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# taz.de -- Proteste gegen iranisches Regime: Wut erreicht die Blaue Moschee
> Am Montag demonstrierten Gegner*innen des iranischen Regimes vor dem
> Islamischen Zentrum Hamburg. Die Hamburger Schura rückt vorsichtig ab.
Bild: Die Wut vor der Tür: Demo vor der Blauen Moschee, dem Sitz des Islamisch…
Hamburg taz | Lautstark stampften und sprangen die Demonstrierenden vor der
Blauen Moschee in Hamburg auf ein Transparent mit dem Gesicht Ali
Chameneis, des politischen und religiösen Führers des Iran. Mit den Füßen
scharrten sie Dreck auf die Gesichter weiterer Regierungsmitglieder, die
daneben abgebildet waren. Eigens dafür hatte man bei der Demonstration am
Montag vor der Blauen Moschee an der Außenalster eine Plane mit Abbildungen
der iranischen Führungsriege ausgelegt.
Der Verein Kulturbrücke hatte gemeinsam mit dem Verein Säkularer Islam zu
der Kundgebung gegen das in der Blauen Moschee beheimatete Islamische
Zentrum Hamburg (IZH) aufgerufen, dem von verschiedenen Seiten vorgeworfen
wird, der „verlängerte Arm“ des iranischen Regimes in Teheran zu sein. Zu
der Demonstration erschienen auch Vertreter:innen des Bündnisses gegen
Antisemitismus, Omas gegen Rechts sowie Frauenrechtsorganisationen.
Laut den Organisator:innen kamen fast 400 Menschen zu dem Protest.
Sie forderten ein Ende des Staatsvertrags zwischen dem Senat und der Schura
– dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg, solange das IZH dazu
gehört. Der „Dialog mit dem Regime“ müsse beendet werden, forderten die
Redner:innen.
Die Kundgebung steht im Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten im Iran,
die nach dem Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini, die nach der Festnahme
durch die „Sittenpolizei“ gestorben war, um sich gegriffen haben. Aus
Solidarität mit den demonstrierenden Frauen im Iran schnitt sich auch in
Hamburg eine Protestierende die Haare mit einer Schere ab. Das Abschneiden
der Haare ist zu einem Symbol des Protests gegen die frauenfeindliche
Politik im Iran geworden.
Bereits im Vorfeld hatte die Hamburger Landesvorsitzende der Grünen, Maryam
Blumenthal, erklärt, das IZH dürfe künftig keine Rolle beim Staatsvertrag
zwischen dem Hamburger Senat und den muslimischen Verbänden in Hamburg
spielen. Die Partei bereite einen entsprechenden Antrag für den Parteitag
im November vor.
Seit 1993 wird das IZH, in dessen Blauer Moschee sich die Hamburger
Schiit:innen versammeln, vom Verfassungsschutz beobachtet. Der beschreibt
das Zentrum als ideologischen, organisatorischen und personellen
„Außenposten des Teheraner Regimes in Europa“. Aus Briefen zwischen dem IZH
und der iranischen Regierung gehe hervor, dass der aktuelle Leiter des
Zentrums, Mohammad Hadi Mofatteh, direkt an das Büro des Revolutionsführers
angebunden sei, von dort Weisungen erhalte und berichtspflichtig sei.
Die Verantwortlichen in Hamburg, so der Verfassungsschutz, träten aber
nicht offen islamistisch auf, sondern inszenierten das IZH als
„interkulturelle und interreligiöse Begegnungsstätte, um als
Gesprächspartner in Politik, Kultur und Gesellschaft akzeptiert zu werden“.
Gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat das IZH geklagt, noch
steht das Urteil des Verwaltungsgerichts dazu aus.
Inzwischen hat der Streit allerdings die Hamburgischen Landesgrenzen
überschritten. Der Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, sagte dem
Spiegel, man müsse dem IZH auf nationaler Ebene „endlich das Handwerk
legen: Dieses Zentrum ist das wichtigste Spionagenest des Regimes in
Deutschland und bedrängt zudem viele Iranerinnen und Iraner hierzulande“.
Die taz-Nachfrage, ob Nouripour damit eine Schließung des IZH meint,
beantwortet die zuständige Pressestelle mit Verweis auf Überlastung jedoch
nicht.
Die grüne Landeschefin Maryam Blumenthal, wie Nouripour iranischstämmig,
schreibt zur Frage, auf welcher Grundlage eine Schließung überhaupt möglich
sei: „Vereinigungsfreiheit ist ein hohes Gut, zurecht gibt es daher hohe
Hürden für ein Vereinsverbot. Wir gehen davon aus, dass das IZH geschlossen
wird, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für ein Vereinsverbot erfüllt
sind.“ Die sind gerade im Hinblick auf das Grundrecht auf freie
Religionsausübung hoch.
