# taz.de -- Arbeiter über Zustände auf WM-Baustellen: „Über Menschenrechte… | |
> Krishna Shrestha hat als Wanderarbeiter in Katar gearbeitet und das | |
> Migrant Workers Network gegründet. Für einen Vortrag kommt er ins | |
> Millerntorstadion. | |
Bild: Arbeiter im Jahr 2017 auf der Baustelle des Al-Bayt-Stadions am Stadtrand… | |
taz: Krishna Shrestha ist nicht Ihr wahrer Name. Warum müssen Sie Ihre | |
Identität schützen? | |
Krishna Shrestha: Zusammen mit anderen nepalesischen Arbeitern in Katar und | |
Teilen des Golf-Kooperationsrates haben wir eine informelle Gruppe | |
gegründet, um uns über die Probleme der Wanderarbeiter im Nahen Osten | |
auszutauschen und sie in Not zu unterstützen. Die Arbeit, die wir leisten, | |
wird von den Regierungen jedoch nicht akzeptiert. Wenn der Staat von | |
unserer Arbeit erfährt, könnte das für meine Kollegen gefährlich werden. | |
Sie haben selbst acht Jahre in Katar gearbeitet. Wie sehen die | |
[1][Arbeitsbedingungen] dort aus? | |
Nicht gut. Auf den Baustellen sind die Arbeiter großer Hitze und hoher | |
Luftfeuchtigkeit ausgesetzt und fallen wegen der harten, körperlichen | |
Arbeit häufig in Ohnmacht. Oft müssen sie lange Strecken zwischen ihren | |
Wohn- und Arbeitsorten zurücklegen. Mangels angemessener Lagerungssysteme | |
verdirbt manchmal ihr mitgebrachtes Essen. Ich selbst hatte als | |
Betriebsassistent in einem europäischen Modeunternehmen im Vergleich | |
einigermaßen akzeptable Lebensbedingungen. | |
Wie steht es um die Löhne? | |
Vor 2020 wurden die Arbeiter auf Basis ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität, | |
ihres Passes bezahlt. Jene aus Südasien bekamen sehr wenig, pro Stunde | |
zweieinhalb bis drei Katar-Riyal. | |
Der steht bei 27 Euro-Cent … | |
Oft machen sie vier bis fünf Überstunden täglich, die teilweise gar nicht | |
bezahlt werden. Lohn bekommen sie nur unregelmäßig und werden oft | |
monatelang nicht bezahlt. Die Menschen kommen mit der Hoffnung dorthin, | |
ihre Lebensbedingungen zu verbessern und ihre Familien in den Heimatländern | |
zu unterstützen. | |
Wie werden Arbeiter:innen rekrutiert? | |
In Nepal läuft es meist über Zeitungsanzeigen von Vermittlungsagenturen. | |
Alle Arbeitsmigranten, die nach Katar, Saudi-Arabien oder Malaysia gehen, | |
müssen eine hohe Vermittlungsgebühr von, in meinem Fall, um die 2.000 | |
US-Dollar, zahlen. Dafür müssen sie sich oft Geld zu hohen Zinssätzen | |
leihen. Um die Schulden zu begleichen, müssen sie sechs bis sieben Monate | |
arbeiten. Nach der durchschnittlich zweijährigen Vertragsdauer im Zielland, | |
bleiben ihnen dann meist kaum Ersparnisse. | |
Wie wird die Situation der Arbeiter:innen in Nepal wahrgenommen? | |
In Medien und Politik ist das ein riesiges Thema. 24 Prozent unseres | |
Bruttoinlandsproduktes wird durch die Rücküberweisungen der Arbeiter | |
generiert. Die politischen Parteien reden häufig über den Beitrag von | |
Wanderarbeitnehmern zum wirtschaftlichen Aufbauprozess, sind aber nicht | |
bereit, ihnen ein Wahlrecht einzuräumen. Alle der rund 2,1 Millionen | |
nepalesischen Arbeiter im Ausland haben zwar formal das Recht zu wählen, | |
können das allerdings nicht aus dem Ausland tun. Sie sind also nicht in den | |
politischen Entscheidungsprozess eingebunden. Eine politische | |
Verantwortlichkeit gegenüber Wanderarbeitnehmern gibt es nicht. | |
Hat Ihre Arbeit die Situation verbessert? | |
2020 wurden zwei wichtige Arbeitsreformen verabschiedet: die Abschaffung | |
des Kafala-Systems und die Einführung eines neuen Mindestlohngesetzes. Wir | |
können nicht sagen, dass es sehr bedeutende Schritte sind, aber zumindest | |
hat Katar kleine Fortschritte gemacht. Auch auf [2][Druck der | |
internationalen Gemeinschaft] sowie der Arbeiter selbst. | |
Was fordern Sie von der EU und Fifa? | |
Die EU oder die Fifa haben viel mehr Einfluss als die Arbeitnehmer. Sie | |
müssten viel enger mit Katar zusammenarbeiten und ständig [3][über | |
Menschenrechtsfragen sprechen]. | |
2021 haben Sie Katar verlassen. Werden Sie zurückkehren? | |
Ich möchte auf jeden Fall zurückkehren, weil ich mit der Hoffnung dorthin | |
gegangen bin, meine Lebensbedingungen zu verbessern. | |
20 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Aus-Le-Monde-diplomatique/!5311692 | |
[2] /Debatte-ueber-WM-in-Katar/!5754743 | |
[3] /Bericht-von-Amnesty-International/!5291322 | |
## AUTOREN | |
Marco Fründt | |
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