# taz.de -- Verzweifelte ukrainische Familie in Kiel: Aus dem Krieg in den Beh�… | |
> Familie Kholkina aus der Ukraine ist von Kyiv nach Kiel geflohen. Sie | |
> stößt bei der Wohnungssuche auf wohlmeinende Vorschriften mit paradoxem | |
> Effekt. | |
Bild: Sind verzweifelt auf Wohnungssuche: Familie Kholkina in der Kieler Notunt… | |
HAMBURG taz | Nach ihrer Flucht aus der Ukraine, ist Familie Kholkina heil | |
in Kiel gelandet. Um aus der Notunterkunft heraus zu kommen, die ihnen die | |
Stadt nach ihrer Ankunft zugewiesen hat, suchten sich die Kholkinas eine | |
feste Wohnung. Doch das Jobcenter spielte nicht mit: Zu teuer und zu klein | |
sei die Wohnung. Dabei hat die Familie [1][in der Notunterkunft weit | |
weniger Platz] und muss jederzeit damit rechnen, in eine | |
Gemeinschaftsunterkunft umziehen zu müssen. | |
Im März dieses Jahres war die Familie aus der Ukraine in Richtung | |
Deutschland aufgebrochen. Die Entscheidung zu gehen, war ihr nicht leicht | |
gefallen: „Wir dachten es wäre schnell vorbei, dass es irgendwie geregelt | |
wird und kein Krieg vor unserer Haustür ausbrechen würde.“ Die Wohnung der | |
Kholkinas lag gegenüber dem Hauptquartier der Nationalgarde und der Polizei | |
in Kiew. Wegen der gefährlichen Lage verbrachten sie – Mutter Nataliia, | |
Vater Volodymyr und die drei Mädchen Oksana (zehn), Olha (zwölf) und | |
Viktoriia (14) – drei Wochen im Keller. | |
Als eine [2][Rakete in der Nähe ihres Zuhauses] einschlug, wussten sie, | |
dass sie weg müssen. „Wir haben fünf Rucksäcke gepackt und sind geflohen,�… | |
erzählt Vater Volodymyr. Er zeigt auf einen dunkelblauen Rucksack. Nach | |
tagelanger Reise erreichten die Kholkinas Kiel. Endlich konnten sie | |
aufatmen. | |
Gleich am nächsten Tag ließen sie sich bei der Stadt registrieren. Noch am | |
Anmeldetresen wurde der Familie eine Wohnung als Notunterkunft zugewiesen. | |
Nataliia möchte diese Wohnung nicht groß dekorieren. Schließlich ist die | |
Wohnung nur eine Übergangslösung. Sie ist barrierefrei und eigentlich | |
Menschen mit Beeinträchtigungen vorbehalten. Als die Familie eine feste | |
Wohnung fand, waren alle erleichtert. | |
## Jobcenter stellt sich quer | |
Das „Nein“ des Jobcenters war eine Überraschung. „Wir waren sehr | |
enttäuscht,“ sagt Volodymyr. „Wir sehen nicht, dass die Familie da | |
langfristig wohnen kann“, sagt eine Sprecherin des Jobcenters. „Wir | |
bekommen ihren Antrag nicht unterschrieben.“ Die Wohnung sei zu klein, aber | |
vor allem zu teuer. | |
Die Eltern können die Entscheidung nicht nachvollziehen. Sie leben derzeit | |
auf 60 Quadratmetern. Das Jobcenter hält die 77 Quadratmeter des | |
Mietangebots für „nicht angemessen“. Die Stadt Kiel setzt bei einer | |
fünfköpfigen Familie eine Wohnungsgröße von 90 bis 105 Quadratmetern an. | |
Die Mietobergrenze liegt dann bei 845,50 Euro. Den Betrag und die | |
Umzugskosten übernimmt das Jobcenter. | |
„Unter Berücksichtigung des Fluchtaspekts ist der Familie Kholkina eine | |
77-Quadratmeter-Wohnung nicht zuzumuten,“ sagt das Jobcenter. „Die Kinder | |
haben alle ein Recht auf ihr eigenes Zimmer, das ist aber nicht gegeben.“ | |
Außerdem habe der Vermieter die Nebenkosten viel zu niedrig angesetzt. Das | |
Jobcenter hat nachgerechnet und ordnet die Wohnung über der Mietobergrenze | |
von 845,50 Euro ein. Zusammen sind Miete und Nebenkosten also zu hoch. | |
Dabei sind die Kholkinas auf das Geld vom Jobcenter angewiesen, um die | |
Wohnung und den Umzug bezahlen zu können. | |
Volodymyr und Nataliia hätten sich ein persönliches Gespräch mit | |
Mitarbeitern des Jobcenters gewünscht. Dass die beiden jüngsten Töchter | |
sich ein Zimmer teilen müssten, sei nicht schlimm. Sie hätten auch in Kiew | |
schon in einem Zimmer gewohnt. Dass sie nicht wissen, ob sie nicht | |
womöglich bald aus ihrer Not-Wohnung in eine Gemeinschaftsunterkunft | |
umziehen müssen, bereitet den Kholkinas Sorge. | |
## Wunsch nach mehr Unabhängigkeit | |
Das Jobcenter halte einen solchen Umzug für „nicht optimal“. Für diesen | |
Fall sollte eine andere Zwischenlösung her. Wie die aussehen würde, kann | |
das Jobcenter nicht sagen. Das Risiko, dass die Familie bald ihre | |
Unterkunft verlassen muss, schätzt es als nicht sehr hoch ein. | |
Auszuschließen sei es aber nicht. | |
Nachdem das Jobcenter die erste Wohnung abgelehnt hatte, dauerte es | |
dreieinhalb Monate, bis die Kholkinas auf ein neues Mietangebot stießen. | |
Erst durch einen [3][Artikel über die Familie in den Kieler Nachrichten] | |
wurden sie fündig. Ein „nettes Ehepaar“ bietet ihnen eine Wohnung an. | |
Momentan ist die ihr einziges Angebot. „Für das Geld, das wir vom Jobcenter | |
bekommen und innerhalb der Richtlinien, ist es schwer etwas Passendes zu | |
finden“, sagt Volodymyr. | |
Familie Kholkina hofft, dass der Umzug nun gelingt. Die neue Wohnung sei | |
riesig. Bei vier Zimmern bekommen alle Töchter ihr eigenes. Eltern und | |
Kinder wünschen sich einen beständigen Alltag. Für mehr Sicherheit sei eine | |
feste Wohnung sehr wichtig. | |
„Wir wollen mehr Unabhängigkeit,“ sagt Volodymyr. Die ganze Familie belegt | |
Sprachkurse. Bessere Deutschkenntnisse sollen Volodymyr und Nataliia | |
ermöglichen, mehr Auswahl auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Dann werden die | |
Kholkinas auch weniger abhängig vom Jobcenter sein. „Wir möchten selbst | |
entscheiden können“, sagt Volodymyr. „Zurzeit fühlt es sich an, als ob | |
unser Leben nicht uns gehört.“ | |
Der neue Umzugsantrag ist bereits gestellt, die erste Rückmeldung dazu: Die | |
Heizkosten müssen getrennt aufgeführt werden. Bitte korrigieren und noch | |
mal einreichen. | |
11 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Herberge-fuer-Kriegsfluechtlinge/!5838418 | |
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5886788 | |
[3] https://www.kn-online.de/lokales/kiel/zu-klein-jobcenter-kiel-will-ukrainis… | |
## AUTOREN | |
Lisa Werner | |
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