| # taz.de -- Grüner Kurs zu Atomkraftwerken: Gestern sinnlos, heute notwendig | |
| > Ob bei Waffenlieferungen oder LNG-Gas – die Grünen konnten | |
| > Umentscheidungen bisher oft gut begründen. Schwierig wird es bei der | |
| > AKW-Verlängerung. | |
| Bild: „Atomkraft? Nein danke“: Fridays for Future am 23. September in Freib… | |
| Jetzt ist es ausgesprochen: Die Atomkraftwerke werden über das Jahresende | |
| hinaus weiterlaufen und die Grünen übernehmen die Verantwortung. „Stand | |
| heute halte ich das für notwendig“, sagte [1][Wirtschaftsminister Robert | |
| Habeck] am Dienstag und verkündete damit eine Vorentscheidung. Ein weiterer | |
| Schritt, der den Grünen zwar schwerfällt, ihnen am Ende aber nicht schaden | |
| wird, sondern sogar als Pragmatismus positiv angerechnet? Mal abwarten. | |
| Etwas ist diesmal anders als in den vorherigen Fällen: Zwar musste man | |
| nicht jede der bitteren Pillen der letzten Monate für richtig halten. | |
| Schlüssig begründet waren sie aber alle. Waffenlieferungen an die Ukraine | |
| zum Beispiel waren ein Novum, aber deswegen kein Bruch mit der bisherigen | |
| Parteilinie, sondern der logische nächste Schritt. Die Grünen hatten sich | |
| schon vor dem 24. Februar über Jahrzehnte vom Pazifismus wegbewegt und | |
| Kriterien erarbeitet, unter denen sie den Einsatz militärischer Gewalt für | |
| nötig halten. Mit der russischen Invasion waren diese Bedingungen erfüllt. | |
| Was sonst sollte eine prowestliche und antiautokratische Partei jetzt | |
| machen, als die Ukraine zu unterstützen? | |
| Ob Bundeswehr-Sondervermögen, LNG-Gas oder Kohlereserve: Auch in anderen | |
| Fällen konnten [2][die Grünen] schwierige Entscheidungen mit veränderten | |
| Umständen und Sachzwängen stringent erklären. Die AKWs aber? Bevor die | |
| Partei im Sommer schrittweise einlenkte, redete sie monatelang von einer | |
| Scheindebatte. Auch in der Krise mache die Atomkraft überhaupt keinen Sinn. | |
| Noch vor drei Wochen schrieb der Bundesvorstand in einem Antrag für den | |
| anstehenden Parteitag, dass es die Atomreserve nur für den „äußersten | |
| Notfall“ brauche, „so unwahrscheinlich er auch sein mag“. | |
| Dass [3][die Grünen die AKW-Laufzeiten] jetzt doch ins neue Jahr verlängern | |
| wollen, lässt sich nach dieser Vorgeschichte nicht mehr allein damit | |
| erklären, dass sich die Welt eben schnell gedreht habe. Fundamental neue | |
| Informationen sind in der Zwischenzeit nicht hinzugekommen. Eine | |
| stichhaltige Erzählung zur Kehrtwende? Gibt es diesmal nicht. | |
| Das könnte den Grünen noch Probleme mit dem Kernklientel bereiten, das | |
| bisher vieles verziehen hat, weil es sich mitgenommen fühlte. Es könnte | |
| aber auch der Strahlkraft auf neue Wählergruppen schaden, in denen Habeck | |
| und Co zuletzt mit ihrer Ernsthaftigkeit punkteten. Die Grünen gestalteten | |
| ihre Politik immer eng an der Sache? Na ja. Manchmal gibt es auch bei ihnen | |
| das nackte politische Kalkül. | |
| 29 Sep 2022 | |
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| Tobias Schulze | |
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