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# taz.de -- Kim Kardashians Selbstinszenierung: Es ist die Reichweite
> Kim Kardashian hat einen neuen Dreh gefunden und inszeniert sich als
> White-Trash-Ikone. Damit erreicht sie sehr viele Menschen.
Bild: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner polarisierenden Reproduzierbarkeit: Kim…
Kim Kardashian, eine der polarisierendsten Figuren im heutigen Ökosystem
der Popkultur, ziert das Cover der neuesten Ausgabe des Lifestylemagazins
Interview und, wie könnte es anders sein, sie polarisiert. Die von ihren
Fans verehrte Unternehmerin, die über Reality-TV Modelabels und ein
Milliardenimperium aufgebaut hat, präsentiert sich vor der US-Flagge mit
blankem Hintern. Die Kritik an hypersexualisierten und mittlerweile auch
ikonisch zu definierenden Körperformen ließ nicht lange auf sich warten:
Wofür ist die eigentlich berühmt, wo sie doch offensichtlich weder Talent
noch etwas Intellektuelles beizutragen hat.
Während sich konservative Medien noch mit dem medial schon lange
überpräsenten Körperteil der Influencerin aufhalten und sich auf
altbewährtes Celebritybashing versteiften, liegt das eigentlich
Polarisierende des Bilds aber woanders.
Denn auf dem Cover zeigt sich Kim Kardashian platinblondiert bis in die
Augenbrauen und mit aufgeföhnter Stufenschnittfrisur, angelehnt an den Stil
weißer Frauen der 1970er Jahre. Diese Aufmachung zusammen mit ihrem
Denim-Outfit, einer Jeansjacke und einer Jeans mit weitem Bein,
reproduziert das Stereotyp der weißen amerikanischen Unterschicht, also
White Trash.
## Ironischer Imagewechsel
Der Stil, den man sonst eher mit Hipstern aus Williamsburg oder Anhängern
des ehemaligen Präsidenten Donald Trump verbindet, ist so brisant, weil er
eine klare Zäsur zur sonstigen Inszenierung von Kim Kardashian darstellt.
Die Neuinszenierung als White Trash auf der mit „American Dream“ betitelten
Ausgabe des Magazins ist nur zu verstehen, [1][wenn man die Vorwürfe,
Blackfishing zu betreiben, mitdenkt,] die der durch das Realityformat „The
Kardashians“ berühmt gewordenen 41-Jährigen anhängen. Die ans Groteske
reichende Überbetonung stereotypen Weißseins muss als ironischer Kommentar
zu dieser Kritik verstanden werden.
Blackfishing bezeichnet das Phänomen hellhäutiger Künstler*innen, über
Make-up, Dreadlocks und die Überbetonung kurviger Körperformen exotischer
wirken zu wollen und daraus Profit zu schlagen, während Women of Color
jahrhundertelang für ebendiese Attribute stigmatisiert wurden.
Problematisch ist das, da gerade in den USA eine langjährige Faszination
der weißen Mittelschicht von der Ästhetik Schwarzer Kultur besteht, und
zwar ohne die Bereitschaft, sich kollektiv mit den bestehenden Folgen des
strukturellen antischwarzen Rassismus des Landes auseinanderzusetzen, der
bis heute Leben kostet.
## Polarisieren als Marketingstrategie
Kardashian, die sich der Kritik bis dato immer mit dem Verweis auf die
armenischen Wurzeln ihres Urgroßvaters entzogen hat, ist die Tochter des
Staranwalts Robert George Kardashian und Kris Jenners, die das
Medienimperium ihrer Töchter verwaltet.
Kim Kardashian, bei der sich Kritiker*innen immer wieder fragen, wofür
sie eigentlich berühmt ist, ist berühmt, weil sie verstanden hat, was man
tun muss, um berühmt zu werden: gezielt polarisieren. Das provokante
Spielen mit dieser Kritik ist gezielte Marketingstrategie, um Reichweite zu
generieren. Zusammen mit ihrer Familie vereint sie mehr Follower*innen
auf Instagram, [2][als Europa Einwohner*innen hat]. In einem Land, das
seine innere Spaltung in identitätspolitischen Diskursen über White
Supremacy und woken Marxismus verhandelt, oszilliert sie dabei im
Zwischenraum und eckt gezielt an – ein eindeutig weißes Privileg. Wie nur
wenige hat sie die Wirkungsweise der sozialen Medien und deren Einfluss
verstanden. Denn dort funktioniert die Aufmerksamkeitsökonomie über heftige
Reaktionen, die nach dieser Provokation nicht ausbleiben werden.
## Celebritykultur muss ernst genommen werden
Anfang der Woche [3][forderte Isabella Caldart in ihrer Kolumne in der taz
eine Popkultursoziologie, die Celebritykultur und Gossip ernst nimmt], da
beides uns zeigt, wo wir gesellschaftlich stehen. Der Fall Kim Kardashian
zeigt das ganz offensichtlich, da sie kalkuliert mit den emotionalisierten
identitätspolitischen Diskursen der USA und der an ihr vorgebrachten Kritik
spielt und dies in Reichweite sowie daraus resultierenden Profit verwandeln
kann.
Kim Kardashian kann man vieles vorwerfen – ein naives Celebritysternchen,
das nur ihren Körper ausstellt, ist sie nicht.
7 Sep 2022
## LINKS
[1] https://missy-magazine.de/blog/2020/05/11/ein-bisschen-schwarz/
[2] /Persoenliche-Propaganda/!5758054
[3] /Britney-Spears-Amber-Heard-und-wir/!5876407
## AUTOREN
Daniel Schütz
## TAGS
Kulturelle Aneignung
Soziale Medien
Selbstinszenierung
IG
US-Serie
Feministische Kunst
Kolumne Gossip Girl
Schwerpunkt Rassismus
Influencer
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