| # taz.de -- Globaler Klimastreik: Fridays-Protest größer als erwartet | |
| > Die Klimabewegung ist zwar geschrumpft, aber mancherorts kamen doch | |
| > deutlich mehr Menschen als erwartet. Stimmen von Protest-Standorten in | |
| > Europa. | |
| Bild: Zwar weniger zahlreich, aber immer noch sehr laut gingen viele Menschen a… | |
| Berlin/Hamburg/Hannover/Wien/Madrid/Paris taz | Es ist die 214. Woche von | |
| Greta Thunbergs freitäglichem Schulstreik fürs Klima, wie ihr Protestschild | |
| vom Freitag wissen ließ. Diesmal lächelten um die schwedische Aktivistin | |
| noch acht Mitstreiter:innen [1][von dem Foto], das sie in den sozialen | |
| Medien verbreitete. | |
| Die Zeiten, in denen Thunberg wie eingangs vor vier Jahren allein vor dem | |
| schwedischen Parlament saß, sind vorbei. Die Zeiten, in denen [2][Fridays | |
| for Future] wie 2019 Millionen von Menschen auf die Straße trieb, | |
| allerdings auch – und das trotz Rekordsommer mit Waldbränden, Dürre und | |
| [3][leeren Flussbetten]. | |
| Für den Freitag hat Fridays for Future zum globalen Streik aufgerufen, die | |
| elfte weltweite Aktion der Bewegung. Auch wenn die Proteste für eine | |
| ausreichende Klimapolitik nicht mehr so groß sind wie einst, kamen teils | |
| mehr Menschen als erwartet. In Berlin hatten die Veranstalter zum Beispiel | |
| nur 8.000 Klimastreikende angemeldet. Bei der Polizei war nachmittags von | |
| 22.000 die Rede, die auf dem Invalidenplatz vor dem | |
| Bundeswirtschaftsministerium zusammengekommen seien. | |
| Das wäre ungefähr ein Zehntel derer, die 2019 in der Hauptstadt | |
| protestierten, als über ganz Deutschland verteilt sogar 1,4 Millionen | |
| Menschen auf der Straße waren. Die Aktivistin Luisa Neubauer sprach am | |
| Nachmittag auf Twitter aber sogar von 36.000 demonstrierenden | |
| Berliner:innen. | |
| ## Forderung: 100 Milliarden Euro fürs Klima | |
| Tagelang hatten hier zuvor die Aktivist*innen von Extinction Rebellion | |
| auf dem Demo-Platz in Zelten kampiert. Nun war Fridays for Future dran. | |
| „100 Milliarden für internationale Ausgleichszahlungen, für unsere | |
| Generation und für alle, die nach uns kommen“, forderte Maya Winkler, die | |
| Sprecherin der Gruppe. Investiert werden solle das Geld etwa in eine | |
| „Energiewende im Rekordtempo“ und „ein Null-Euro-Ticket“. Die Idee: | |
| langfristige Schutzmaßnahmen anstelle von kurzfristigen Entlastungen. | |
| Es ist eine der zentralen Forderungen von Fridays for Future in | |
| Deutschland: Ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, wie es die | |
| Bundesregierung auch für die Bundeswehr eingerichtet hat. Ein breites | |
| Bündnis hatte den Klimastreik in Berlin unterstützt. Greenpeace, WWF und | |
| Amnesty International hatten Stände aufgebaut. | |
| ## Bundeskanzler ging lieber zur Bergbau-Gewerkschaft | |
| Gar nicht nur jugendlich waren die Proteste in Hannover. Nach und nach | |
| strömten am frühen Nachmittag auch hier die Klimabewegten zusammen. In der | |
| niedersächsischen Landeshauptstadt folgten mehrere Tausend dem Aufruf. Jung | |
| und Alt sammelten sich mit Fahrrädern und Schildern am Königsworther Platz. | |
| Schüler*innen waren augenscheinlich in der Unterzahl. | |
| „Es ist 2022, die Klimakatastrophe ist jetzt“, rief eine junge Rednerin von | |
| der Bühne. „Nur wenn wir die nächsten Jahre den Druck erhöhen, können wir | |