Der Zeitpunkt für den Konflikt um das IZH ist heikel: Derzeit läuft in
Hamburg die Evaluierung des Staatsvertrags, den der Senat 2012 mit der
Schura, dem Ditib-Landesverband und dem Verband der Islamischen
Kulturzentren geschlossen hat. Zu den Forderungen, den Staatsvertrag
auszusetzen, solange das Islamische Zentrum bei der Schura vertreten ist,
möchte sich der Senat mit Verweis auf die „gegenwärtig laufenden Prozesse“
nicht äußern.
Um die Rolle des Islamischen Zentrums in der Schura hat es bereits in der
Vergangenheit Diskussionen gegeben. Stein des Anstoßes war unter anderem,
dass 2017 ein Vertreter des IZH an der Al-Quds Demonstration teilnahm, wo
alljährlich die Vernichtung Israels gefordert wird. Daraufhin verlangten
die Grünen eine klare Distanzierung der Schura, die 2018 erfolgte. 2021
schied das IZH aus dem Schura-Vorstand aus, als die ursprünglich drei
Co-Vorstandsposten auf einen reduziert wurden.
Der Schura-Vorsitzende Fatih Yildiz erklärte damals, dass die Evaluierung
des Staatsvertrags für die Entscheidung kaum eine Rolle gespielt habe. 2020
hatte er die Vorwürfe gegen das IZH als „Konstrukte“ zurückgewiesen, als
die CDU den Antrag stellte, das IZH zu verbieten und den Staatsvertrag mit
der Schura auszusetzen.
Im Juni 2022 gab es erneut Aufsehen in Hamburg, als der stellvertretende
Leiter des Zentrums wegen Kontakten zu Terrororganisationen ausgewiesen
wurde. Nun fällt die Reaktion deutlicher aus: Die Schura prüft, die
Mitgliedschaft des IZH ruhen zu lassen. Das Verfahren dazu laufe bereits.
„Die Kritik ist legitim“, sagt Fatih Yildiz, „es gilt aber auch die
Unschuldsvermutung“, zum Beispiel bei der Frage, ob über das IZH
Exil-Iraner:innen bedrängt würden. Es müsse erst geprüft werden, ob es
Personen seien, die im Auftrag des IZH handelten. „Wir müssen sachlich
bleiben“, sagt Yildiz, „wir müssen die Grenzen des Machbaren und des
Aushaltens prüfen“. Augenscheinlich wünscht sich die Schura, das Thema
hinter sich zu lassen: „Wir dringen mit anderen Themen gar nicht durch.“
Das Islamische Zentrum selbst weist die Vorwürfe weiterhin zurück. Auf
Anfrage der taz schreibt das Team der Öffentlichkeitsarbeit: „Wir sehen die
ständige Kritik als eine Farce und bodenlose Unterstellungen.“ Die einzigen
Verbindungen des IZH ins Ausland seien die „zu den Büros der Großgelehrten
der islamischen Welt. Wir tauschen uns zu theologischen Themen aus,
erhalten und verschicken Spenden“.
Die Forderung nach einer Veränderung der Staatsverträge ist für das IZH
lediglich Profilierungswünschen geschuldet: „Man sollte sich nicht von
aufstrebenden Politikern diktieren lassen, wie man mit der Gesellschaft
zusammenarbeitet.“ Das IZH „zählt seit 62 Jahren zu Deutschland und Hamburg
und genau so verstehen wir uns“ – „es ist und bleibt unpolitisch“.
In der Hamburger Politik gibt es Stimmen, die vor einem übereilten Vorgehen
warnen. Ekkehard Wysocki, religionspolitischer Sprecher der Hamburger SPD,
verweist darauf, dass das Evaluationsverfahren zum Staatsvertrag mit der
Schura noch nicht abgeschlossen sei – noch fehlt die Bilanz der einzelnen
Behörden zur Zusammenarbeit etwa im Bereich der Extremismus-Prävention.
Zudem stelle sich die Frage, auf welcher Grundlage ein Verbot des IZH
überhaupt stattfinden könnte. Müsste man es zurücknehmen, weil es vor
Gericht nicht bestünde, wäre das eine „Katastrophe“.
Ohnehin ist Wysocki zurückhaltend, was eine Einmischung in die
Angelegenheiten der Schura anbelangt. Man habe zwar klar eine
Erwartungshaltung formuliert, argumentiert er, doch würde man etwa die
katholische Kirche auch nicht auffordern, die Rolle der Frau dort neu zu
definieren.
Die Vorwürfe, dem iranischen Regime gegenüber weisungsgebunden zu sein,
wies der Imam und Leiter des IZH, Mohammad Hadi Mofatteh, auf einer
Presskonferenz am Montag zurück. Warum die Menschen gegen das Zentrum
demonstrieren, verstehe er nicht. Die Aktivitäten des IZH seien „rein
religiös, nicht politisch“, sagte er. Vom IZH angebotene Gesprächstermine
seien nicht wahrgenommen worden.
Mofatteh sieht die IZH-Gemeinde selbst als „Opfer des Terrorismus“. Vor
einer Woche gab es eine Farb-Attacke im Foyer des Gebäudes, bei dem ein
hoher Sach- und auch ein Personenschaden entstanden seien.
3 Oct 2022
## AUTOREN
Friederike Gräff
Marco Fründt
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