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# taz.de -- CDU macht auf Mieterpartei: Ein unglaublicher Gesinnungswandel
> Die Berliner CDU will auf einmal Mieter:innen schützen. Ist das eine
> späte Erkenntnis oder Verzweiflung, weil sonst niemand mit ihr koalieren
> will?
Bild: Hart erarbeiteter Ruf als Vermieterpartei
Auf eines konnte man sich immer verlassen: Die Berliner CDU bekämpft
Mieterschutz, wo immer es geht. Den [1][Mietendeckel hat sie weggeklagt]
und sich dafür gefeiert, das Vorkaufsrecht als ideologische
Geldverschwendung verhöhnt, jede mietpreisdämpfende Idee als
„Regulierungswut“ oder „Preisdiktat“ attackiert.
Auf Bundesebene hat ihr Schatzmeister und Bundestagsabgeordneter
[2][Jan-Marco Luczak] in der vergangenen Legislatur ein schärferes Vorgehen
gegen Mietwucher verhindert und sich – immerhin hier erfolglos – gegen die
Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen engagiert. Die
Liste ließe sich beliebig verlängern.
Schon die lapidare Feststellung „Berlin ist eine Mieterstadt“ gehörte nicht
zum Repertoire von Luczak oder [3][Landeschef Kai Wegner] – am Samstag
zierte sie Luczaks Twitteraccount. Er schrieb von der Fraktionstagung in
Düsseldorf und berichtete von einer Diskussion mit Mieterbund-Chef Lukas
Siebenkotten über die Frage „Wie wir Menschen vor steigenden Mieten
schützen“. Bitte was? Wurde sein Account gehackt?
Tatsächlich hat die CDU Berlin ein 30-seitiges Papier unter dem Titel
„Faires Wohnen für alle“ beschlossen, das sich in Teilen so liest, als wä…
es direkt bei den Grünen abgeschrieben. Ganz so, wie es deren
Mietenexpertin Katrin Schmidberger seit Langem fordert, will die CDU nun
ein öffentlich einsehbares [4][Mietenkataster], das alle Wohnungen samt
ihrer zulässigen Mieten erfasst. Neuvermietungen zu überzogenen Preisen
könnten damit effektiv gestoppt werden. Die Vermieter werden not amused
sein.
## Die CDU will Indexmieten verbieten
Auch nicht darüber, dass die Partei die Modernisierungsumlage so
umstrukturieren möchte, dass nicht mehr automatisch die Kosten der
Modernisierung auf die Miete umgelegt werden können. Stattdessen schlägt
sie etwas nebulös vor, dass das Ergebnis der Modernisierung ein
Qualitätsmerkmal darstellen und nach einem entsprechenden Schlüssel in die
Miete einfließen soll. Indexmieten, also Mieten, die an die Inflationsrate
gebunden sind, sollen verboten werden.
Zunichte machen will die Partei auch ihren erfolgreichen Kampf gegen die
Verschärfung des Mietwucherparagrafen. Anstatt die Praxis weiter als
Lappalie zu behandeln, sollen nun die Bußgelder „spürbar erhöht werden“;
von Wucher sei bereits auszugehen, wenn Miete die ortsübliche
Vergleichsmiete um 20 Prozent übersteigt. Beim Thema Energie setzt die CDU
auf das – für sie – bisherige Teufelskonzept eines Deckels für Gas, Strom
und Heizöl. Treu bleibt sich die Partei hingegen bei ihrer Neubaufixierung:
300.000 Wohnungen sollen es bis 2030 sein, sogar von einem 13. Bezirk für
100.000 Menschen wird geträumt.
Unweigerlich fragt man sich, was in die CDU gefahren ist bei all der
weichgespülten Rhetorik? Eine Lesart: Der Konservatismus braucht immer ein,
zwei Jahrzehnte länger, um gesellschaftliche Veränderungen – die Wandlung
Berlins zur hochpreisigen Vermieterstadt – wahrzunehmen und darauf zu
reagieren. Nun also wäre der Punkt erreicht, an dem sie erkennt, dass das
weitere Bereichern weniger Vermieter:innen auf Kosten fast aller
Mieter:innen die Stadt bald zerreißen wird.
Denkbar und wahrscheinlicher ist aber, dass das Papier weniger erkenntnis-
als viel mehr wahlkampfgetrieben ist: Die CDU, momentan stärkste
Umfragepartei, weiß, dass sie auch bei einem Wahlsieg keine
Machtperspektive ohne Grüne und/oder SPD hat. Es braucht daher zumindest
auf rhetorischer Ebene eine Annäherung, die eine Koalition mit ihnen
überhaupt wieder denkbar macht.
16 Oct 2022
## LINKS
[1] /Berliner-CDU-und-FDP-gegen-Mietendeckel/!5661519
[2] /CDU-Baupolitiker-zur-Mietenregulierung/!5555162
[3] /Wiederholung-der-Abgeordnetenhauswahl/!5883956
[4] /Die-Zeit-nach-dem-Mietendeckel/!5694165
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
CDU Berlin
Kai Wegner
Mieten
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Kai Wegner
Franziska Giffey
Mietendeckel
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