| dafür sorgen, dass die am stärksten von der Krise Betroffenen echte | |
| Klimagerechtigkeit erfahren“, schallte es über den Platz. Eine Kundgebung, | |
| die sich eher wie ein gemütliches Get-together als wie wütender Protest | |
| anfühlte. | |
| Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach das aber offenbar nicht an. Er | |
| würdigte die Demo kaum eines Blickes, als er gegenüber der | |
| Auftaktkundgebung aus seiner Limousine stieg, um bei der | |
| Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie zu sprechen. | |
| ## Ärger über Lindner und Scholz in Hamburg | |
| In Hamburg hatten die Klimaaktivist:innen unter anderem den lokalen | |
| Klimaforscher Mojib Latif auf die Bühne eingeladen, dem die tausenden | |
| Protestierenden Applaus schenkten. Wie viele es genau waren und ob ihre | |
| Zahl an die optimistisch angemeldeten 20.000 heranreichte, gaben weder | |
| Polizei noch Fridays for Future bis Redaktionsschluss bekannt. | |
| Neben der Klimakrise spielten der Krieg in der Ukraine und die Proteste im | |
| Iran eine Rolle: „Hoch die internationale Solidarität!“, skandierten die | |
| Protestierenden. „Ich komme hier nicht mit Wut im Bauch hin, sondern mit | |
| einem Gefühl des Zusammenhalts“, sagte Demonstrant Max. Er verlieh | |
| selbstgebastelte Schilder an andere Demonstrant*innen. | |
| Auf der Bühne wurden derweil vor allem Bundesfinanzminister Christian | |
| Lindner (FDP) und Bundeskanzler Scholz angegriffen. Lindners Aussage zur | |
| angeblichen „Gratismentalität“ im Zuge des 9-Euro-Tickets zog den Zorn der | |
| Protestierenden auf sich. Und Scholz würde „die Sorgen um die Klimakrise | |
| und die Sorgen um Energiepreise gegeneinander ausspielen.“ | |
| Eine Sprecherin hatte zudem im Vorhinein gegenüber dem Hamburger Senat | |
| geklagt, dass das Ziel, Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, viel zu | |
| unambitioniert sei. Damit liege der Stadtstaat schließlich noch hinter der | |
| Zielvorgabe von ganz Deutschland, nämlich 2045. | |
| Noch ein Stück weiter im Norden, nämlich im Nachbarstaat Dänemark, hatten | |
| die Proteste derweil einen aktuellen politischen Aufhänger: Es stehen | |
| Parlamentswahlen an. | |
| ## Protestierende in Dänemark fordern Klimawahl | |
| Am Freitag um 12 Uhr füllte sich der Platz vor dem dänischen Parlament in | |
| Kopenhagen schnell mit jungen Menschen, die ihre Schlachtrufe und Slogans | |
| auf alles Mögliche, von Transparenten bis hin zu zerschnittenen Kartons, | |
| aufschrieben. „Es gibt keinen Planeten B“ oder „Wir fordern eine Klimawah… | |
| hieß es da. Nach Angaben von Nomi Slotorup, Aktivistin und | |
| Pressekoordinatorin von Fridays for Future Denmark, beteiligten sich 20 | |
| Schulen in und um Kopenhagen an dem Streik und dem Protest. | |
| Die Botschaft an die Menschen im Inneren des Parlamentsgebäudes war klar. | |
| Angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen in Dänemark nutzten die | |
| protestierenden Jugendlichen die Gelegenheit, um eine grüne Wahl zu | |
| fordern, die sich auf die Klimakrise konzentriert. | |
| „Für alle von uns, die zu jung sind, um wählen zu gehen, ist dies eine | |
| Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen“, sagte Nomi Slotorup, 16 Jahre alt. | |
| Während des Protests gab es eine Schweigeminute zum Gedenken an alle, die | |
