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# taz.de -- Investoren im Profifußball: Newcastle im Nahen Osten
> Saudi-arabische Geldgeber krempeln Newcastle United um – etwas
> zurückhaltender als andere Investoren in der englischen Premier League.
Bild: Zufriedenheit und Verständnis: Newcastle-Fans feiern im Oktober 2021 die…
Wenn der englische Premier-League-Fußballklub [1][Newcastle United] bei
Auswärtsspielen künftig auf sein Ausweichtrikot zurückgreifen muss, wird
das Team verdächtig an die Nationalmannschaft Saudi-Arabiens erinnern:
weißes Shirt, grünes Emblem. Wo beim Team aus dem Nahen Osten auf der
linken Brust der stolze Adlerkopf sitzt, werden bei den „Toons“, wie
Newcastles Team genannt wird, die zwei Seepferde prangen. Aber eben in
Grün, statt im bislang gewohnten Schwarz.
An die Abkehr von Traditionen werden sie sich in Newcastle gewöhnen müssen.
Das Team aus dem nördlichsten Osten Englands ist im Herbst vergangenen
Jahres für rund 400 Millionen Euro von einem saudischen Konsortium
übernommen worden. Der Vorgang, Verkauf eines Fußballklubs an eine Gruppe
von Geschäftsleuten, ist an sich heutzutage im Profifußball [2][nichts
Ungewöhnliches]. Und doch war der Verkauf Newcastle Uniteds eine der
langwierigsten und umstrittensten Übernahmen in der Geschichte des
englischen Fußballs. Das hat mit der Herkunft der Geldgeber zu tun.
Saudi-Arabien, das von Menschenrechtsorganisationen schon lange kritisiert
wird, hat weltweit spätestens seit der Ermordung des Journalisten Jamal
Khashoggi im Oktober 2018 ein gewaltiges Imageproblem. Das Konsortium, das
den Klub übernommen hat, besteht zu 80 Prozent aus dem Staatsfonds
Saudi-Arabiens (PIF). Mit einer Erfolgsgeschichte im Fußball, so wurde
gleich gemutmaßt, wollen die saudischen Machthaber nunmehr ihren
ramponierten Ruf aufpolieren. [3][„Sportswashing“] ist mittlerweile der
etablierte Fachausdruck dafür.
Doch es ist bei Weitem nicht nur das, was den saudischen Kronprinzen
Mohammed bin Salman – kurz „MBS“ genannt – und seine Leute antreibt. Es
geht auch schlicht um einen politischen Machtkampf in der Region, der
bereits seit 2011 tobt und weit über den Sport hinausgeht. Es geht dabei im
Wesentlichen um den Aufstieg des Nachbarn Katar und dessen Regionalpolitik.
Schon seit den 1990er-Jahren intensivierte das kleine Emirat seine
Bemühungen, sich international bekannter zu machen und als attraktiver
Partner in der Region wahrgenommen zu werden. Das Ganze gipfelte
gewissermaßen in der WM-Vergabe an Katar im Dezember 2010. Katar war
endgültig aus dem Schatten des großen Nachbarn Saudi-Arabien
herausgetreten, zu dem man bis dahin in einem massiven
Abhängigkeitsverhältnis gestanden hatte.
Der Aufstieg Katars war den Nachbarn ein Dorn im Auge – man wollte den
Emporkömmling zurechtstutzen. Die Lage eskalierte, als Saudi-Arabien, die
Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten 2017 eine
Blockade Katars begannen, die bis 2021 andauerte. Das Ziel, Katar zu
isolieren, zu schwächen und dafür zu sorgen, dass dem kleinen Nachbarn auch
die WM wieder abgenommen wurde, scheiterte. Und in den Golfstaaten wuchs
die Einsicht: So schlecht war der Weg Katars gar nicht, und für die gesamte
Region wäre ein Schulterschluss sinnvoller.
## Eine Charmoffensive nach dem Mord an Khashoggi
Anstatt also den kleinen Nachbarn weiter zu schwächen, beschloss man in
Saudi-Arabien, ihn und den anderen Nachbarn VAE mehr oder weniger zu
kopieren – zumindest in ihren Aktivitäten auf dem weltweiten Fußballmarkt.
Die VAE-Fluglinie Emirates hatte schon 2004 begonnen, sich als Sponsor auf
dem englischen Fußballmarkt zu engagieren, 2006 wurde das Stadion von
Arsenal London in „Emirates-Stadium“ umgetauft. Die VAE-Stadt Abu Dhabi
schlug noch spektakulärer zu und übernahm 2008 kurzerhand den finanziell
schwächelnden Klub Manchester City, um ihn in einen internationalen
Spitzenklub zu verwandeln.
Katar sah sich zunächst beim FC Barcelona um, trat dort als Trikotsponsor
auf. 2011 folgte die Übernahme des Fußballklubs Paris Saint-Germain durch
die Qatar Sports Investment (QSI), die dem katarischen Staatsfonds
untersteht. Zudem intensivierte man die Beziehungen zum FC Bayern München,
dessen jährliches Wintertrainingslager in Katar von beiden Seiten gern
gepflegte Tradition wurde.
Im Herbst 2021 also Saudi-Arabiens Nachzug mit Newcastle United. Auch
dieser Traditionsklub soll mit Ölmilliarden des großen Flächenstaates, in
dessen Wüstenlandschaft Deutschland ungefähr sechsmal hineinpasst, zu einem
internationalen Schwergewicht aufgebaut werden.
Kronprinz „MBS“ ist Antreiber einer Art Charmeoffensive, um den Ruf seines
Landes insbesondere nach dem Mord an Khashoggi aufzubessern. Man möchte
wieder gesellschaftsfähig werden, um sich als interessanter und nahbarer
Wirtschaftspartner zu etablieren. Was schon ganz gut gelungen ist: In der
jüngeren Vergangenheit bekam man bereits wieder Besuch vom chinesischen,
vom US-amerikanischen und französischen Staatsoberhaupt. Der deutsche
Bundeskanzler Olaf Scholz wird am kommenden Wochenende nach Riad reisen.
Die Fans von Newcastle United müssen derweil nicht nur mit ihren
Traditionen brechen. Sie müssen sich auch in Geduld üben. Denn anders als
Katar mit Paris Saint-Germain, wo der Traum vom Sieg in der Champions
League trotz riesiger Millioneninvestitionen bisher ausblieb, geht Riad
vorsichtiger vor. Anstatt in diesem Sommer gleich die ganz großen
Superstars der Szene zu verpflichten, wurden erst einmal solide Spieler mit
internationaler Klasse geholt, die den zuletzt abstiegsgefährdeten Klub
zunächst sicher in der Liga halten werden.
Außerdem wurde in die Mitarbeiter im „Hinterzimmer“ investiert, um ein
effizienteres und professionelleres Team zu werden. Nach der Installation
eines neuen Sportdirektors, Dan Ashworth, der im Februar eingestellt wurde,
hat Newcastle mit Darren Eales einen neuen geschäftsführenden
Vorstandsvorsitzenden installiert. Zudem wurde in neue Analysten,
Sportwissenschaftler und Physiotherapeuten investiert. Und eben in neue
Trikots. Die jetzt in saudischen Farben daherkommen.
21 Sep 2022
## LINKS
[1] /Newcastle-United-bekommt-neuen-Eigner/!5806190
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[3] /Umstrittenes-Sportsponsoring/!5782218
## AUTOREN
Olaf Jansen
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