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# taz.de -- Chinesische Verachtung für Gorbatschow: Er galt als Verräter
> In Chinas KP-Führung ist Michail Gorbatschow geradezu verhasst. Er wird
> für den ideologischen Niedergang der Sowjetunion verantwortlich gemacht.
Bild: 1989, Studenten mit Fotos von Michael Gorbatschow auf dem Platz des Himml…
Peking taz | In China ist die Anteilnahme am Tod von Michail Gorbatschow
äußerst verhalten. Mehr noch: Das Ableben des 93-Jährigen wird mit einer
gehörigen Portion Häme und Schadenfreude kommentiert.
Hu Xijin, einer der führenden politischen Publizisten des Landes,
bezeichnet auf seinem Twitter-Account Gorbatschow als „einen der
umstrittensten Staatsführer der Welt“: Er habe im Westen große Anerkennung
erlangt, indem „er die Interessen seines Heimatlandes verkaufte“. Zudem sei
er dafür verantwortlich, dass auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion –
darunter Tschetschenien, Georgien und Ukraine – weiterhin „Kriege
ausbrechen“.
Noch gehässiger äußern sich die Staatsjournalisten innerhalb der
chinesischsprachigen Online-Plattformen. Gorbatschow verdiene lediglich
„Verachtung“, schreibt der Kommentator Wuwei Li an seine immerhin knapp
900.000 Follower auf Weibo: Er war ein lahmer, inkompetenter, feiger
Politiker“, der für China als „abschreckendes Beispiel“ dient. Man könne
ihm für diese Lehre nur „danken“. Wuweis zynische Botschaft an den
ehemaligen sowjetischen Präsidenten lautet: „Gute Reise!“.
Von „historischer Sünder“ über „Verräter“ bis hin zu „Mörder der
kommunistischen Partei“: Das chinesische Netz ist gefüllt mit negativen
Superlativen über den früheren sowjetischen Führer. Doch Fakt ist: Kaum ein
Staatsapparat hat die Causa Gorbatschow derart sorgfältig studiert wie die
Parteikader der Volksrepublik.
## Xis Trauma vom Niedergang der Sowjetunion
Insbesondere Staatschef Xi Jinping wurde vom Niedergang der Sowjetunion
geradezu traumatisiert. Zu Beginn des Jahres 2013, nur kurz nach seinem
Amtsantritt, sprach der heute 69-Jährige in einer geheimen Rede darüber,
dass er „historischen Nihilismus“ und „ideologische Verwirrung“ für den
Fall der Sowjetunion verantwortlich machte. Die KPSU habe es versäumt, ihre
Führer Lenin und Stalin in Ehren zu halten. Schuld daran war Gorbatschow,
der westliche Demokratie-Reformen ins Land brachte.
Xi schwor sich damals, jene „Fehler“ nicht zu wiederholen – und zog berei…
in den ersten Jahren als Staatschef die ideologischen Zügel so eng wie seit
der Herrschaft von Staatsgründer Mao Zedong nicht mehr. Seine Parteikader
verdonnerte er zudem dazu, den Untergang der Sowjetunion – als
abschreckendes Beispiel – genauestens zu studieren.
Doch für Chinas einst lebendige Zivilgesellschaft war Gorbatschow ganz im
Gegenteil ein regelrechter Hoffnungsschimmer. Als der Russe im Mai 1989
nach Peking reiste, demonstrierten dort die Studenten auf dem
Tiananmen-Platz gerade gegen Korruption und für mehr politische
Mitbestimmung. Damals sagte der Staatsgast in einer bemerkenswerten Rede:
„Wirtschaftliche Reformen werden nicht funktionieren, solange sie nicht von
einer radikalen Transformation des politischen Systems unterstützt werden“.
Doch Chinas Staatsführung unter Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping entschied
sich bekanntermaßen für einen anderen Weg: Die Protestbewegung wurde mit
Panzern und Soldaten blutig niedergeschlagen.
Dementsprechend knapp fiel am Mittwoch die offizielle Reaktion des Pekinger
Außenministeriums aus. Gorbatschow habe einen „positiven Beitrag zur
Normalisierung der Beziehungen zwischen China und der Sowjetunion
geleistet“, ließ Sprecher Zhao Lijian nüchtern ausrichten: „Wir sprechen
seiner Familie unseren Beileid zu seinem krankheitsbedingten Tod aus“.
31 Aug 2022
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
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