# taz.de -- Israel und Libanon im Streit um Gasfelder: Rückzug kurz vor der Ei… | |
> Das Abkommen über Grenzziehungen im Meer liegt vorerst auf Eis. Der | |
> Libanon hatte noch Änderungswünsche, die Israel nicht akzeptieren wollte. | |
Bild: Im südlichen Teil vom Karish-Gasfeld sind schon längst Bohrschiffe unte… | |
TEL AVIV/BEIRUT taz | Zunächst sah es nach einem Durchbruch aus. Doch das | |
mit Hilfe der USA ausgehandelte Abkommen im Streit um die Gasfelder vor den | |
Küsten des Libanon und Israels ist am Donnerstag schließllich nicht | |
unterschrieben worden. Israel lehnte einige Änderungen, die der Libanon | |
noch einbringen wollte, ab. Ministerpräsident Yair Lapid betonte, Israel | |
werde „seine Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen“ in keinster Weise | |
gefährden, auch wenn dies bedeute, dass es am Ende kein Abkommen mit dem | |
Libanon geben werde. | |
Das war ein Rückschlag für Libanons Führung. Diese benötigt dringend ein | |
Signal [1][für die Linderung der Wirtschaftskrise im Land]. „In der Praxis | |
haben wir alles erhalten, worum wir gebeten haben“, sagte der | |
Vize-Parlamentssprecher Elias Bou Saab noch am Dienstagabend dem lokalen | |
Sender LBCI. Am Donnerstag Morgen gratulierte sich Libanons | |
[2][Interims-Ministerpräsident Nadschib Mikati] selbst und sagte | |
öffentlich, dass ein diplomatischer Erfolg der Region einen neuen Krieg | |
ersparen würde. Doch dann kam die Absage Israels am Abend. | |
Israel und der Libanon streiten sich seit Jahrzehnten um die Grenzziehung | |
im Meer. Bei den Verhandlungen geht es vor allem um zwei Gasfelder vor der | |
Küste zwischen Haifa und Sidon: Kana und das südlich darunter liegende | |
Karish. 2012 schlug der damalige US-Vermittler Frederic Hof einen | |
Kompromiss vor, der das Gebiet zu 55 Prozent dem Libanon und zu 45 Prozent | |
Israel zugeschlagen hätte. Doch die libanesische Regierung lehnte dies ohne | |
Grund ab, die Verhandlungen lagen auf Eis. | |
Als Israel im Juni signalisierte, dass die Gasförderungen im südlichen Teil | |
von Karish beginnen würden, drohte Hassan Nasrallah, Parteiführer der | |
[3][schiitischen Partei und Miliz Hisbollah], die Offshore-Gasinfrastruktur | |
anzugreifen, falls sich die Länder zuvor nicht auf eine Grenze geeinigt | |
haben sollten. Israel und Libanon nahmen die Verhandlungen wieder auf, | |
mithilfe der USA. | |
Der jüngste Vorschlag des derzeitigen Vermittlers Amos Hochstein wurde | |
nicht öffentlich gemacht, genauso wenig wie die Modifikationen, die der | |
Libanon daran vornehmen wollte. Die israelische Tageszeitung Haaretz | |
berichtete allerdings von zwei Änderungswünschen seitens des Libanons und | |
berief sich dabei auf israelische Sicherheitsbeamte. | |
Die eine vom Libanon vorgebrachte Änderung sah vor, dass eine der | |
Grenzlinien nicht als „Status Quo“ sondern als de-facto-Grenze bezeichnet | |
werden sollte. Israel hatte diese zuvor mit einer Reihe von Bojen markiert. | |
De-Facto, so zitiert Haaretz einen israelischen Beamten, würde allerdings | |
bedeuten, dass der Teritorialstreit doch noch nicht beendet ist. | |
Bei der zweiten von Israel abgelehnten Änderung geht es laut Haaretz um die | |
Rolle der libanesischen Regierung in Bezug auf das Kana-Gasfeld. Laut dem | |
Kompromissvorschlag sollen Teile des potentiellen Gewinns aus diesem | |
Gasfeld an Israel gehen, jedoch ausschließlich über den privaten Betreiber | |
und nicht über staatliche Stellen in Beirut. Der Libanon wollte diese | |
Klausel neu formulieren. | |
Eine Übereinkunft mit dem Libanon liegt durchaus in Lapids Interesse, | |
alleine schon, um eine Eskalation mit der Hisbollah kurz vor den | |
[4][israelischen Parlamentswahlen am 1. November] zu vermeiden. | |
US-Präsident Joe Biden, auf dessen Unterstützung Israel an verschiedenen | |
Fronten angewiesen ist, drängt auf eine Einigung, auch der Militärchef Aviv | |
Kochavi und der Mossad unterstützen einen solchen Schritt. | |
Der Oppositionsführer und frühere Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vom | |
rechten Likud nutzt jedoch das Abkommen als Kanonenfutter. Am Montag, als | |
die Zeichen noch auf Verständigung standen, warf er Lapid vor, gegenüber | |
der feindlichen Hisbollah einzuknicken. Lapid übergebe, so twitterte | |
Netanjahu, „ein riesiges israelisches Gasvorkommen an die Hisbollah“. | |
## Israelische Truppen in Alarmbereitschaft | |
Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz hat am Donnerstag die | |
israelischen Truppen im Norden des Landes in Alarmbereitschaft versetzt. | |
Das Militär solle sich auf ein „Eskalationsszenario im Norden“ vorbereiten, | |
„sowohl offensiv als auch defensiv“, hieß es in einer Erklärung aus Gantz' | |
Büro. | |
Hisbollah hatte erneut bekräftigt, Israel anzugreifen, falls diese mit den | |
Bohrungen in den umstrittenen Gasfeldern fortfahren würden. Dabei ist auch | |
der schiitischen Organisation an einer Einigung gelegen. Nicht nur der | |
Libanon, auch der Iran – aus dem die Hisbollah ihr Geld bezieht – befindet | |
sich in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise. | |
Hisbollah-Chef Nasrallah hatte am Dienstag sogar bestätigt, dass seine | |
Partei hinter dem Kompromissvorschlag stünde. Die Organisation möchte nur | |
nicht, dass dieser als Auftakt zu normalen Beziehungen mit Israel | |
wahrgenommen werden könnte. | |
Die Verhandlungen sind nicht abgebrochen, die USA vermitteln weiterhin. | |
Sowohl der Libanon als auch Israel haben kein gesteigertes Bedürfnis nach | |
kriegerischen Auseinandersetzungen. Libanons Präsident Michel Aoun hatte | |
sich stark für ein Abkommen eingesetzt – um dieses als politischen Sieg zu | |
präsentieren, bevor seine Amtszeit am 31. Oktober endet. So gibt es unter | |
sämtlichen Parteien Hoffnungen, dass es doch zu einer Einigung kommt, | |
wahrscheinlich nach den Wahlen in Israel. | |
8 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
Judith Poppe | |
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