| # taz.de -- Bundeskongress der Grünen Jugend: Bloß nicht erwachsen werden | |
| > Ältere Mitglieder, mehr Amtszeiten? Die Grüne Jugend stimmt gegen | |
| > Reformvorschläge ihres Vorstands. Für ihre Doppelspitze ist somit bald | |
| > Schluss. | |
| Bild: Zum ersten und letzten Mal wiedergewählt: Timon Dzienus und Sarah-Lee He… | |
| Bielefeld taz | Das Ende der Jugend ist in der deutschen Parteienlandschaft | |
| nicht einheitlich definiert. Junge Union und Jusos, Junge Liberale und | |
| Linksjugend legen den Begriff sehr großzügig aus: Bis ins 35. Lebensjahr | |
| darf man dort Mitglied sein. Wer Vorstandsämter innehat, darf zum Teil | |
| sogar noch länger bleiben. So steht der JU mit Tilman Kuban ein Mann | |
| mittleren Alters vor. | |
| Die Grüne Jugend (GJ) dagegen hält es traditionell anders, die Altersgrenze | |
| liegt dort viel niedriger: Am 28. Geburtstag ist Schluss. Dabei bleibt es | |
| auch, denn eine vom GJ-Vorstand eingebrachte Satzungsänderung fiel am | |
| Samstag auf dem Bundeskongress der Jugendorganisation durch – und das nicht | |
| zum ersten Mal. | |
| Begründet hatte der Vorstand seinen Antrag vor allem mit dem Wunsch, die | |
| Jugendorganisation der Grünen vielfältiger zu machen. Als „akademischen, | |
| weißen Verband“ bezeichnete Vorstandsmitglied Josepha Albrecht auf dem | |
| Kongress in Bielefeld die Grüne Jugend. Sie selbst sei zwar schon mit 13 | |
| Jahren eingetreten. Schon so früh politisch interessiert zu sein, sei aber | |
| nicht der Standard. | |
| „Nicht-akademische Menschen lesen oft nicht am Frühstückstisch die taz“, | |
| sagte Albrecht. Wer nicht schon im Elternhaus politisiert wird, stößt | |
| demnach wenn überhaupt erst als junger Erwachsener zur Grünen Jugend. Bis | |
| zum 28. Geburtstag bleibt dann nicht genug Zeit, im Verband Erfahrung zu | |
| sammeln, Ämter zu übernehmen und sich hochzuarbeiten. | |
| Eine Mehrheit der in Bielefeld anwesenden Mitglieder konnte der Vorstand | |
| zwar von der Satzungsänderung überzeugen. Rund 61 Prozent stimmten mit Ja. | |
| Notwendig gewesen wäre aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die bereits zum | |
| zweiten Mal verfehlt wurde. 2019 hatte der damalige GJ-Vorstand eine | |
| ähnlich lautende Satzungsänderung schon einmal erfolglos vorgeschlagen. | |
| ## Kühnert wäre zu alt | |
| Die Kritiker*innen störten sich am Samstag nicht am Ziel, die Grüne | |
| Jugend diverser zu machen. Im Gegenteil: Eine ebenfalls verhandelte | |
| Antirassismus-Strategie für den Verband ging ohne Gegenstimme durch. Die | |
| Verfechter*innen der niedrigen Altersgrenze sorgten sich vielmehr | |
| darum, dass jüngere Mitglieder künftig nicht mehr durchdringen könnten. | |
| „Ältere Menschen nehmen oft mehr Raum in Strukturen ein“, sagte Luna Evans, | |
| Sprecherin des Berliner Landesverbands. Dass die Jungen schnell in | |
| Verantwortung kommen, sei gerade der Vorteil der Grünen Jugend: „Sarah und | |
| Timon können junge Menschen sehr gut vertreten, ein Kevin Kühnert eher | |
| nicht.“ | |
| Gemeint waren [1][Sarah-Lee Heinrich (21) und Timon Dzienus (26)], die seit | |
| Oktober 2021 die Doppelspitze der Grünen Jugend im Bund bilden und auf dem | |
| Bundeskongress im Amt bestätigt wurden. In einem Jahr ist allerdings für | |
| beide Schluss. Im Falle von Dzienus allein schon wegen der beibehaltenen | |
| Altersgrenze. Im Falle von Heinrich, weil der Vorstand auch mit dem Antrag | |
| auf eine zweite Satzungsänderung scheiterte. | |
| Die Bundessprecher*innen der Grünen Jugend dürfen sich nur einmal zur | |
| Wiederwahl stellen, insgesamt also nur zwei Jahre im Amt bleiben. Für | |
| andere Vorstandsposten gelten ähnliche Begrenzungen. Seinen Antrag, künftig | |
| bis zu vier Jahre zu gestatten, begründete der Vorstand damit, dass es Zeit | |
| brauche, sich an der Spitze „einzuarbeiten, Strategien zu entwickeln und | |
| Kontakte zu knüpfen“. Politisch könne der Verband mehr einreichen, wenn die | |
| Sprecher*innen nicht schon wieder abdanken müssten, wenn sie gerade erst | |
| im Amt angekommen sind. | |
| ## Rotation als Prinzip | |
| Diesem Ansinnen der Professionalisierung stellten die Kritiker*innen | |
| die basisdemokratische Tradition der Grünen entgegen. Mit der | |
| Satzungsänderung würde die Grüne Jugend „grundlegende machtkritische | |
| Prinzipien über Bord werfen“, sagte Sophie Witt, Mitglied des Berliner | |
| Landesverbands. Eine hohe Fluktuation in den Ämtern führe dazu, dass junge | |
| Menschen am besten repräsentiert werden. „Wer Karriere machen will, soll | |
| doch zu den alten Grünen gehen!“ | |
| Am Ende scheiterte der Antrag ebenfalls an der nötigen | |
| Zwei-Drittel-Mehrheit. Rund 54 Prozent Ja-Stimmen reichten nicht aus. Auch | |
| hier war es der zweite Versuch nach 2019. | |
| Inhaltlich ging es beim Bundeskongress vor allem um das Klima, um | |
| Verteilungsfragen und um Sozialproteste im Herbst. „Als Verband werden wir | |
| in den nächsten Monaten auf die Straße gehen. An unserer Seite stehen | |
| viele, die es satthaben, dass Krisen auf ihrem Rücken ausgetragen werden“, | |
| schrieb der Vorstand im Leitantrag, den die Mitglieder mit großer Mehrheit | |
| annahmen. | |
| Kaum eine Rolle spielte dagegen ein Thema, das Partei und Fraktion derzeit | |
| intensiv diskutieren und das in zwei Wochen voraussichtlich auch den | |
| Parteitag der Grünen beherrschen wird: Die Laufzeiten der Atomkraftwerke, | |
| die [2][Wirtschaftsminister Robert Habeck bis in den Frühling 2023 hinein | |
| verlängern will], waren unter den jungen Grünen nur ganz am Rande Thema. | |
| Korrektur (3.10.2022): In einer früheren Version des Textes stand, dass 54 | |
| Prozent der anwesenden Mitglieder für die Anhebung der Altersgrenze und 61 | |
| Prozent für die Ausweitung der maximal zulässigen Amtszeiten gestimmt | |
| hätten. Tatsächlich war es andersherum. | |
| 2 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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