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# taz.de -- Trickreiches 29-Euro-Angebot in Berlin: Alles außer unkompliziert
> Das 29-Euro-Ticket gibt es gar nicht? Jein. Die taz versucht, eine
> Schiene durch den neuen und komplizierten Sondertarifdschungel zu legen.
Bild: Zusatzfrage: Wie viele Fragen listet das FAQ der BVG zum 29-Euro-Angebot …
Wieso behaupten manche Leute, es gebe gar kein [1][29-Euro-Ticket]? Ist das
eine Verschwörungstheorie?
Nein, denn streng genommen gibt es ein 29-Euro-Ticket wirklich nicht.
Weshalb man es auch nicht am Automaten ziehen oder einzeln am Schalter
erwerben kann. Was es gibt, ist ein Rabatt, der den [2][Monatspreis
verschiedener Abonnements im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)] von
Oktober bis Dezember auf 29 Euro absenkt.
Welche Abos sind das?
Einmal die klassische VBB-Umweltkarte für die Tarifbereiche AB sowie deren
kleine Schwester für Spätaufsteher, die 10-Uhr-Karte. Außerdem kommen
AbonnentInnen von Firmen- und Azubitickets in den Tarifbereichen AB in
diesen Genuss.
Und was passiert ab Januar?
Allen, die ohnehin ein Abo haben, wird dann wieder der alte Preis abgebucht
– es sei denn, [3][Bund und Länder haben bis dahin ihr angekündigtes
bundesweites Nahverkehrsticket ausgeklügelt]. Darüber lässt sich noch
herzlich wenig sagen. NeukundInnen, die ein Umweltkarten-Abo jetzt nur
wegen des Rabatts abschließen, dürfen vom Sonderkündigungsrecht zum 31. 12.
Gebrauch machen.
Was, wenn ich nicht rechtzeitig kündige? Passiert mir bei der BahnCard auch
immer.
Dann sollten Sie sich überlegen, ob Sie ein solches Abo abschließen. Oder
abschließen und umgehend zum 31. 12. kündigen. Oder bereit sein, den ÖPNV
auch noch 9 weitere Monate zum regulären Abo-Preis zu nutzen. Wie gesagt:
Wie hoch dieser ist, hängt auch von der Lösung im Bund ab. Ordentlich
kündigen zum Monatsende geht jedenfalls erst nach einem Jahr.
Was ist, wenn ich ein Abo für BC oder ABC habe?
Dann haben Sie Pech gehabt: Der Rabatt gilt nur für Produkte, deren
Gültigkeit sich auf Berlin beschränkt. Eine Umweltkarte ABC im Abo kostet
etwa monatlich unverändert 84 Euro. Wer nur selten mal jenseits der
Landesgrenze zu tun hat, kann sich einzelne Anschlusstickets zum AB-Abo
kaufen.
Wie sieht ’s mit anderen Zeitkarten aus?
Das Sozialticket AB kostet unverändert 27,50 Euro. Das ist zwar weniger als
29 Euro, wirklich günstiger ist es aber im Verhältnis nicht mehr – das wird
wohl nun erst zum neuen Jahr kommen. Und während SchülerInnen ohnehin
nichts bezahlen, schauen ältere Menschen, die mit dem VBB-Tarif 65+
unterwegs sind, in die Röhre: Weil ihr Ticket auch in ganz Brandenburg gilt
(ob sie da hinwollen oder nicht), zahlen sie weiterhin 52 Euro pro
Abo-Monat.
Ganz schön unfair!
Na ja. Sie können ihr 65+-Abo gegen ein Abo der Umweltkarte AB tauschen.
Bei der BVG soll das auch online möglich sein, bei S-Bahn geht es nur im
Kundenzentrum. Kündigen sie dieses Abo dann aber zu Ende Dezember, müssen
sie ein neues 65+-Abo abschließen. Für viele Ältere nicht unbedingt
verlockend. Betrifft rund 115.000 BerlinerInnen.
Ich habe gehört, dass mein 10-Uhr-Ticket während des 29-Euro-Rabatts auch
vor 10 gilt, stimmt das?
Stimmt! Andere Beschränkungen bleiben allerdings erhalten. So können Sie
mit diesem Ticket auch weiterhin niemanden am Abend oder am Wochenende
mitnehmen (mit der Umweltkarte geht das). Und Firmen- oder Azubitickets
bleiben auch zwischen Oktober und Dezember nicht übertragbar.
Kann ich da nicht auch zum Umweltkarten-Abo switchen?
Gute Frage! Den FAQ der BVG nach zu schließen, ist das nicht vorgesehen.
Auf Nachfrage teilt sie mit: „Da bei diesen Tauschvorgängen von längeren
Bearbeitungszeiten auszugehen ist, empfehlen wir diesen Wechsel nicht.“
[4][Auf Twitter warnte ein Nutzer jetzt] indirekt vor der Möglichkeit, man
könne den ganzen Oktober über für 0 Euro unterwegs sein, ohne weiter
aufzufallen. Wie soll das gehen?
Hintergrund ist, dass die BVG ihren Neu-AbonnentInnen wegen der extrem
knappen Vorlaufszeit nicht rechtzeitig zum Oktober die Plastikkarte mit dem
elektronischen Ticket zusenden kann. Stattdessen sollte für diesen Zeitraum
der Ausdruck eines Behelfstickets reichen, hieß es – auf dem hätte aber
jedeR einfach den eigenen Namen eintragen können. Auch dieses Ticket
postete der Nutzer.
Und jetzt?
Hat die BVG die Information nachgeschoben, das Behelfsticket sei nur in
Verbindung mit der Bestätigungs-E-Mail gültig, die dann auch den Namen
enthält. Fälschen kann man so etwas natürlich immer noch – aber warum
sollte jemand das tun?
Klingt alles ganz schön verwirrend.
Ja …
Könnte das bedeuten, dass das 29-Euro-Ticket am Ende gar nicht so viele
neue KundInnen anziehen wird?
Könnte es. Am Mittwoch sprach die S-Bahn Berlin von einer „vierstelligen
Zahl“ von Abo-Anträgen. Die BVG machte noch keine Angaben dazu, bei ihr
liegen die Zahlen aber erfahrungsgemäß um das 2- bis 3-Fache höher. Wir
werden sehen.
Update 04.10.: [5][Auf Bitte des im Text erwähnten Twitter-Nutzers] haben
wir Formulierungen geändert, die man – aber nur mit viel bösem Willen –
dahingehend hätte verstehen können, er habe zur unrechtmäßigen Nutzung des
Behelfstickets aufgerufen. Hat er natürlich nicht.
30 Sep 2022
## LINKS
[1] /9-Euro-Nachfolgeticket/!5877580
[2] https://www.bvg.de/de/tickets-und-tarife/29-euro-aktion/29-euro-faq
[3] /Nachfolgeregelung-fuer-9-Euro-Ticket/!5879561
[4] https://twitter.com/Pertsch/status/1575195735964123137
[5] https://twitter.com/Pertsch/status/1576600290278617088
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
9-Euro-Ticket
BVG
Tarif
Wochenkommentar
Franziska Giffey
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