| # taz.de -- Biefang legt Verfassungsbeschwerde ein: trans Soldatin geht nach Ka… | |
| > Ihr Tinder-Profil eckte bei der Bundeswehr an. Jetzt klagt die | |
| > pansexuelle Kommandeurin gegen den gerichtlich bestätigten Verweis. | |
| Bild: Anastasia Biefang und der Anwalt Michael Gladowin am 25. Mai im Bundesver… | |
| Freiburg taz | Die [1][Bundeswehr-Offizierin Anastasia Biefang] hat an | |
| diesem Freitag Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie wehrt sich gegen einen | |
| Verweis, den sie für ihr privates Tinder-Profil erhalten hat. Im Mai hatte | |
| das Bundesverwaltungsgericht die Disziplinarmaßnahme als rechtmäßig | |
| bewertet. | |
| Biefang ist Oberstleutnant der Bundeswehr im Kommando Informationstechnik. | |
| Sie ist als trans Frau bekannt und wird von der [2][Bundeswehr auch als | |
| Aushängeschild für Vielfalt] präsentiert. In ihrem privaten Tinder-Profil | |
| schrieb Biefang: „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung und auf der | |
| Suche nach Sex. All genders welcome“. Das Profil enthielt keinerlei Bezug | |
| zu ihrer Tätigkeit bei der Bundeswehr. Sie war ohne Uniform (aber | |
| angezogen) abgebildet, mit sichtbarem Ehering. | |
| Nachdem ein Screenshot des Tinderprofils der Bundeswehr zugespielt wurde, | |
| erhielt Biefang 2019 einen Verweis, der bereits in zwei Instanzen | |
| gerichtlich bestätigt wurde. So entschied das Truppendienstgericht Süd im | |
| November 2020, Biefang habe „sich selbst und ihre wechselnden | |
| Geschlechtspartner zu reinen Sexobjekten reduziert“. Damit habe sie sowohl | |
| das „Ansehen der Bundeswehr als auch ihre eigene Achtungs- und | |
| Vertrauenswürdigkeit beeinträchtigt“. | |
| Im Mai diesen Jahres bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig den | |
| Verweis nun aber mit neuer Begründung: „ein Disziplinarvorgesetzter kann | |
| erzieherische und disziplinare Maßnahmen wegen sexueller Verfehlungen nicht | |
| glaubhaft vermitteln, wenn seine Äußerungen über seinen eigenen | |
| Lebenswandel auf ein hemmungsloses Ausleben des Sexualtriebs hindeuten.“ | |
| ## Unterstützung für Verfassungsbeschwerde | |
| Gegen den Verweis und die Gerichtsurteile erhob Biefang, die inzwischen als | |
| Referatsleiterin im Generalstab der Bundeswehr arbeitet, | |
| Verfassungsbeschwerde. Sie wird dabei von der Gesellschaft für | |
| Freiheitsrechte (GFF) und vom Verein QueerBW unterstützt. Biefang ist auch | |
| Vize-Vorsitzende von QueerBW. Der 84-seitige Schriftsatz liegt der taz vor. | |
| Biefang beruft sich vor allem auf ihr Grundrecht auf sexuelle | |
| Selbstbestimmung, einen Unterfall des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. | |
| Zur sexuellen Selbstbestimmung gehöre auch das „Recht, sexuelle Kontakte zu | |
| suchen und bei dieser Suche ehrlich und nach eigener Vorstellung das eigene | |
| Begehren zu thematisieren“. Für sie gehöre eine offene Beziehung zur | |
| Identität, ebenso das sexuelle Interesse gegenüber allen Geschlechtern, die | |
| so genannte Pansexualität. | |
| Soweit ihr das Bundesverwaltungsgericht „überspitzte“ Formulierungen im | |
| Tinderprofil vorwirft, sei das Gericht „weder mit Tinder noch mit der | |
| Kommunikation über queere Sexualität vertraut“, es ordne den Profiltext | |
| völlig falsch ein. So stelle die Aussage „offene Beziehung, auf der Suche | |
| nach Sex“ klar, dass Biefang keine Beziehung sucht, sondern bereits in | |
| einer Partnerschaft lebt. Mit dem Hinweis, dass ihre Ehefrau mit weiteren | |
| sexuellen Kontakten einverstanden ist, beuge Biefang Erpressungsversuchen | |
| vor. Mit „all genders welcome“ habe Biefang eine der üblichen | |
| Formulierungen gewählt, um Pansexualität als sexuelle Orientierung zu | |
| beschreiben. | |
| Plattformen wie Tinder seien für Menschen aus sexuellen Minderheiten | |
| besonders wichtig, da sie im persönlichen Umfeld oft nicht die geeigneten | |
| Partner:innen finden. Wenn von ihr faktisch verlangt werde, keine | |
| Dating-Plattformen mehr zu nutzen, um bei der Bundeswehr niemand zu | |
| irritieren, sei das ein massiver Einschnitt in ihr außerdienstliches | |
| Privatleben und ihre Grundrechte. | |
| ## Wie moralisch darf die Bundeswehr sein? | |
| Für diesen Eingriff gebe es keine taugliche Rechtfertigung. Die Bundeswehr | |
| dürfe nicht überkommene Moralvorstellungen zum Maßstab von | |
| Disziplinarmaßnahmen machen. „Es widerspricht den Grundrechten in einer | |
| liberalen Gesellschaft, dass die legale Freiheitsausübung nur soweit | |
| möglich sein soll, wie sie keinen Anstoß erregt“, heißt es in der | |
| Verfassungsbeschwerde. | |
| Außerdem sei die Vorstellung, eine promiske Vorgesetzte könne sexuelle | |
| Übergriffe nicht glaubhaft unterbinden „abwegig“ und damit als Argument | |
| schon im Ansatz ungeeignet. Neben der sexuellen Selbstbestimmung pocht | |
| Biefang auch auf die Meinungsfreiheit. Mit Formulierungen wie „all genders | |
| welcome“ habe sie sich sich auch gesellschaftspolitisch positioniert. Sie | |
| distanziere sich dabei von der Vorstellung, es gebe nur zwei Geschlechter. | |
| Ihr freundliches „welcome“ werbe für Toleranz und Vielfalt. | |
| Am Bundesverfassungsgericht wird vermutlich der liberalere Erste Senat | |
| zuständig sein. Für Fälle um das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist die | |
| Verfassungsrichterin Ines Härtel federführend. Noch ist völlig offen, wann | |
| mit einer Entscheidung zu rechnen ist. | |
| 14 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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