| derzeit unter der Klimakrise leiden. Und eine Minute Lärm, um die Politiker | |
| auf den Protest aufmerksam zu machen. | |
| ## Gegen fossile Multis in Österreich | |
| Auch in Österreich geht man hart mit der Politik ins Gericht. Reinhard | |
| Steurer, Klimapolitikexperte an der Universität für Bodenkultur Wien, hatte | |
| schon in der Tageszeitung Der Standard angekündigt, mit Fridays for Future | |
| auf die Straße zu gehen – denn die Politik biete nur Scheinlösungen: „Das | |
| trifft vor allem auf Großparteien zu. Damit können sie bis heute Wahlen | |
| gewinnen, während sich technische Entwicklungen von alleine viel zu langsam | |
| durchsetzen und die Klimakrise weiter eskaliert.“ Österreich habe seine | |
| Emissionen seit 1990 kaum verringert, bis vor vier Jahren sogar gesteigert. | |
| Die Aktivist:innen in Österreich demonstrierten unter dem globalen | |
| Fridays-forFuture-Motto „People Not Profit“ (zu deutsch „Menschen statt | |
| Profite“), forderten aber zusätzlich „Energiewende für alle“. In Wien | |
| gipfelte die Demo um 16:30 am Heldenplatz. Protestiert wurde auch in | |
| weiteren sechs Landeshauptstädten. | |
| Jasmin Duregger von Greenpeace Österreich gab sich kämpferisch: „Der | |
| schamlosen Gier der fossilen Multis muss ein Riegel vorgeschoben werden“, | |
| sagte die Aktivistin. „Es ist absurd, dass Kriegsgewinnler-Konzerne wie die | |
| OMV Milliarden scheffeln, während die Menschen nicht mehr wissen, wie sie | |
| ihre Gasrechnung bezahlen sollen. Diese Rekordgewinne gehören an die | |
| Bevölkerung rückverteilt sowie in den Ausbau erneuerbarer Energien | |
| investiert.“ | |
| Merle Weber, Sprecherin der Südwind-Agentur für Klimagerechtigkeit, nahm | |
| die Flutkatastrophe in Pakistan zum Anlass, um die globale Dimension der | |
| Krise zu thematisieren: „Die Klimakrise ist eine Krise der globalen | |
| Gerechtigkeit. Ausgerechnet junge Menschen und Menschen im Globalen Süden | |
| sind übermäßig betroffen von der jahrzehntelangen klimapolitischen | |
| Untätigkeit im Globalen Norden. Die Politik muss gerade diesen Stimmen viel | |
| mehr Beachtung schenken.“ | |
| ## Spanien: Demokratisierung der Energieversorgung | |
| An vielen Protesten war die Energiekrise durch Russlands Krieg gegen die | |
| Ukraine Thema. Zum Beispiel in Spanien: „Es macht null Sinn, das russische | |
| Gas durch Gas anderer Herkunft zu ersetzen“, beschwerte sich Pablo | |
| Sallabera, Sprecher der „Jugend für das Klima“ in Madrid. Das würde nichts | |
| zum Klimaschutz beitragen und einzig und allein die großen Energieversorger | |
| begünstigen. | |
| Der spanische Ableger von Fridays for Future verlangte deshalb beim | |
| Klimastreik von der spanischen Linksregierung „einen Modellwandel“, soll | |
| heißen „einen entschlossenen Schritt Richtung Demokratisierung der | |
| Energieversorgung“. | |
| Statt dem von Deutschland und Spanien unterstützten Bau der Gaspipeline | |
| MidCat über die Pyrenäen – vom ostspanischen Katalonien nach Südfrankreich | |
| – wollen die spanischen Klimaschützer einen „schnellen Ausbau des | |
| Eigenkonsums, Energiegemeinschaften und Energiesparen unter sozialen | |
| Richtlinien“. Jugend für das Klima rief neben Madrid in 20 | |
| Provinzhauptstädten zu Protestaktionen. | |
| 23 Sep 2022 | |
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