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# taz.de -- AfD-Demo und Gegendemos in Berlin: Russland-Flaggen und Nazi-Slogans
> Mehrere tausend Teilnehmer*innen hat die AfD am Samstag nach Berlin
> mobilisiert. Sie riefen rechtsextreme Parolen und griffen die Presse an.
Bild: Flankiert von Gegenprotesten demonstrierte die AfD am Samstag in Berlin
Berlin taz | Unter dem Motto „Unser Land zuerst“ sind am Samstag mehrere
tausend Menschen nach einem Aufruf der extrem rechten AfD durch das
Regierungsviertel in Berlin gezogen. Für welches Land genau demonstriert
werden sollte, war vor Ort allerdings eher vieldeutig: Die anfangs laut
Polizei rund 3.000 Teilnehmer*innen hatten bei der Auftaktkundgebung
auf der Reichstagswiese neben Deutschland-Fahnen auch zahlreiche
Russland-Flaggen dabei, ebenso die von Pegida-Demos bekannten
[1][Wirmer-Fahnen]. Dazu kamen mehrere Reichsflaggen und solche von
Preußen, Sachsen und Thüringen. Einige Fahnen waren sogar zur einen Hälfte
russisch und zur anderen deutsch. Ähnlich vage blieben abseits der
Forderung nach einer Reparatur und Öffnung von Nord Stream 2 die Rufe nach
Auswegen aus der Energiekrise.
Flankiert von mehreren Gegendemonstrationen mit jeweils mehreren hundert
Teilnehmer*innen, initiiert von zahlreichen antifaschistischen
Bündnissen, von den Gewerkschaften, Parteien und Kirchen, liefen die
AfD-Demonstrant*innen ab circa 15 Uhr an Regierungsgebäuden vorbei und
durch benachbarte Straßen, um schließlich zu einer Abschlusskundgebung
erneut vor den Reichstag zu gelangen. Vor allem die Treppe vor dem großen
Haupteingang hatte die Polizei gut gesichert – auch um Bilder wie im August
2020 zu verhindern, als Rechtsextreme und Verschwörungsideolog*innen
auf genau diese Treppe gestürmt waren. Am Samstag war der Reichstag mit
Gittern abgesperrt und insgesamt 1.900 Polizist*innen waren im Einsatz,
davon 400 aus anderen Bundesländern.
An vielen Ecken gab es neben Gegendemonstrationen und antifaschistischen
Sprechchören auch kreativere Aktionen. An einer Stelle regnete es aus einem
Gebäude [2][aus AfD-Flyern gestanzte Konfetti auf die Demo], an einer
anderen [3][crashten Gegendemonstrant*innen] mit einem eigenen Plakat
im blauen, aber nur vermeintlichen AfD-Design die Demo: „Preisdeckel,
Umverteilung, Vergesellschaftung, Solidarität – alles, was es braucht,
lehnt die AfD ab.“ Wütende Rechte, ein Handgemenge und ein paar Festnahmen
waren das Ergebnis.
Tatsächlich hatten zuvor die Redner auf der AfD-Kundgebung kaum soziale
Aspekte der Energiekrise angeschnitten. Der sächsische AfD-Bundessprecher
Tino Chrupalla hatte in seiner Rede hauptsächlich gegen den grünen
Wirtschaftsminister Robert Habeck gehetzt. Dieser müsse weg, denn er führe
einen Krieg gegen das eigene Land, so Chrupalla. Die AfD kämpfe hingegen
„für ein souveränes Deutschland“, was wiederum stark nach
Reichsbürger-Sprech klang.
Zudem schürten er und andere Redner ganz in Putins Sinne die Angst vor
einem Atomkrieg und den wirtschaftlichen Abstieg. russlandfreundliche
Forderungen fanden sich nicht nur in den Reden, sondern auch auf
zahlreichen Plakaten mit Aufschriften wie „Ich will russisches Gas“.
Co-Bundessprecherin Alice Weidel hatte ihren Auftritt krankheitsbedingt
abgesagt. Neben Chrupalla liefen an der Spitze der Demo der
Vize-Bundesvorstand Stephan Brandner, die Berliner Bundestagsabgeordnete
Beatrix von Storch, die Berliner Landeschefin Kristin Brinker sowie der
AfD-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt, Martin Reichhardt.
