# taz.de -- Sea-Watch-Sprecherin über Italien-Wahl: „Wir setzen unsere Arbei… | |
> Sea Watch will es mit Italiens Rechten aufnehmen und weiter Menschen im | |
> Mittelmeer retten. Das bekräftigt Sprecherin Mattea Weihe. | |
Bild: Die Sea-Watch entdeckt ein bereits verlassenes Schlauchboot auf dem Radar | |
taz: Die extreme Rechte Italiens hat während des Wahlkampfs die | |
Seenotrettungs-NGOs als Schlepper attackiert und für die hohen | |
Flüchtlingszahlen im Land mitverantwortlich gemacht. Was bedeutet das | |
[1][Wahlergebnis] für die Seenotrettung im Mittelmeer? | |
Mattea Weihe: Wir sind zuversichtlich und wir werden dafür kämpfen, dass | |
wir weiter in italienische Häfen einfahren dürfen. Wir werden alles geben, | |
damit das entsprechende Recht eingehalten wird. | |
Das wird es aber schon jetzt nicht. Die alte Regierung hat die „Sea-Watch | |
3“ erst letzte Woche wegen vermeintlicher technischer Mängel festgesetzt, | |
obwohl der Europäische Gerichtshof diese Hafenstaatkontrollen erst im | |
August [2][für unzulässig erklärt hat]. | |
Ja, wir haben in der vorigen Woche an der Blockade der „Sea Watch“ im Hafen | |
von Reggio Calabria noch einmal deutlich gesehen, was in Italien schon seit | |
längere Zeit Agenda ist: Rettungsschiffe werden festgehalten. Unsere | |
Antwort darauf und auf das Wahlergebnis ist, ein neues Schiff aufs | |
Mittelmeer zu schicken – die „Sea-Watch 5“, ein 58 Meter langes | |
Versorgungsschiff, technisch einwandfrei, nur 12 Jahre alt. Es ist so eine | |
kleinere Zielscheibe für Kriminalisierungsversuche der italienischen | |
Regierung. | |
Das setzt voraus, dass es in Zukunft faire Prüfungen gibt – wenn alles o. | |
k. ist, dürfen die Schiffe wieder fahren. Was aber, wenn Italien die | |
Rettungsschiffe stoppt, ganz egal, wie gut ihr Zustand ist? | |
Die „Sea-Watch 5“ ist ein neues Schiff unter deutscher Flagge. Wir setzen | |
damit alle Hebel in Bewegung, um uns bestmöglich zu positionieren und an | |
allen Stellschrauben zu drehen, auf die wir Einfluss haben. Das kann | |
zumindest ein Versuch sein, dem zu begegnen, was eine extrem rechte | |
Regierung gegen die Seenotrettung unternehmen könnte. | |
Gibt es Pläne, auf Häfen in anderen Staaten auszuweichen, wenn Italien | |
dichtmacht? | |
Nein. Für uns steht fest, dass die Menschen einen Rechtsanspruch haben, in | |
den nächsten sicheren Hafen gebracht zu werden, und das sind Italien oder | |
Malta. Es gibt keinerlei Bestrebungen, das zu verändern. Es ist für uns | |
ganz klar, dass sich auch eine rechte Regierung dem Recht beugen muss. | |
Deswegen setzen wir unsere Arbeit genauso fort wie bisher. | |
In seiner letzten Amtszeit als Innenminister 2018/19 hat Matteo Salvini | |
Rettungsschiffen die Einfahrt in italienische Häfen verweigert und wurde | |
deshalb wegen [3][Freiheitsberaubung angeklagt]. Werden diese Verfahren | |
seine Politik nun beeinflussen? | |
Es muss sich erst mal zeigen, welche Position er überhaupt bekommen wird, | |
das ist noch nicht klar. Salvini ist in der Vergangenheit als Minister | |
damit gescheitert, die Häfen zu schließen. Wir gehen davon aus, dass er | |
auch in Zukunft damit scheitern wird. | |
Seit Jahren geht Italiens Justiz gegen Seenotretter:innen vor. Welche | |
Veränderung erwarten Sie hier? | |
Nachdem die extrem rechte Lega 2019 aus der Regierung ausgeschieden ist, | |
hat sich bei der Kriminalisierung gar nicht so viel verändert. Die | |
juristische Verfolgung ist mal leiser, mal lauter, aber sie war in der Zeit | |
ohne Salvini genauso effektiv. Salvini hat sich damit immer sehr | |
inszeniert, ohne die extreme Rechte war die Repression bürokratischer und | |
technischer. Aber es gab sie genauso unter der Nachfolgeregierung und so | |
gehen wir auch jetzt nicht von größeren Änderungen aus. | |
Kriminalisierung und Repression gegen Helfer:innen sind nur einige | |
Ansätze, mit denen eine extrem rechte Regierung gegen Flüchtlingsrechte | |
vorgehen kann. Wie wird der Wahlsieg Italiens Kooperation mit Libyen | |
verändern, was heißt er für geplante Modelle europäischer Umverteilung | |
Ankommender? | |
Der Rechtsruck ist ja ein europäischer Trend und hat die europäische | |
Politik in dem Bereich insgesamt schon in der Vergangenheit stark geprägt. | |
Für die Menschenrechtsorganisationen werden es anstrengende Zeiten, wenn | |
rechte Parteien, rechte Figuren an Popularität und Macht gewinnen. Es nun | |
ist wichtig, dass die Menschenrechtsverteidiger sich zusammentun und | |
dagegen ankämpfen. Man wird sich anschauen müssen, was im Kontext | |
politischer Abkommen, bei der Umverteilung und anderen politischen Tools | |
passiert und wo es hingeht. Aber klar ist: Es wird schwieriger. | |
27 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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