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# taz.de -- Russlands Krieg gegen die Ukraine: Realität trifft auf Kremlherrsc…
> Moskau bestätigt die Annexion von vier ukrainischen Gebieten. Dabei sind
> Grenzverläufe noch unklar. Bei den Menschen in Russland wächst indes der
> Unmut.
Bild: Ohne Gegenstimme: Das russische Oberhaus beglaubigt am Dienstag Putins La…
Moskau taz | Moskau arbeitet sich schnell und stur an der [1][Annexion]
ukrainischer Territorien ab. Hatte am Montag erst die Duma, das Unterhaus
des russischen Parlaments, für Änderungen in der Verfassung gestimmt – ohne
Gegenstimme freilich –, so folgte am Dienstag, ebenfalls ohne Gegenstimme,
der Föderationsrat, das Oberhaus des Parlaments. Die Gebiete Donezk,
Luhansk, Cherson und Saporischschja nennt Russland nun „auf ewig“ russisch.
Die Unterschriften unter die vier „Ratifizierungsverträge“, für jedes
Gebiet eines, sind gesetzt. Bis zur vollen Umsetzung der Gesetze gilt eine
Übergangsfrist bis zum Jahr 2026. Zu feiern aber, wie Russlands Präsident
Wladimir Putin mit seiner Unterschrift bereits am vergangenen Freitag zu
tun vorgab, gibt es wenig im Land. Putins Traum von der „historischen
Gerechtigkeit“ scheitert an der Realität. Auch wenn viele im Land diese
Realität weiterhin verleugnen.
Die Stimmung aber wandelt sich. Nach Umfragen des staatlichen
Meinungsforschungsinstitutes FOM bezeichnen knapp 70 Prozent der Befragten
die Atmosphäre mittlerweile als „beunruhigend“. Das ist doppelt so viel wie
vor der sogenannten [2][Teilmobilisierung], die die Russen als
„Vollmobilisierung“ wahrnehmen. Moskaus „militärische Spezialoperation�…
in jeder Familie in Russland angekommen.
Die Menschen, die das Thema Krieg in den vergangenen sieben Monaten oft mit
nahezu allen Mitteln zu umgehen versuchten, reden über kaum etwas anderes
mehr. „Soll ich meinen Sohn erst zum Arzt schicken und dann zum Anwalt oder
erst zum Anwalt und dann zum Arzt?“, fragen sich manche. Andere suchen nach
Wegen, den Ehemann, Sohn oder Bruder aus dem Land zu bringen. „Oder
zumindest auf irgendeine Datscha irgendwo in den Weiten Sibiriens“,
erzählen sie.
Indirekt steht durch die Unzufriedenheit der Menschen letztlich auch die
Autorität des Kremlschefs infrage. Vor allem auch, weil die Falken des
Regimes immer aufmüpfiger werden, auch wenn ihre Kritik Putin als
Oberbefehlshaber noch nicht infrage stellt.
[3][Ramsan Kadyrow], der ungehobelte Machthaber Tschetscheniens, warf einem
hohen General militärisches Versagen vor. Er nannte den „Nichtsnutz“ nach
der Schlappe von Lyman, wo sich russische Streitkräfte Ende vergangener
Woche offiziell auf „vorteilhaftere Linien“ zurückgezogen hatten, beim
Namen: Alexander Lapin.
Lapin ist einer der federführenden Regionalkommandanten, den Putin seit der
Invasion im Gegensatz zu vielen anderen Generälen nicht entlassen hatte. Er
gilt gewissermaßen als Putins Liebling und wird nun nicht nur von Kadyrow
offen angegangen. Auch Jewgeni Prigoschin, der Gründer der Söldnergruppe
Wagner, sprang Kadyrow bei. „All diese Volldeppen sollten mit Sturmgewehren
barfuß an die Front“, heißt es in Prigoschins Telegram-Kanal.
Das ist durchaus als Alarmzeichen zu sehen, denn sowohl Kadyrow als auch
Prigoschin betreiben mit ihren schlagkräftigen und treu ergebenen
Privatarmeen gewissermaßen eigene Machtzentren innerhalb der russischen
Armee. In der Ukraine haben sie mit ihren brutalen Methoden Erfolge
vorzuweisen und könnten im Gerangel um Macht versuchen, sich mit
gewaltsamen Mitteln Vorteile zu verschaffen. Kadyrow hört etwa nicht auf,
laut nach dem Einsatz von Nuklearwaffen in der Ukraine zu rufen.
Auch etliche Militärblogger klagen über die „Unentschlossenheit“ an der
Front. Sie prangern den Mangel an Kommunikation zwischen den Einheiten an,
beschweren sich über fehlende Verteidigungslinien und die viel zu spät
ausgerufene Mobilisierung, die auch noch ungeordnet ablaufe. Die Kluft
zwischen dem inszenierten Jubel aus dem Machtapparat und den Problemen mit
der Antwort auf die Frage, wie es weitergehen soll, wird immer größer.
## Verworrene Darstellung von Geschichte
Putin selbst holt lieber mit seiner verworrenen Darstellung von Geschichte
aus, als auf praktische Fragen zu reagieren. Wo Russlands Westgrenze
verläuft, vermag niemand zu sagen. Aus dem Kreml hieß es, die Grenzen der
„neuen Subjekte“ sollen am „Tag der Aufnahme in die Russische Föderation…
bestimmt werden, rein formal also dann, wenn Putin nach der „Ratifizierung“
durch den Föderationsrat die „Verträge“ unterschreibt.
Der „Tag der Aufnahme“ ist für Putin allerdings der vergangene Freitag, als
er zusammen mit den vier „Chefs“ der okkupierten Gebiete die „Heimholung�…
im Kreml besiegelte. Faktisch aber kontrolliert Moskau den Grenzverlauf im
Westen nicht. Auch die Machtverteilung innerhalb der annektierten Gebiete
ist bislang nicht klar geregelt.
4 Oct 2022
## LINKS
[1] /Russland-annektiert-ukrainische-Gebiete/!5882841
[2] /Teilmobilisierung-in-Russland/!5884723
[3] /Tschetschenien-und-der-Ukraine-Krieg/!5842003
## AUTOREN
Inna Hartwich
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