## Rechtsextreme Gruppen und Slogans
Nicht zu übersehen waren auf der Kundgebung rechtsextreme Gruppen wie die
Freien Thüringer sowie Neonazis in Thor-Steinar-Klamotten und anderen
rechten Szenemarken. Auch gab es offenbar [4][vereinzelte Hitlergrüße].
[5][Der Rechtsextreme Arthur Österle,] der selbst beim [6][Sturm der
Reichstagstreppe 2020] dabei gewesen war, kümmerte sich wie zuletzt auf dem
AfD-Bundesparteitag in Riesa um „Security“. Ebenso erschienen waren
zahlreiche vermeintlich bürgerlich aussehende Leute, die allerdings nicht
besonders diskret wahlweise „Habeck muss weg“ oder „Widerstand“ riefen.
Viele Teilnehmer*innen waren überregional mit Reisebussen nach Berlin
gereist, die AfD hatte seit Wochen bundesweit mobilisiert. Die Demo sollte
der Auftakt der [7][Kampagne zum „heißen Herbst“ sein].
Besonders militant wirkte der Demo-Block der Jungen Alternative kurz hinter
den Parteichefs. Deren Teilnehmer*innen riefen rechtsextreme Parolen
wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, „Festung
Europa“ oder „Heimat, Freiheit, Tradition – Multikulti Endstation“,
letztere ist auch ein Slogan der Identitären Bewegung. Einer der Teilnehmer
in dem Block, Gavin S., war ebenfalls 2020 beim Sturm der Reichstagstreppe
dabei.
Pressefeindlich war die Stimmung obendrein: Gleich nach Beginn der
Kundgebung soll laut dem Geschäftsführer der Journalist*innen-Union von
Verdi, [8][Jörg Reichel], ein Stern-TV-Team angegriffen worden sein,
inklusive Beschädigung eines Geräts, Griffen ins Gesicht und der
Aufforderung, den Mund-Nasen-Schutz abzunehmen. Später [9][berichtete
Reichel] von einem tätlichen Angriff auf ein Videoteam einer
Nachrichtenagentur. Mehrere Demo-Teilnehmer*innen hätten wiederholt
Journalist*innen angehustet und eine Kamerafrau angerempelt und
geschubst.
## Blockadeversuche gescheitert
Im Laufe der AfD-Kundgebung und ihres anschließenden Demonstrationszuges
wuchs die Teilnehmer*innenzahl laut Polizeiangaben erst auf 8.000 und
schließlich auf 10.000 Personen. Auch die AfD sprach am Nachmittag von
„rund 10.000 Menschen“ und wertete den Aufmarsch entsprechend als Erfolg.
Einige Teilnehmer*innen sangen im Vorbeigehen an der russischen
Botschaft „Ein Tag so wunderschön wie heute“. Bei der Abschlusskundgebung
sagte der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete und Bundesvorstand Dennis
Hohloch, dass es schön sei, „in diesem Shithole Berlin so viele Patrioten“
gesehen zu haben. Angemeldet war der Aufzug für rund 4.000
Teilnehmer*innen.
Für die AfD ist die Demo die erste größere Mobilisierung nach Berlin seit
2018, damals wurde die eigene Veranstaltung aber zahlenmäßig von einer
Gegendemo mit rund 25.000 Teilnehmer*innen übertroffen. Am Samstag
waren deutlich weniger AfD-Gegner*innen unterwegs. Die Polizei schätzte die
Gegendemonstrant*innen auf rund 1.500. Veranstalter sprachen von
einer deutlichen höheren Zahl, unter Berücksichtigung aller dezentralen
Aktionen. Mehrere Blockadeversuche in der Friedrichstraße sollen nach
Angaben der Polizei gescheitert sein.
8 Oct 2022
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/wirmer-flagge-pegida-und-das-symbol-der…
[2] https://twitter.com/stadtrandaktion/status/1578737912270966784
[3] https://twitter.com/timluedde/status/1578729869307187200
[4] https://twitter.com/DominikLenze/status/1578753487709491201
[5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-03/rechtsextremist-personensch…
[6] https://www.belltower.news/sturm-auf-den-bundestag-eine-extrem-rechte-macht…
[7] /AfD-Kampagne-zum-heissen-Herbst/!5880864
[8] https://twitter.com/ver_jorg/status/1578714358934556672
[9] https://twitter.com/ver_jorg/status/1578749299005214720
## AUTOREN
Gareth Joswig
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