Abwahlkampagne. Wie bei einer richtigen Wahl | |
müsse die „volle Kapelle“ aufspielen, forderte der PR-Berater. „Mir drä… | |
sich der Eindruck auf, dass die Parteien derzeit taktieren und nur auf ‚den | |
Tag danach‘ schielen. Bloß kein Geld ausgeben, weil doch dann ein | |
‚richtiger‘ Wahlkampf kommt, für den man sein ‚Pulver‘ und unbeschädi… | |
Personen braucht. Gemeint ist der Wahlkampf um die Nachfolge Feldmanns“, so | |
Metz in der FAZ. | |
## Seltsame Rabatte bei Frankfurter Zeitungen | |
Vielleicht ist seine Kritik angekommen. Jedenfalls nutzt das Abwahlbündnis | |
inzwischen ausgiebig eine bemerkenswerte Rabattaktion der | |
[8][Rhein-Main-Media] (RMM), die die Inserate in allen drei Frankfurter | |
Tageszeitungen vermarktet. Der taz liegt ein Angebot vor, das sich | |
ausdrücklich an das „Parteienbündnis“ der Abwahlkampagne richtet. „In | |
Abstimmung mit der Geschäftsführung“ bietet RMM unter dem 6. Oktober im | |
Zusammenhang mit dem Bürgerentscheid einen „Sonderpreis“ für Anzeigen „… | |
unseren drei Tageszeitungen“ an. Es handelt sich um FAZ, Frankfurter | |
Rundschau und Frankfurter Neue Presse. Eine ganze Anzeigenseite in den drei | |
Titeln soll danach lediglich 2.950 Euro kosten; Bei einem regulären Preis | |
von 27.413,76 Euro lockt RMM mit fast 90 Prozent Rabatt. Einzige Bedingung: | |
Es müssen „neutrale Motive“ sein, „keine Parteienwerbung“. So ein | |
„neutrales“ Motiv erscheint zum Beispiel am 25. 10.: „ABWAHL VON OB | |
FELDMANN! Neustart für Frankfurt“, fordert in großen Lettern die | |
halbseitige Anzeige in der Rundschau, darunter die Logos der fünf Parteien | |
des Bündnisses gegen Feldmann. | |
Am Samstag darauf erscheint in der Frankfurter Rundschau ganzseitig, in FAZ | |
und Neuer Presse halbseitig, eine Anzeige der CDU: „Geben wir unserer Stadt | |
die Würde zurück! OB Peter Feldmann abwählen“, steht da vor einem Foto mit | |
der Skyline. Ebenfalls ein „neutrales Motiv“ und keine Parteienwerbung“, | |
wie es in den Bedingungen von RMM heißt? | |
Die Redaktionen von FAZ und Rundschau wollten den Megarabatt nicht | |
kommentieren, wegen der strikten Trennung von Redaktion und Verlag. „Die | |
Redaktion lässt alle Seiten ausgewogen zu Wort kommen“, versichert Michael | |
Bayer, stellvertretender Chefredakteur der Frankfurter Rundschau. Verleger | |
[9][Max Rempel], gleichzeitig Geschäftsführer und Chefredakteur der | |
Frankfurter Neuen Presse, findet nichts Verwerfliches an der Rabattaktion. | |
Der bekannte Frankfurter [10][Medienmanager Bernd Reisig], ein Kritiker der | |
Abwahlkampagne, nennt es dagegen „unfassbar, dass sich Medien in dieser | |
Weise parteiisch in eine politische Auseinandersetzung einmischen, nicht | |
mehr sauber berichten, sondern sich zum Teil einer Kampagne machen“, so | |
Reisig zur taz. | |
Rempel widerspricht empört: „Den Vorwurf, wir würden nicht sauber | |
berichten, weise ich entschieden zurück. Meinungsartikel und Kommentare | |
werden klar als solche gekennzeichnet.“ Die FAZ stellt fast wortgleich | |
fest: „Gegen die Vorwürfe einer problematischen Medienkampagne und | |
unsauberen Berichterstattung verwahren wir uns in aller Form.“ | |
Als Anzeigenvermarkter will auch RMM-Geschäftsführer Pflüger von einer | |
Schieflage des Angebots nichts wissen. Er stellt fest, der Sonderpreis | |
werde „grundsätzlich allen demokratisch legitimierten Organisationen | |
gewährt, die sich zum Bürgerentscheid äußern möchten“. Zunächst hatte | |
Pfüger das eingeschränkt, es gelte, soweit sie „die Wahlberechtigten in | |
Frankfurt zur Teilnahme am Bürgerentscheid bewegen wollen“. Eine hohe | |
Wahlbeteiligung ist aber Bedingung für die Abwahl, dem OB hilft es auch, | |
wenn die Leute einfach wegbleiben. Pflüger präzisiert schließlich, das | |
Angebot gelte „auch Herrn Feldmann“. | |
Doch weiß der überhaupt davon? „Dem OB liegt kein solches Angebot vor“, | |
versichert sein Sprecher Olaf Schiel. Wie die taz habe der OB erst spät | |
über Umwege von dem Rabatt-Turbo erfahren, heißt es aus dem Römer. Sein | |
Sprecher versucht sich humoristisch. Die Stadt Frankfurt inseriere | |
regelmäßig „in diesen Blättern“, schreibt er und fragt polemisch: „Dar… | |
nun davon ausgehen, dass uns ab sofort immer ähnlich günstige Konditionen | |
angeboten werden? Oder gibt es 90 Prozent Rabatt nur, wenn es gegen den | |
Oberbürgermeister geht?“ | |
Der Prozess gegen Peter Feldmann wird an diesem Montag, sechs Tage vor der | |
Abstimmung über seine Abwahl, mit den Zeugenvernehmungen fortgesetzt. | |
30 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-Oberbuergermeister-in-Frankfurt/!5885850 | |
[2] /Misstrauensantrag-gegen-Feldmann/!5860250 | |
[3] https://dejure.org/gesetze/StGB/331.html | |
[4] /!5657812/ | |
[5] /Prozess-gegen-Frankfurter-OB/!5887367 | |
[6] http://www.jutta-ditfurth.de/ | |
[7] /Oberbuergermeister-in-Frankfurt-am-Main/!5857208 | |
[8] https://www.rmm.de/ | |
[9] https://www.mediengruppe-frankfurt.de/ueber-uns/ | |
[10] https://www.xing.com/profile/Bernd_Reisig | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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